REUTLINGEN. Alles begann mit einem Pokal. Ein kleiner silberner. Der erste für Demir Martinovic. Der große Bruder von Emin bringt ihn nach einem Turnier mit nach Hause, der Rest ist Geschichte. »Im nächsten Training war er gleich mit dabei und ab dann ging es nur bergauf, da hieß es immer Emin der Sonnenschein«, lacht Demir. Die beiden Brüder sind heute 20 und 18 Jahre alt und spielen seit dieser Saison gemeinsam für den SV Croatia Reutlingen in der Landesliga. Der Hauptgrund: Sie wollen wieder zusammen Fußball spielen. Wie einst bei der TSG Reutlingen, als der Vater die beiden Jungs trainierte und es silberne Pokale gab.
Denn zwischenzeitlich hatten sich die Wege getrennt. Für Emin ging es in der Jugend von der TSG zum SSV Reutlingen. Schon früh merkte man, wie gut er ist. »Er war ein absoluter Ausnahmespieler, auf jedem internationalen Turnier gehörte er zu den Besten«, erzählt der stolze große Bruder. Es folgte der Wechsel auf die Waldau ins Nachwuchsleistungszentrum der Stuttgarter Kickers. Emin spielte erst in der U 17-Bundesliga und schaffte dann den Sprung in die U 19. Doch da kam es zu Problemen mit dem Trainer und schließlich zur vorzeitigen Trennung.
»Ich hatte keine Lust mehr auf Fußball, das war alles andere als einfach«
»Ich hatte keine Lust mehr auf Fußball, das war alles andere als einfach«, gesteht Emin und erzählt, dass er sich in dieser Zeit andere Optionen anschaute – Hannover 96, SC Freiburg, Karlsruher SC. Aber nichts klingt wirklich vielversprechend, zumal Emin sein Abi machen will. »Egal was mit dem Fußball passiert, die Schule stand für unsere Eltern immer an erster Stelle«, grinst der Jüngere, während Demir lächelt. Er ist es dann, der seinen Bruder bei Croatia ins Gespräch bringt. »Ich musste ihn einfach überreden, dass wir beide wieder gemeinsam zocken.« Und so sagt Emin nach ein wenig Bedenkzeit schließlich bei den Dietwegkickern zu: »Ich war nicht gleich überzeugt. Umso glücklicher bin ich nun, dass es so gekommen ist.«
Demirs Wechsel zum Landesligisten stand da schon fest. Mit 18 Jahren wechselte er zum Bezirksligisten SG Reutlingen. Spielberechtigt noch für die A-Jugend, avancierte der zentrale Mittelfeldakteur bei den Orschel-Hagenern auf Anhieb zur Stammkraft. Demir glänzte durch sein Spielverständnis, erzielte Tore, bereitete sie vor und arbeitete stark gegen den Ball. Trotz seines jungen Alters strahlt er bereits eine ungemeine Reife aus und machte sich schnell einen Namen.
»Wir haben immer gekickt und wenn was kaputt ging, haben wir dann auch schon mal Ärger bekommen. Da mussten wir zusammenhalten«
So gab es bereits im Sommer 2023 erstmals Kontakt zu Croatia, doch Demir entschied sich für ein zweites Jahr bei der SG Reutlingen. »Das hat mir gutgetan. Ich bin dem Verein sehr dankbar für sein Vertrauen. Dadurch konnte ich weiter reifen und wurde besser«, erklärt Demir, der in zwei Jahren fast 60 Spiele im Bezirks-Oberhaus absolvierte und sich nun das Croatia-Trikot überstreift. »Ich fühle mich sehr wohl, wir haben einen überragenden Zusammenhalt und das Drumherum ist perfekt.«
Der Fußball ist im Hause Martinovic allgegenwärtig. Denn die beiden Brüder trainieren in ihrer Freizeit zudem die U 13 des SSV Reutlingen. "Ich als Chef, er als mein Co", lacht Demir. Echte Brüder eben, das war schon immer so. »Wir haben immer gekickt und wenn was kaputt ging, haben wir dann auch schon mal Ärger bekommen. Da mussten wir zusammenhalten«, erzählt der Ältere. Die beiden verbindet aber auch das Studium. Emin folgte im Sommer Demir und begann ebenfalls ein Lehramtsstudium in Tübingen.
»Mein Anspruch ist es, langfristig bei Croatia zu bleiben und irgendwann in Nikos Fußstapfen zu treten«
Bei Croatia sind sie nun in neuen Rollen. Emin, der Stürmer, erbte die Nummer zehn, die trug zuvor ein gewisser Torjäger namens Ante Galic. »Das sind enorme Fußstapfen, denen ich noch nicht gerecht werde. Ich stelle einen hohen Anspruch an mich und bin noch nicht ganz da, wo ich sein will«, erklärt der 18-jährige Emin, der im Sturm bislang gesetzt ist und aktuell bei drei Saisontreffern steht.
Sein größerer Bruder hat auf seiner Position im zentralen Mittelfeld enorme Konkurrenz, unter anderem mit Croatia-Legende Niko Petrovic, und kommt deshalb noch nicht ganz auf seine Minuten. »Ich bin ein Teamplayer, aber klar will ich mehr spielen. Mein Anspruch ist es, langfristig bei Croatia zu bleiben und irgendwann in Nikos Fußstapfen zu treten.« Dafür ackert er im Training. Eine seiner großen Stärken, wenn man Emin fragt. »Er hat einen guten Antritt, spielt sehr schlau und wirft sich voll rein.« Wenn man Demir nach Emin fragt, antwortet er über seinen jüngeren Bruder: »Wie er mit dem Ball umgeht, ist überragend. Zudem hat er ein sehr gutes Spielverständnis.«
Dass neben der fußballerischen Klasse beide auch, wie viele der jungen Kicker bei Croatia, eine gesunde Portion Selbstvertrauen mitbringen, merkt man. »Wir landen unter den ersten Fünf, da bin ich mir sicher«, sagt der Ältere, während der Jüngere ergänzt: »Mit ein bisschen Glück ist vielleicht sogar noch der Aufstieg drin, wir gehören da oben hin.« Die Lust am Fußball scheint zurück zu sein. (GEA)