ULM. Markus Thiele klingt ausgeschlafen und keineswegs heiser. Da dürfte es dem Geschäftsführer des SSV Ulm einen Tag nach dem Durchmarsch des Clubs in die 2. Fußball-Bundesliga anders ergangen sein als vielen Spielern. »Die letzten sind, glaube ich, um 7 Uhr heimgekommen. Ich bin etwas früher los«, sagte Thiele am Sonntag nach einer langen Partynacht. Durch den 2:0 (0:0)-Erfolg gegen Viktoria Köln tags zuvor sind die Ulmer vom ersten Rang in der Drittliga-Tabelle nicht mehr zu verdrängen, obwohl noch zwei Spieltage bevorstehen.
Nach dem Abpfiff gab es kein Halten mehr, die Mehrheit der 15.756 Zuschauer stürmte frenetisch feiernd auf den Rasen, viele Spieler wurden von den SSV-Fans auf Händen getragen. »Ich habe das noch nie erlebt. Das sieht man nur im Fernsehen und ich wollte es unbedingt mal miterleben. Ich dachte, viel besser kann es eigentlich nicht mehr werden, aber es ist jetzt einfach noch viel, viel besser«, sagte Abwehrspieler Tom Gaal.
»Das ist überragend, ich kann es noch gar nicht fassen, dass wir so eine Tür aufgestoßen haben«, sagte Thiele. Er, Trainer Thomas Wörle und Kaderplaner Michael Clemens haben eine Mannschaft geformt, die nach dem Aufstieg in die 3. Liga auf Anhieb auch dort für Furore sorgte und die hoch gehandelten Aufstiegsanwärter wie Dynamo Dresden, SV Sandhausen oder SSV Jahn Regensburg hinter sich ließ. Aber nicht nur die Mannschaft glänzte mit herausragenden Leistungen, auch der Coach hat einen großen Anteil am Erfolg. Der 42 Jahre alte Wörle hatte in seiner Laufbahn als Trainer bis 2019 nur bei den Fußball-Frauen des FC Bayern für Schlagzeilen gesorgt. Er holte in neun Jahren an der Isar zwei Meisterschaften und einen DFB-Pokalsieg.
Lizenz ohne finanzielle Auflagen
»Skepsis gab es«, erinnert sich Thiele an die Verpflichtung des ehemaligen Profis zur Saison 2021/22. »Aber ich war von Anfang davon überzeugt, dass wir gemeinsam etwas aufbauen können, dass das funktionieren kann.« Dass es derart gut funktionieren würde, damit konnte in der Münsterstadt niemand rechnen. Das Ziel vor dem Saisonstart lautete Klassenerhalt. Es kam nun bekanntlich anders und nun werden die Spatzen zum ersten Mal seit der Saison 2000/01 wieder in der 2. Bundesliga spielen. Zuvor hatten der bis vergangene Woche beim FC Bayern München gehandelte Nationaltrainer Österreichs Ralf Rangnick und Martin Andermatt den Club von der damals noch drittklassigen Regionalliga sogar in die Bundesliga geführt. Im Jahr 2001 mussten die Ulmer dann Insolvenz anmelden und stürzten in die fünfte Liga ab. Bis 2014 folgten zwei weitere Insolvenzen. »Drei Insolvenzen und jetzt steigen wir in die 2. Bundesliga auf. Das ist Wahnsinn. Das ist der schönste Tag meines Lebens«, sagte Kapitän Johannes Reichert.
Für die kommende Spielzeit hat der SSV die Lizenz ohne finanzielle Auflagen erhalten. Allerdings dürfen die Ulmer ihre Heimspiele im Donaustadion wie auch bisher schon in der 3. Liga erst einmal nur mit einer Ausnahmegenehmigung austragen. Daher soll die Spielstätte mit Kosten von möglicherweise rund zehn Millionen Euro modernisiert werden. Kurzfristig liegt der Fokus darauf, eine schlagkräftige Zweitliga-Mannschaft zusammenzustellen. »Wir haben schon Gespräche geführt. Aber jetzt können wir auch bei der Ligazugehörigkeit einen Haken machen und da tut jeder Tag eher gut«, sagte Thiele. Die Startelf werde sich kaum verändern. »Wir werden den Kader aber punktuell verstärken«, so der Geschäftsführer. (dpa)