PFULLINGEN. Die Nachricht sorgte für ein großen Staunen und Raunen in der Fußball-Region am Dienstagabend: Yasin Yilmaz tritt mit sofortiger Wirkung als Trainer des Verbandsligisten VfL Pfullingen zurück. Bereits einen Tag zuvor hatte sich der 32-Jährige, der erst seit Sommer im Amt war, von der Mannschaft offiziell verabschiedet. »Natürlich war es schließlich die sportliche Konstellation, die den Ausschlag gab«, führte der B-Lizenz-Inhaber als Hauptgrund für seinen - für viele Außenstehende - überraschenden Rücktritt an. Die als Langzeitprojekt angedachte Zusammenarbeit ist also nach nur einem halben Jahr wieder Geschichte.
Klar ist: Zehn Punkte aus 16 Spielen sind eine besorgniserregende Ausbeute. Und dennoch: Die Pfullinger Kicker standen voll hinter ihrem Trainer. Das bestätigte auch Kapitän Matthias Dünkel gegenüber dem GEA am Mittwochmorgen: »Der Rückhalt der Mannschaft war voll da, da hat es wirklich gar nichts gegeben. Zudem hat uns Yasin auch auf jedes Spiel perfekt vorbereitet.« Auch der scheidende Coach selbst betont: »Das mag vielleicht angesichts der Tabellensituation niemand glauben, aber wir hatten in der Mannschaft eine super Stimmung. Ich habe bis zum letzten Tag das volle Vertrauen und den vollen Respekt gespürt.«
Ein Satz, der reichlich Raum für Spekulationen lässt
Angesichts dieser lobenden Worte, der positiven Grundstimmung im Team und dem jüngsten sportlichen Aufwärtstrend (fünf Punkte aus den letzten drei Spielen und ein 5:1-Kantersieg gegen den TV Echterdingen am Samstag zum Jahresabschluss) verwundert es schon sehr, warum Yilmaz ausgerechnet zum jetzigen Zeitpunkt seinen Hut nimmt. Und genau an dieser Stelle kommt die offizielle Vereinsmitteilung ins Spiel.
Dort wurde der 32-Jährige wie folgt zitiert: »Ich hätte mir von Vereinsseite allerdings auch eine bessere Kommunikation gewünscht, wie die Zukunft aussehen soll.« Ein Satz, der reichlich Raum für Spekulationen lässt. »In den Details möchte ich mich nicht äußern, das ist eine Sache zwischen dem Verein und mir. Dem ist nichts hinzuzufügen«, sagte Yilmaz auf GEA-Nachfrage und ergänzte: »Wir waren immer offen und ehrlich zueinander und sind im Guten auseinandergegangen. Dort sind schließlich auch einige Freunde von mir.«
Was meint Yilmaz mit seinen Worten?
Was aber genau könnte Yilmaz, der bereits im Herbst 2023 beim damaligen Landesligisten Young Boys Reutlingen vorzeitig seinen Hut nahm und dem die aktuelle sportliche Misere als extrem ehrgeizigen Typen zu schaffen machte, mit seinen Worten meinen? War seine Rücktrittsentscheidung womöglich sogar eine Affekthandlung? Zwar gilt Yilmaz als emotionaler Typ, reflektiert genug ist er aber in jedem Fall. Eine vorschnelle Entscheidung ist daher eher auszuschließen. Nach GEA-Informationen soll es neben der schwachen sportlichen Ausbeute vielmehr auch darum gegangen sein, wie es im Verein bei einem - derzeit wahrscheinlichen - Abstieg in die Landesliga im Sommer weitergehen wird. Vor allem in personeller Hinsicht: Wer bleibt? Welche Spieler könnten gehen?
Diese Zukunftsfragen, die in der Regel ab Dezember angegangen werden, kreisen jedoch Jahr für Jahr über dem Ahlsbergsportplatz. »Wenn man sich unsere im Vergleich zu anderen direkten Konkurrenten deutlich geringeren Mittel und Möglichkeiten anschaut, dann ist es nur logisch, dass wir in beide Richtungen planen müssen«, berichtete Pfullingens Sportlicher Leiter Jan Herrmann erst vor wenigen Wochen in einem GEA-Interview. Auch Sportvorstand Paul Stingel betonte: »Wir müssen immer zweigleisig planen.« Mit anderen Worten: Das ist keine neue Situation. Dessen hätte Yilmaz sich bewusst sein müssen. Das war es ihm auch.
Der VfL kämpft mit einem Grundsatzproblem im Amateursport
Möglicherweise wurde seine Entscheidung jedoch auch von einer anderen wichtigen Personalie beeinflusst. Wie der GEA nun in Erfahrung gebracht hat, wird Stingel nach dieser Saison seine Tätigkeit als Sportvorstand beenden. Eine Entscheidung, die jedoch überhaupt nichts mit der aktuellen Situation zu tun hat. Diesen berufsbedingten Entschluss teilte der 28-Jährige bereits auf der Hauptversammlung Mitte September mit. Das Problem: Ein neuer starker Mann für den sportlichen Bereich beim VfL ist derzeit noch nicht wirklich in Sicht. Viele würden den Entscheidungsträgern nun mangelnde Weitsicht und fehlende Planung vorwerfen. In der Realität haben die Pfullinger allerdings auch mit einem Grundsatzproblem im Amateursport zu kämpfen: Beim Ehrenamt stehen die Bewerber nicht Schlange. Meckern und mitreden möchten zwar alle, die Verantwortung sollen aber lieber die Anderen tragen. Dieses Phänomen ist auch rund um den VfL zu beobachten.
Das alles erweckt den Eindruck: In Pfullingen geht es derzeit auf allen Ebenen bergab. Eine These, die im ersten Moment nicht von der Hand zu weisen ist. Doch besteht in der schwierigsten Phase der jüngeren Vereinsgeschichte nicht auch eine große Chance für einen radikalen Neuanfang? Aus dem näheren Vereinsumfeld ist zu hören, dass viele in einem Abstieg tatsächlich eine große Chance erkennen. Zudem macht nach GEA-Informationen einigen Spielern der Jahr für Jahr bis zum letzten Spieltag knochenharte Kampf um den Ligaverbleib inzwischen mental zu schaffen. Ein Abstieg könnte womöglich dafür sorgen, dass die Köpfe der Spieler wieder auf Reset gestellt werden. Gleichzeitig würde sich dann jedoch auch zeigen, inwieweit das in den sportlich erfolgreicheren Zeiten gern gepredigte »Bei einem Abstieg brechen wir nicht auseinander«-Mantra wirklich zutrifft. Denn klar ist: Spieler wie Martin Welsch, Sven Packert, Marco Digel oder auch der 31 Jahre alte Dünkel wecken auch bei anderen Vereinen Begehrlichkeiten. Schließlich soll es in der direkten Nachbarschaft einen sehr ambitionierten Verbandsligisten geben. Andererseits haben auch diese Akteure - wie die gesamte Mannschaft - einen Anteil daran, dass der VfL aktuell da steht, wo er steht.
Verantwortliche müssen der Mannschaft einen Plan präsentieren
»Jetzt sind wir am Zug, der Mannschaft etwas zu präsentieren, wie es weitergeht«, betont Stingel. Das heißt: Wer wird Trainer bei den Echazstädtern? Wer ab Sommer der neue sportliche Chef? »Und auf dieser Basis müssen die Jungs dann entscheiden, ob sie weiterhin Teil des Vereins bleiben möchten«, ergänzt der VfL-Sportvorstand. Das solle im Januar passieren. Das muss es aber auch. Damit der VfL Pfullingen in diesen stürmischen und komplizierten Zeiten schnell wieder in ein ruhigeres Fahrwasser steuert. (GEA)