REUTLINGEN. Winter-Transfers sind so eine Sache. Vor allem im Amateurfußball-Bereich passiert es selten, dass man die eigene Mannschaft zwischen den Jahren qualitativ richtig verstärken kann. Die Spieler-Auswahl ist begrenzt und auch die Ablösesummen schrecken die Verantwortlichen häufig davon ab. Der ambitionierte Verbandsligist Young Boys Reutlingen hielt die Augen und Ohren dennoch offen und zauberte nun tatsächlich einen kleinen Transfer-Hammer aus dem Ärmel. Adil Iggoute wird ab dem 9. März für das Team von Trainer Volker Grimminger im württembergischen Oberhaus auflaufen. Adil wer?
Dass sich die Reaktionen nach der Verkündung im Zaum hielten liegt wohl daran, dass der 26 Jahre alte Angreifer zuletzt von der Bildfläche verschwunden war. Der ehemalige Jugendspieler des SSV Reutlingen und der TSG Balingen, der zwischen 2019 und 2021 für die TSG Tübingen zehn Tore in 31 Verbandsliga-Partien erzielte, war zuletzt fünf Jahre sehr erfolgreich am College in den USA aktiv. Nun kehrt der Reutlinger vorerst in seine Heimatstadt zurück und verfolgt große Pläne.
Heimspiele für Connecticut vor über 5.000 Zuschauer
»Ich komme gerade vom Gym«, sagt Iggoute im GEA-Gespräch. »Später habe ich noch Training und danach mache ich bestimmt auch noch ein bisschen was Kleines«, ergänzt er. Hier will's jemand richtig wissen. Doch der 26-Jährige kennt das nicht anders. Sport bestimmte in den vergangenen Jahren sein Leben. Mit einem Stipendium in der Tasche schlug er zwei Fliegen mit einer Klappe: Studium und Spitzensport. So funktioniert das College-System in den USA, das die Massen elektrisiert und ein Milliarden-Geschäft ist. Zunächst absolvierte Iggoute an der University of Maine sein Bachelorstudium im Fach International Business.
Für den Master (Public Administration) zog es ihn dann an die renommierte University of Connecticut, kurz »UConn«. Mit den Huskies spielte er in der bedeutsamen Big East Conference. Die Creme de la Creme des Fußball-College-Sports. »Ich bin dort zu einem richtigen Athleten geworden«, berichtet Iggoute. Er habe so ein starkes Laufpensum und eine Arbeitsethik entwickeln können, »weil man wie ein Profi trainiert, lebt und behandelt wird«. So spielte er für »UConn« in einem neu erbauten Stadion mit Platz für rund 8.000 Zuschauer. Für die Spieler gab es eigene Physiotherapeuten, Krafträume sowie Analyse-Teams. Und zu den Auswärtsspielen reiste das Team meistens mit dem Flugzeug, weil sich die Uniliga quer über das gesamte Land erstreckt. Luxus pur.
Kontakt zu einem Team aus der MLS
Iggoute machte sich in den Vereinigten Staaten einen guten Namen. Er wurde während seiner Zeit an der University of Maine unter anderem als Spieler des Jahres der gesamten Liga und zweimal als wertvollster Fußballer seiner Mannschaft ausgezeichnet. Zudem gewann der Reutlinger einmal den Award als bester akademischer Athlet der gesamten Universität. Das blieb nicht unbemerkt.
Einige Jahre später, es war 2023 als Iggoute für Connecticut auflief, habe sogar Kontakt zu einem Team aus der amerikanischen MLS bestanden, in der mittlerweile Marco Reus und Lionel Messi auflaufen. Der Traum vom Profi-Fußball zerschlug sich für den Angreifer jedoch, weil er sich in dieser Zeit schwer am Meniskus verletzte, operiert wurde und insgesamt ein halbes Jahr pausieren musste. Nach seiner Genesung legte Iggoute noch eine Saison für das College in Charleston/South Carolina drauf und wollte sich dadurch weiter die Türen offenhalten in Richtung Profi-Fußball. Er schielte auf einen Club aus der Second Division, der zweiten Liga Amerikas. Doch auch dieser Plan zerschlug sich, weil die US-Clubs nur eine bestimmte Anzahl an ausländischen Spieler aufnehmen dürfen und alle Kaderplätze bereits vergeben waren.
Vermittlungsagentur für junge Athleten aus dem deutschen Raum in Planung
»Ich hatte im europäischen Raum noch Optionen, die haben aber nicht viel Sinn für mich gemacht. Deshalb habe ich mich dazu entschieden, einfach mal ein halbes Jahr in Reutlingen zu bleiben und mich gleichzeitig auf andere Dinge zu fokussieren«, erklärt Iggoute die Entscheidung für die Heimat-Rückkehr. Mit anderen Dingen meint der 26-Jährige: Eine eigene Vermittlungsagentur für junge Athleten aus dem deutschen Raum, die sich derzeit in Planung befindet. »Ich möchte ihnen das ermöglichen, was mir durch das Stipendium ermöglicht wurde und erlebt habe. Ich selber hätte gerne so eine Person gehabt. Viele kennen das überhaupt nicht und haben keine Hilfe dabei. Ich habe mittlerweile ein sehr großes Netzwerk in den Vereinigten Staaten. Ich will diese Leute begleiten und ihnen diesen Traum ermöglichen«, erklärt Iggoute.
Gleichzeitig lebt nach wie vor sein Traum vom Profi-Fußball. »Ich will durch den Fußball nochmal ins Ausland gehen oder in einer höheren Liga in Deutschland spielen«, betont der Reutlinger selbstbewusst. Doch zunächst will er auch bei den Young Boys Reutlingen sich einen guten Namen machen. Mal schauen, wo die Reise des Adil Iggoute danach weitergeht. (GEA)