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Wenn 1,3 Sekunden entscheiden: Tigers Tübingen gewinnen Thriller

Die Tigers Tübingen behalten in einem Thriller gegen die Dresden Titans die Oberhand. Warum Schätzungen zufolge Basketball weltweit mehr als drei Milliarden Menschen begeistert? Fragen Sie nach bei den 2.294 Zuschauern in der Paul-Horn-Arena!

Die pure Erleichterung bei Tübingens Philip Hecker (links) und Tigers-Topscorer Samuel Idowu.
Die pure Erleichterung bei Tübingens Philip Hecker (links) und Tigers-Topscorer Samuel Idowu. Foto: Schust/Eibner
Die pure Erleichterung bei Tübingens Philip Hecker (links) und Tigers-Topscorer Samuel Idowu.
Foto: Schust/Eibner

TÜBINGEN. »Spürst du das Dribbeln?«, fragte die Basketball-Bundesliga (BBL) vor einigen Jahren süffisant die Zuschauer an den TV-Bildschirmen in ihren Werbespots. Ob man ein Dribbeln wirklich vom heimischen Sofa aus spüren kann, darf an dieser Stelle kritisch hinterfragt werden. Das, was dagegen für alle Fans der Tigers Tübingen am Samstagabend in der Paul-Horn-Arena in der Luft zu greifen war, steht außer Frage: die pure Spannung.

Es war ein echter Thriller den sich die Tigers beim 89:88 (50:39)-Erfolg beim Heimdebüt von Interimscoach Eric Detlev mit den Dresden Titans lieferten. Da ist jeder Tatort am Sonntagabend oder jeder Psycho-Schinken von Fitzek ein Witz dagegen. Bis zur Schlusssirene war bei den 2.294 Zuschauern das große Zittern angesagt. Alles mündete nach knapp zwei Stunden in einem letzten entscheidenden Wurf.

Es knistert in der Paul-Horn-Arena

Es ist wie der entscheidende Elfmeter im Fußball. Momente, die ein gesamtes Stadion oder eine ganze Arena schlagartig zum Schweigen bringen. Momente, die den weiteren Saisonverlauf maßgeblich prägen können. 1,3 Sekunden an Spielzeit waren bei einer Ein-Punkte-Führung der Hausherren noch auf der Wurfuhr übrig geblieben, als die Dresdner den Ball unter dem Tübinger Korb zum Einwurf bekamen. Das ist gerade so viel Zeit, um im Profi-Basketball einen halbwegs vernünftigen Wurf aus dem Arm geschüttelt zu bekommen.

Dann folgte der Pfiff des Schiedsrichter-Trios, das in der zweiten Hälfte komplett seine Linie verlor und einige sehr fragwürdige Entscheidungen zum Leidwesen des Detlev-Teams traf. Das spielte jetzt aber keine Rolle mehr. Der finale Showdown wurde durch den Referee-Pfiff eingeläutet. Die Tigers-Fans versuchten die Titans-Spieler mit einem gellenden Buhhh- und Pfeifkonzert aus dem Konzept zu bringen. Es knisterte.

Die Dresdner flitzten wie wild über das Parkett. Von links nach rechts. Von hinten nach vorne und zur Seite. Der Gegner sollte damit verwirrt und aus seiner Zuordnung in der Verteidigung gelockt werden. Die Tübinger, in diesem Fall der überragende Topscorer und Big Man Samuel Idowu (22 Punkte, acht Rebounds und sagenhafte vier (!) Blocks) sowie der erneut stark aufspielende Center-Youngster Vincent Neugebauer (acht Punkte, fünf Rebounds) versuchten mit ihrer Größe und Präsenz die Zone unter dem Korb dicht zu machen, um - das Worst-Case-Szenario - einfache Punkte zu verhindern. Das klappte.

Wenn Millisekunden sich wie eine Ewigkeit anfühlen

Und so war Dresdens Daniel Kirchner an der Seitenlinie am Ende dazu gezwungen, einen weiten Pass in Richtung der Drei-Punkte-Linie zu spielen. Dort stand Teamkollege Lucien Schmikale. Die Tigers-Profis wussten in diesem Moment genau: Darauf sollten wir es eigentlich besser nicht ankommen lassen. Schließlich zählt der 27-jährige Deutsche mit einer Trefferquote von 40 Prozent zu den besseren Distanzschützen der Liga. Schmikale fing den Pass, Tigers-Kapitän Till Jönke sprintete in der Verteidigung auf die Nummer neun der Titans zu und streckte seine Arme wie verrückt in die Höhe. Dann stieg der Small Forward der Dresdner in die Luft und setzte zum Wurf an.

Die Schlusssirene ertönte, als der Ball sich noch mitten in seiner parabelförmigen Flugkurve befand. Wenn Millisekunden sich wie eine Ewigkeit anfühlen. Und plötzlich machte es Bong! Und nicht Swish. Für jeden Fan, der die Spannung nicht mehr aushielt und wegschauen musste, das endgültige Zeichen: Schmikales Wurf ist daneben. Die Spieler auf der Tigers-Ersatzbank sprangen aufs Feld und in die Arme ihrer Teamkollegen. Center Neugebauer ließ einen lauten Urschrei der Erleichterung folgen. Jeder konnte sehen: Dieser Erfolg bedeutet der Mannschaft nach den schwierigen letzten Wochen die Welt.

Dresden stellt auf Zonen-Defense um und bringt den Tigers-Motor kräftig ins Stottern

Wenige Minuten später sah man auf der Pressekonferenz einen geplätteten Detlev nach seinem Heimdebüt auf der Tigers-Trainerbank: »Ich bin erstmal ein bisschen erschöpft nach dieser Nummer«, sagt der 49-Jährige und war der Meinung: »Wir haben heute zwei Gesichter gezeigt.« In der ersten Hälfte habe seine Mannschaft mit einer großen Spielfreude befreit aufgespielt. In Halbzeit zwei habe die Tigers die Dresdner Zonenverteidigung vor erhebliche Probleme gestellt, der Motor sei schlussendlich enorm ins Stottern geraten. »Darüber müssen wir reden«, betonte der gebürtige Hamburger Detlev trotz der Freude.

Denn nach einer 50:39-Führung sahen die Tübinger nach den ersten 20 Minuten wie der sichere Sieger aus. Zu gefestigt und zu stark hatten sich die Raubkatzen im ersten Durchgang präsentiert. Dann stellte Gäste-Coach Fabian Strauß auf eine Zonen-Defense um. Das zeigte Wirkung. Ein 16:2-Run war die Folge, die die Partie aus dem Nichts auf den Kopf stellte. Wenige Zeit später kam es zum großen Showdown. Der Rest ist bekannt. Warum Basketball laut dem Nielsen Fan Insights Report mehr als drei Milliarden Menschen auf der ganzen Welt begeistert? Fragen Sie nach bei den 2.294 Zuschauern in der Paul-Horn-Arena. (GEA)