TÜBINGEN. Noch immer sind die Fans der Tigers Tübingen vom Auswärtssieg am Samstag in Göttingen geflasht. Auch der Spielmacher des Basketball-Zweitligisten JaCobi Wood sagt selbst mit etwas Abstand: »It was crazy.« Ja, der Auswärtssieg der Raubkatzen beim Bundesliga-Absteiger war wirklich nicht alltäglich. Noch verrückter beim großen Comeback-Sieg in der Göttinger Sparkassen-Arena war allerdings der Auftritt von ihm selbst.
Wood legte beim ersten Tübinger Saisonsieg 31 Punkte, neun Rebounds, sehr mannschaftsdienliche sieben Vorlagen und zwei Ballgewinne in der Verteidigung auf. Sagenhafte Allround-Werte, die Videospiel-Fans wie er ansonsten nur von der Konsole gewöhnt sind, wenn man kurzerhand mal die Spielstärke des Computers nach unten dreht. Der in Cleveland geborene Point Guard machte in Göttingen das Spiel seines Lebens. »Auf dem College habe ich mal 27 Punkte erzielt«, erzählt der US-Amerikaner dem GEA. Damit hat er bereits in seinem dritten Spiel als Basketball-Profi einen persönlichen Karriere-Bestwert erzielt.
Noch nie außerhalb den USA gewesen
Schon beim Pflichtspiel-Auftakt vor drei Wochen im BBL-Pokal gegen Bundesligist Trier ragte Wood als Topscorer (22 Punkte) heraus. Ein solcher Raketen-Start ist alles andere als selbstverständlich für einen Mann, der, seitdem er 2002 im Bundesstaat Tennessee das Licht der Welt erblickt hat, bis vor wenigen Wochen noch nie außerhalb seines Heimatlands gewesen war. »Das sind ganz schön viel neue Dinge«, gibt Wood mit Blick auf seine neue sportliche Heimat im Schwabenländle zu und schmunzelt.
Da kann es schonmal passieren, dass man eine Rote Ampel überfährt, weil man wie er davon ausgeht, dass die Regel für das Rechts abbiegen auch in Deutschland die Gleiche wie in den USA ist. Der 23-Jährige muss lachen. Aller Anfang ist schwer. Wer ohne Fehler ist, der werfe den ersten Stein.
Dieser aus der Bibel stammende Satz ist nicht zufällig gewählt. Wood dürfte mit diesem bestens vertraut sein. Denn Gott sei alles für ihn, wie der gläubige Christ betont und gleichzeitig ergänzt: »Gott hat mich bis hierher gebracht, er hat mich und meine Familie auf dem Boden gehalten. Ich vertrete ihn in allem, was ich tue. Vor allem im Basketball.« Aus diesem Grund betet der Unterschiedsspieler der Tigers auch vor jeder Partie zu Gott und spricht ihm seinen Dank aus, dass er das Spiel (Basketball), das er so liebt, spielen darf.
Wood ist vielleicht auch deshalb kein Mensch, der Gefahr läuft, bei Erfolg schnell die Bodenhaftung zu verlieren. Denn er kennt die Schattenseiten leider nur zu gut und weiß, wie hässlich das Leben sein kann. 2019 starb sein älterer Bruder mit nur 26 Jahren. Ein harter Schicksalsschlag. Zwei seiner insgesamt 13 Tattoos hat der Tübinger US-Rookie deshalb seinem verstorbenen Bruder gewidmet, zu dem er eine enge Verbindung hatte. »So werde ich immer motiviert bleiben und mich bei allem, was ich tue, an ihn erinnern«, betont Wood, der noch einen weiteren Bruder hat, der allerdings elf Jahre älter ist.
Wer weiß, ob demnächst nicht noch einige weitere Tattoos dazukommen. Schließlich verdient der 23-Jährige jetzt zum ersten Mal eigenes Geld. Bei den Tigers dürfte er zu den Top-Verdienern zählen. Was sich der 1,87 Meter große Spielmacher von seinem ersten Gehalt als Profi gegönnt hat? »Karten für ein Konzert von Drake in München. Da war ich mit ein paar Teamkollegen«, so Wood. Positionskollege und Mitspieler Kaya Bayram war zwar nicht dabei, dennoch betont der 21-jährige Deutsche: »JaCobi ist ein Mega Mensch, der immer lustig drauf ist. Die Connection zu ihm war gleich da. Er ist ein richtig guter Teammate.«
Letztjähriger Tigers-Star Cooper rät zu Tübingen-Wechsel
Interessant: Ausgerechnet der letztjährige Tigers-Topspieler Kenny Cooper (inzwischen in der ersten rumänischen Liga aktiv) hat einen entscheidenden Anteil daran, dass Wood in seiner ersten Profi-Saison sein Können den Tübingern zur Verfügung stellt. Nach erfolgreichen Jahren an der Murray State University hatte der US-Amerikaner mit einem Bachelor-Abschluss im Fach Business Administration im Sommer auch andere Angebote vorliegen. Neben den Tigers waren Erstliga-Clubs aus der Slowakei, Holland und Belgien sowie Vereine aus der zweiten französischen Liga an ihm interessiert.
Doch Cooper, der wie Wood aus Tennessee stammt, machte ihm einen Wechsel in die Unistadt schmackhaft. »Er erzählte mir, wie großartig die Fans sind, wie viel Liebe sie den Spielern entgegenbringen und wie großartig die Stadt ist«, berichtet Wood, der seine Entscheidung definitiv nicht bereut hat.
Einen kleinen Anteil für seine Wohlfühl-Atmosphäre dürfte auch der Bowl-Laden »Short Stories« in der Tübinger Innenstadt haben. Dort stehen die Chancen für die Tigers-Fans hoch, ihren Spielmacher und selbst ernannten Lachs-Liebhaber zu treffen. »Die haben guten Lachs, deshalb gehe ich gerne da hin, wenn ich es nicht selbst daheim mache«, sagt Wood und grinst. Zu Hause in den USA, wo er seit drei Jahren eine Freundin hat, die ihn vor wenigen Wochen bereits in Tübingen besuchte, sei er Stammkunde bei Chipotle gewesen. Auch dort kann man sich seine eigenen Bowls zusammenstellen. »Das könnte ich jeden Tag essen.«
Große Ziele für die Zukunft
Wie lange er die Bowls in Tübingen noch genießen wird, wird sich zeigen. Wenn der 23-Jährige allerdings so weiter macht, wird in der idyllischen Neckarstadt ab dem nächsten Sommer der Lachs-Konsum einbrechen. Wood hat einen klaren Plan. »Maximise my Basketball-Potential«, wie er sagt. Was übersetzt etwa so viel bedeutet wie: Der US-Amerikaner möchte in den nächsten Jahren hoch hinaus. »So hoch, wie es geht«.
Das wäre in Europa die sich über die vergangenen Jahre rasant entwickelnde Euroleague. Das Pendant zur Champions League im Fußball. Dass dieser Weg nicht unmöglich ist, beweist Zac Seljaas. In der Zweitliga-Saison 2022/23 war Seljaas der wichtigste Mann bei den Tigers und hatte großen Anteil am Bundesliga-Aufstieg. Nach zwei Jahren als Leistungsträger beim deutschen Top-Club Würzburg Baskets, zog es den 28-Jährigen in diesem Sommer zum französischen Euroleague-Club ASVEL Lyon-Villeurbanne.
Einem solchen Weg würde auch Wood ohne zu Zögern zustimmen. Zunächst einmal muss er aber seine starken Leistungen bestätigen. Dabei helfen soll Tigers-Coach Henrik Sonko. »Er ist für mich die wichtigste Person. Wir sind seit dem ersten Tag auf einer Wellenlänge. Henrik ist ein großartiger und kluger Trainer«, sagt Wood. Der Skandinavier entgegnet: »Er ist der geborene Anführer.« Sonko ist mit der Verpflichtung des US-Amerikaners offenbar ein Coup gelungen. JaCobi Wood soll die Tigers Tübingen in dieser Spielzeit hoch hinaus führen. Schafft er das? So oder so: Der 23-Jährige selbst hat eine rosige Zukunft vor sich. (GEA)

