TÜBINGEN. Es wäre der perfekte Abschluss eines erfolgreichen Basketball-Abends gewesen. 21 Sekunden vor Ende der Partie gegen Rasta Vechta II marschierte Joshua Schwaibold vom Zweitligisten Tigers Tübingen an die Freiwurflinie. Das Spiel war zu diesem Zeitpunkt bereits zugunsten der Raubkatzen entschieden, der Applaus aber umso größer, weil jeder in der mit 2.476 Zuschauer gefüllten Paul-Horn-Arena dem sympathischen Tübinger Eigengewächs seine vermeintlichen ersten Zähler in dieser Saison gönnte. Doch der 25-Jährige zeigte Nerven und setzte alle drei Würfe von der Freiwurflinie daneben. Während die Schlusssirene wenige Augenblicke später ertönte und die Fans ausgelassen jubelten, nahm Tigers-Headcoach Domenik Reinboth seinen geknickten Schützling zur Seite und meinte: »Kopf hoch, Junge!«
Das änderte natürlich nichts daran, dass auch Schwaibold glücklich darüber war, dass die Tübinger soeben ihren achten Sieg im zehnten Saisonspiel eingefahren hatten und dadurch auf den dritten Tabellenplatz springen. Gleichzeitig wurde am Sonntagabend klar: Die Spiele der Tigers sind wieder eine angesagte Freizeit-Adresse für Sportbegeisterte aus der Region und die Neckarstädter mutieren trotz des Bundesliga-Abstiegs auch im Unterhaus wieder zum Zuschauermagneten. Zu Gast war die noch sieglose zweite Mannschaft des niedersächsischen Bundesliga-Clubs. Eine große Überraschung war es deshalb nicht, dass die klar favorisierten Raubkatzen in diesem Duell mit 85:69 die Oberhand behielten und den bislang höchsten Sieg in dieser Saison feierten. Dass sich jedoch bereits zum dritten Mal in Folge deutlich mehr als 2.000 Fans in die Halle locken ließen, ist alles andere als selbstverständlich und darf als sehr positives Zeichen für den Basketball-Standort Tübingen interpretiert werden.
Sehr durchwachsene erste Hälfte
Dabei wurden Sie zunächst Zeugen einer sehr durchwachsenen ersten Hälfte ihrer Mannschaft. Der Korb schien wie vernagelt (nur ein Dreier in den ersten 20 Minuten), die Hausherren erzielten erst nach etwas mehr als drei Zeigerumdrehungen ihre ersten Zähler der Partie. Die blutjungen Gäste (fünf Spieler waren 20 Jahre oder jünger und auch Vechtas Trainer Hendrik Gruhn hat erst im August die 30er-Marke geknackt) hingegen zeigten sich von jenseits der 6,75-Meter-Linie sehr treffsicher und zogen zwischenzeitlich auf elf Punkte davon. Mitte des zweiten Spielabschnitts folgte dann ein lauter Schrei des unzufriedenen Kapitäns Till Jönke von der Bank. Es sollte eine Art Wachrüttler für die Tigers-Mannschaft sein. Bis zur Pause verkürzten die Tübinger, denen man fehlende Energie und Einsatz definitiv nicht vorwerfen konnte, auf zwei Punkte und 35:36.
»Manchmal muss man draufhauen als Trainer. Aber wenn ich merke, dass die Mannschaft eigentlich alles probiert, zuhört und die Dinge versucht umzusetzen, aber sie klappen nicht, dann macht es keinen Sinn draufzuhauen. Deshalb haben wir versucht, eher Energie mit reinzugeben und zu analysieren, wo unsere Schwächen lagen«, gab Reinboth Einblicke in seine Halbzeitansprache. Ein ruhiger Ansatz, der gefruchtet hat.
Hecker macht auf sich aufmerksam
»Wir machen 50 Punkte in der zweiten Halbzeit und haben nur 33 kassiert. Eine bessere zweite Hälfte kann man meiner Meinung nach nicht spielen. Wir haben auch gut ausgewogen gescort, genau so wie wir spielen wollen«, lautete die Analyse des Tübinger Coaches über die deutlich erfolgreicheren zweiten 20 Minuten, in denen acht von 15 Dreier den Weg durch die Reuse fanden. Eine bärenstarke Quote. Was vor allem auch an Spielmacher Kenny Cooper lag, der mit 22 Punkten wieder einmal bester Punktesammler bei den Tigers wurde. Der aber - und das war schon anders in dieser Spielzeit - eben nicht der Alleinunterhalter war. So machte auch Philip Hecker mit einem extrem selbstbewussten Auftritt auf sich aufmerksam und erzielte mit 13 Zählern seine bislang beste Ausbeute im Tübinger Dress.
»Wir sind sehr glücklich, dass wir vor der Länderspielpause nochmal gewinnen konnten«, sagte Reinboth mit Blick auf das spielfreie kommende Wochenende und ergänzte: »Das Spiel hat wieder einmal gezeigt, dass man in dieser Liga einfach niemanden unterschätzen darf. Wir müssen immer wach sein, das war eine lehrreiche Lektion für uns.« Ein Start-Ziel-Sieg: Genau das fehlt den voll auf Erfolgskurs befindenden Tübingern in dieser Saison noch. Jammern auf sehr hohem Niveau. (GEA)