REUTLINGEN-GÖNNINGEN. Im vergangenen Jahr unternahm der Gönninger Tulpenverein mit der ersten Gönninger Saatgutbörse den Versuch, historische Saatgutsorten – also Sorten, die nicht mehr im »normalen« Handel erhältlich sind – ein Forum in der Region zu bieten. Schon die Premiere war ein Erfolg, 19 Aussteller lockten 497 Besucher in die Roßberg-Turnhalle.
Nun musste die zweite Auflage bestätigen, ob in der Gemeinde der reisenden Samenhändler der richtige Platz für eine Börse ist. Das ist eindrucksvoll gelungen. Als um 16 Uhr die Eintrittskasse geschlossen wurde – die Börse hatte von 10 bis 17 Uhr geöffnet – hatten sich bereits 700 Hobbygärtner eingefunden.
Margarete Walliser, Vorsitzende des Vereins Gönninger Tulpenblüte, hat nach der vorjährigen Veranstaltung und auch bei anderen Saatgutmessen im Land von den Ausstellern die klare Ansage bekommen: »Wir kommen wieder«, einige sind dazu gestoßen. »Das Angebot ist breiter, bleibt aber im gleichen Segment«, sagt Walliser, »das Interesse kommerzieller Anbieter ist gewachsen.« Diesmal wurden 26 Stände besetzt, ein bisschen Luft hat die Halle noch, die Stehtische für den Tratsch vor, nach und zwischen dem Sämereienpicken könnten weichen.
Raum genug fürs Fachsimpeln bietet die Börse selbst. Die Aussteller sind mit Herz und Seele dabei und kennen sich aus mit den von Massenware bedrohten Raritäten. Ihre Kunden nutzen das. Kaum ein Samentütchen wechselt den Besitzer ohne eingehende Beratung über die Eigenschaften der jeweiligen Sorte, den Zeitpunkt der Aussaat oder die Pflege. Das macht den Charme der Saatgutbörse aus, schnell-schnell gibt es hier nicht.
Gefragt sind Gemüse- und Kräutersämereien, die knackig, voller Geschmack und nicht alltäglich sind. Immer öfter werden aber auch Blühpflanzen gesucht, die etwa Wildbienen und Schmetterlingen Weide bieten. Wenn’s geht, gleich als Blühmischung, erzählt eine Ausstellerin, die artspezifische Fünferpäckchen an Blühpflanzen anbietet.
Weil zum Gartenglück mehr als Samen gehören, bietet die Börse passende Vorträge an. Auch die waren durchgehend gut besucht, berichtet Hartmut Fetzer vom Tulpenverein, der selbst vor vollem Saal über Blühmischungen referierte. SWR-Wetterfrosch Harry Röhrle wurde erst nach über einer Stunde der Fragenflut Herr, angesetzt waren 20 Minuten. Das Wetter ist halt für Bauer und Hobbygärtner gleichermaßen erfolgsentscheidend. Wegen der deutlichen Zeitüberschreitung musste Christel Ehlers’ Vorstellung des Trochtelfinger Kräutergartens ein Stück nach hinten rücken, der Vortrag vom Albgold-Profi war trotzdem ebenfalls ein Renner. Paul Ackermann rundete das Rahmenprogramm mit einem historischen Blick auf Gönningen, das Dorf der Samenhändler, ab.
Das muss auf jeden Fall weitergehen, zieht Fetzer ein Fazit. Der einzige enttäuschte Besucher sei ein Stuttgarter gewesen, der Tulpenzwiebeln kaufen wollte, aber die gibt’s im Winter halt nicht, bedauert Margarete Walliser nicht ganz ernsthaft. Sponsoren sind jetzt auch da, die Spätzle zu den Linsen und Saiten kamen von Albgold, Volksbank und Kreissparkasse Reutlingen haben auch etwas springen lassen. Was kann man an einem erfolgreichen Konzept ändern? Die Linsen werden ohne Saiten vegetarisch, nachgefragt wird aber auch zunehmend Veganes. Da müssten sie sich nächstes Jahr etwas einfallen lassen, grübelt Walliser. (GEA)



