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Zwei neue Richter am Amtsgericht Reutlingen

Eine junge Assessorin und ein junger Assessor haben ihren Dienst als Richter auf Probe beim Amtsgericht Reutlingen angetreten.

Celine Eich (links) und Matthias Szantay (rechts) haben ihren Dienst als Richter auf Probe angetreten. Darüber freut sich in der
Celine Eich (links) und Matthias Szantay (rechts) haben ihren Dienst als Richter auf Probe angetreten. Darüber freut sich in der Mitte Amtsgerichtsdirektor Dr. Christian Wollmann. Foto: Stephan Zenke
Celine Eich (links) und Matthias Szantay (rechts) haben ihren Dienst als Richter auf Probe angetreten. Darüber freut sich in der Mitte Amtsgerichtsdirektor Dr. Christian Wollmann.
Foto: Stephan Zenke

REUTLINGEN. Zufrieden blickt Justitia von der Fassade des Amtsgerichtes Reutlingen auf zwei neue Gesichter in ihrem Haus. Celine Eich und Matthias Szantay haben ihren Dienst als Richter auf Probe angetreten. Die Assessorin und der Assessor bereichern das damit wieder vollständige Kollegium von aktuell 13 Richtern, die zuständig für über 180.000 Einwohner im Gerichtsbezirk sind. Was bewegt den juristischen Nachwuchs dazu, in den Staatsdienst zu treten, statt einen lukrativeren Job in einer Anwaltskanzlei anzunehmen?

»Man ist nicht abhängig von den wirtschaftlichen Zwängen einer Kanzlei«, sagt die 27 Jahre alte Celine Eich. Die Sicherheit einer staatlichen Anstellung sei ebenfalls attraktiv. Eich wird in den kommenden zwei Jahren als Einzelrichterin in Reutlingen Strafverfahren leiten. Schon im Tübinger Jurastudium hat sie dieser Rechtsbereich besonders interessiert. »Mich spricht die Lebensnähe an«, meint sie. Auf der Tagesordnung stehen klassische Delikte wie Diebstahl, Beleidigung oder Trunkenheit im Straßenverkehr. Mithin genau das, was die Bevölkerung besonders bewegt oder aufregt. Verhandeln wird sie auch Ordnungswidrigkeiten, »da finden eher die konfliktreicheren Verfahren statt«.

»Entscheidungen frei von Parteiinteressen oder auch von Dienstvorgesetzten «

Aufgewachsen ist Celine Eich in Schwäbisch Hall. Zum Jurastudium zieht sie nach Tübingen, ihr Referendariat hat sie am dortigen Landgericht absolviert. Das Reutlinger Amtsgericht lernte sie im Rahmen eines Praktikums kennen und schätzen. Denn der Richterberuf hat laut Amtsgerichtsdirektor Dr. Christian Wollmann eine hohe Attraktivität: »Die persönliche Unabhängigkeit, Entscheidungen frei von Parteiinteressen oder auch von Dienstvorgesetzten zu fällen.« Wer einmal nach der Probezeit Richter ist, den schützt der Rechtsstaat vor Einflussnahmen jeglicher Art. Was andererseits »vom ersten Tag an unmittelbare Verantwortung« bedeutet, die im Gebäude an der Gartenstraße auf »sehr große Kollegialität« trifft. Dazu kommt die Möglichkeit zum zeitlich und örtlich sehr flexiblen Arbeiten, »mit der eAkte mehr denn je«.

Als zweiter neuer Kollege am Richtertisch ist Matthias Szantay bereits etwas weiter auf seinem Berufsweg als Celine Eich. Der 38 Jahre alte Jurist hat nach seinem Jurastudium in Tübingen und dem Referendariat am Hechinger Landgericht einige Jahre als Fachanwalt für Familienrecht - in diesem Bereich spricht er nun auch als Richter Recht - bei einer größeren Stuttgarter Kanzlei gearbeitet sowie danach im Staatsdienst als Assessor bei der Tübinger Staatsanwaltschaft, zuständig für Reutlinger Fälle. Dort hat er reichlich viel zu tun gehabt, etwa 100 Fälle monatlich bearbeitet. »Überwiegend einfach gelagerte Fälle«, meint er dazu, denn sonst wäre das auch kaum machbar.

»Es ist ein Riesenvorteil zu wissen, wie die andere Seite arbeitet«

Zum Rechtsverständnis der beiden Neuen: Klar sei eine Strafzumessung keine Willkür des Richters, sondern müsse im gesetzlichen Rahmen liegen. "Durch die Hauptverhandlung und die Beweisaufnahme entsteht möglicherweise ein ganz anderer Eindruck als zunächst nach Aktenlage", sagt Celine Eich. Der sei wiederum "meistens besser als gedacht", ergänzt Szantay. Die lange Ausbildung mit ganz unterschiedlichen Perspektiven auf Prozessbeteiligte ist ein großer Pluspunkt der jungen Richter. »Es ist ein Riesenvorteil zu wissen, wie die andere Seite arbeitet«, erklärt Amtsgerichtsdirektor Wollmann. Ein Richter wie Szantay kann sich in die Verteidigungsstrategie eines Advokaten versetzen, kennt die Seite der Staatsanwaltschaft.

Dazu kommt etwas, was immer mal wieder in Verhandlungen deutlich wird: Empathie. »Mich beschäftigen Fälle schon auch noch danach«, sagt Eich. »Als Richter ist man für alle verantwortlich. Bei Kindschaftssachen, etwa Umgangs- und Sorgerechtsverfahren denkt man nach, wie es weitergehen könnte«, meint Szantay. Ähnlich viele Gedanken machen sich Richter am Amtsgericht Reutlingen in pro Jahr rund 450 Unterbringungsverfahren, wie Wollmann beschreibt. Darunter sind auch Fälle, in denen beispielsweise Personen in psychischen Ausnahmesituationen gegen ihren Willen zu ihrem eigenen oder dem Schutz der Allgemeinheit eingewiesen werden. »Wir sind nicht nur Strafgericht für Menschen, die in Konflikt mit dem Gesetz geraten sind«, betont der Direktor. Das Amtsgericht ist auch Dienstleister etwa bei Erbscheinverfahren oder der Bestellung von rechtlichen Betreuern. Jede Menge Arbeit für vergleichsweise bescheidene Gehälter.

»Bei der Bezahlung muss sich etwas tun«, wünscht sich Dr. Christian Wollmann. Berufsanfänger verdienten nach der jüngsten Besoldungserhöhung im öffentlichen Dienst 63.500 Euro brutto im Jahr. »Das klingt für viele nicht wenig. Dabei muss man aber berücksichtigen, dass die Justiz die besten Juristen für sich gewinnen möchte. Für diese zahlen insbesondere anglo-amerikanische Großkanzleien inzwischen bis zu 180.000 Euro«, verdeutlicht der Amtsgerichtsdirektor. (GEA)