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Zwei Callboys über ihren Job: Es geht nicht nur um Sex

Kevin und Noah berichten aus ihrem Arbeitsalltag und von ihren Kundinnen. Beide waren bereits im Landkreis Reutlingen und Tübingen beruflich unterwegs. Warum sich nicht alles um Sex dreht und wie zufrieden sie mit ihrem Job sind.

Kevin ist abends als Callboy unterwegs und morgens als Glühtechniker.
Kevin ist abends als Callboy unterwegs und morgens als Glühtechniker. Foto: Privat
Kevin ist abends als Callboy unterwegs und morgens als Glühtechniker.
Foto: Privat

REUTLINGEN. Früher war Kevin oft in Swingerclubs unterwegs. Er genoss schon damals ein intensives Sexleben. Irgendwann dachte er sich: warum nicht auch für Geld? Durch eine Frau, die er zu diesem Zeitpunkt datete, erfuhr er vom Portal callboyz.net. So kam er auf die Idee, sich selbst als Callboy zu versuchen. Erst als Angestellter, nun gehört ihm das Portal. In erster Linie handelt es sich bei einem Callboy oder einem sogenannten Escort-Mann um einen Begleiter, der Gesellschaft und sexuelle Dienstleistungen gegen Bezahlung anbietet. In der Vergangenheit arbeitete Kevin nebenbei auch für Noah. Der ist Besitzer des Portals Callboy-Verzeichnis.com. Die beiden haben sich bestens verstanden. Statt zu konkurrieren, beschlossen sie, zu kooperieren. Beide hatten schon mal Kundinnen aus Reutlingen und Umgebung.

Kevin ist viel unterwegs. Er übt zwei völlig unterschiedliche Berufe aus. Callboy ist er nur nebenberuflich. Hauptberuflich ist er Handwerker. Der 44-Jährige ist auf Kraftwerken, in Raffinerien und als Glühtechniker tätig. »In meinem Hauptjob muss ich Material erwärmen, und als Callboy muss ich die Frauen heiß machen«, sagt er und lächelt.

Mit Beziehung nicht vereinbar

Noah hingegen gab seinen alten Job auf. Im Jahr 2013 wagte er den Sprung ins Sexbusiness. Viele Einzelheiten über seinen vorigen Job will der 38-Jährige nicht preisgeben. »Bis dahin habe ich an einem Schalter gearbeitet. Mir ist aufgefallen, dass sich Frauen bei mir länger aufgehalten haben und in meiner Nähe ein größeres Mitteilungsbedürfnis hatten.« Nachdem er eine TV-Dokumentation zu dem Thema Escort-Männer gesehen hatte, wuchs seine Neugierde: Er wollte den Beruf zumindest probeweise ausüben.

Auch Noah bot zunächst seine Dienste an, bis er später selber ein Portal für Callboys erstellte. Dann lernte er eine Frau kennen, mit der er eine feste Beziehung eingehen wollte. Seinen Job habe er dann nicht mehr mit seinem Privatleben vereinbaren können. »Daher habe ich nur noch das Callboy-Verzeichnis betrieben, ohne selber auf Termine zu gehen.« Inzwischen ist Noah wieder Single. Er schließe es daher nicht aus, künftig wieder als Callboy zu arbeiten. »Früher habe ich gedacht, dass Frauen, die mich buchen, nur auf das Eine aus sind, doch das Gegenteil hat sich bestätigt. Die meisten sind absolut empathisch und achtsam. Es ist ihnen wichtig, dass ich mich auch wohlfühle«, sagt Noah.

Wer bucht Callboys?

Doch wer nutzt Sexportale? »Man kann nicht sagen, dass es einen Stereotypen gibt. Die Frauen, die uns buchen, sind zwischen 18 und 85 Jahre alt.« Vor allem aber Frauen im Alter von 35 Jahren und älter seien diejenigen, die sich den Service leisten können, so Kevin. »Wenn sich junge Frauen melden, haben sie oft sehr wenig Erfahrung. Das ist ihnen unangenehm. Sie möchten mehr Sicherheit gewinnen«, fährt er fort. »Es kommen auch Damen zu uns, die nach einer Trennung ein sexuelles Bedürfnis haben, das sie ausleben möchten. Dann gibt es noch Frauen, die mit älteren Männern verheiratet sind, die nicht mehr potent sind. Sie möchten ihre Sexualität nicht zurückstellen. Bevor sie dann eine Affäre suchen, buchen sie lieber einen Callboy«, erzählt der 44-Jährige.

Auf den Portalen stellen sich Callboys mit einem Video, Fotos und Begleittext vor. Über ein Kontaktformular können sie angeschrieben werden. Buchen lässt sich Kevin für mindestens zwei Stunden. Seine Dienstleistung kostet dann 300 Euro, wenn kein Sex mit im Spiel ist. Wenn es zum Geschlechtsverkehr kommt, verlangt er 500 Euro für zwei Stunden. Wird er für einen ganzen Tag gebucht, verdient er 1.500 Euro.

Oft geht es um Gesellschaft

»Die Frau steht im Mittelpunkt, sie entscheidet, wo und wann man sich trifft. Sie hat das Zepter in der Hand«, sagt Noah. »Manche Damen möchten einfach nur eine Begleitung, wenn sie beruflich unterwegs sind oder wollen mit uns ins Theater oder in ein Café gehen. Andere wünschen sich einen Mann, der ihnen zuhört. Ich nehme sie in den Arm und tröste sie, wenn sie ein Problem haben«, sagt Kevin. »Um im Vorfeld Nähe aufzubauen, biete ich den Damen an, vor dem Treffen zu telefonieren. Das ist für viele leichter, als sich mit einem Unbekannten zu treffen«, erzählt Kevin. »Sobald man sich näher kommt, wird einem auch einiges anvertraut. Bei mir haben sie die Möglichkeit, sich im geschützten Raum frei fallen zu lassen, ohne Angst zu haben, dass ich sie verurteile.« Er berichtet von Frauen, die ihm Vergewaltigungserfahrungen anvertraut haben. »Wenn man als Callboy seinen Job gut macht, kann man in solchen Fällen viel Gutes durch positive Impulse bewirken.«

Gefühle und Sex trennen

Gefühle und Sex voneinander zu trennen, gehöre zum Job dazu. Dennoch ist Noah der Meinung: »Immer wenn man mit jemandem Sex hat, entstehen gewisse Gefühle.« Um mit jemandem intim zu werden, »sollte schon eine gemeinsame Ebene da sein. Ich muss eine Sympathie verspüren, ansonsten mache ich das nicht«, sagt er. Sein Geschäftspartner Kevin sieht es etwas lockerer. Er hat noch nie einer Kundin abgesagt: »Ich habe natürlich auch Kundinnen, die ich besonders gern habe. Wenn ich sie privat kennengelernt hätte, wäre ganz klar mehr daraus entstanden.«

Wie Kevin mit Frauen umgeht, die Gefühle für ihn entwickeln? »Damit gehe ich professionell um. Natürlich kann es passieren, dass sich eine Frau in mich verliebt. Das habe ich vor Kurzem erlebt. Dann müssen Grenzen gesetzt werden.« Eine Kundin habe ihm seine Liebe gestanden und weitere Treffen abgesagt. »Sie war sehr traurig. Es ist ein zweischneidiges Schwert. Denn Gefühle können jederzeit entstehen. Ich habe viele Kundinnen, die mir sogar – wie in einer Beziehung – täglich Guten-Morgen- und Gute-Nacht-Nachrichten schicken. Für mich ist es wichtig, den Kontakt aufrechtzuerhalten. Es ist für mich wie eine Freundschaft.« Ähnlich geht es auch Noah: »Obwohl ich nicht mehr als Callboy arbeite, schreiben mir immer noch Kundinnen zu Weihnachten.«

Spaß am Beruf

Beide Männer bereuen es nicht, in der Sexbranche aktiv zu sein. Sie haben Spaß an dem Beruf. Dieses Jahr forderte die CDU/CSU-Fraktion die Strafbarkeit von Sexkauf. Wenn sich das durchsetzt, »muss ich meinen Beruf an den Nagel hängen«, bedauert Kevin. »Wir sind der Meinung, dass es an der Zeit ist, diejenigen, die in der Sexarbeit tätig sind, aktiv in den Dialog einzubeziehen, anstatt über sie zu reden und Verbote auszusprechen«, sagt Noah. Er betont: »Wir sind davon überzeugt, dass der Schutz und die Rechte von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern eine zentrale Rolle spielen sollten, wenn es um die Gestaltung von Gesetzen und Vorschriften in diesem Bereich geht. Verbote hingegen sind kontraproduktiv und werden keine bessere Bedingung für Prostitution hervorbringen.« (GEA)