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Ypernkaserne Reutlingen: Kein Abriss und neue Pläne

Dritter Anlauf auf dem Reutlinger Kasernen-Areal: Das Werkstattverfahren soll überarbeitet werden, nachdem die GWG festgestellt hat, dass es sinnvoller ist, keines der Gebäude abzureißen.

Bausubstanz besser als erwartet: Alle Gebäude der Ypernkaserne sollen stehen bleiben. Foto: GWG
Bausubstanz besser als erwartet: Alle Gebäude der Ypernkaserne sollen stehen bleiben.
Foto: GWG

REUTLINGEN. Eines der ganz dringenden Probleme in der Stadt ist der Mangel an Wohnraum, besonders für Menschen, die nicht mit dem goldenen Löffel im Mund auf die Welt gekommen sind. Leere Immobilien und Grundstücke gibt es derweil zuhauf, die aus unterschiedlichen Gründen nicht vermietet oder bebaut werden – ganze Areale harren seit Jahren der Entwicklung. Dazu gehört auch die ehemalige Ypernkaserne.

Seit über sieben Jahren bastelt die Reutlinger Wohnungsgesellschaft GWG als Grundstückeigentümerin mit Stadtunterstützung am Thema. Nun sollen neue Planungen für das markante ehemalige Kasernenareal am Ende der Ringelbachstraße aufgenommen werden, die Mitteilungsvorlage für den Bauausschuss trägt den hoffnungsvollen Titel »Überarbeitung Werkstattverfahren ehemalige Ypernkaserne – Wohnen morgen«. Zentrale Veränderung: Anders als bei den vorhergehenden Konzepten soll kein Gebäude abgerissen werden.

Nach etlichen wohlfeilen Freudenbekundungen aus anderen Fraktionen platzte aus Regine Vohrer heraus, was den geneigten Zuhörer längst umtrieb: »Ich fühle mich vergackeiert, dass ich mich schon wieder freuen soll«, wetterte die FDP-Rätin. »Das dritte Mal liegt das Projekt jetzt vor uns. Was hat die GWH gemacht, dass wir das jetzt das dritte Mal vorgelegt kriegen? Das ist unmöglich, was da passiert ist – und peinlich für den Gemeinderat«, befand sie. WiR-Rat Professor Dr. Jürgen Straub wunderte sich über Experten, die bis vor einem guten Jahr den Abriss empfohlen hatten: »Wo ist da die Kompetenz?«, fragte er.

Auch die Verwaltung hat bei der GWG nachgefragt, berichtete Baubürgermeisterin Angela Weiskopf und versuchte eine Erklärung: Man habe in einem der Gebäude, das für den Einzug von Flüchtlingen instand gesetzt wurde, »Qualitäten entdeckt«. Zudem hätten sich Rahmenbedingungen geändert. So stelle sich nun die Sanierung wirtschaftlicher dar als der Abriss.

""Ich fühle mich vergackeiert"

Der Leiter des Stadtplanungsamts Stefan Dvorak und GWG-Chef Lars Grüttner hatten zuvor die Eckdaten des neuen Verfahrens vorgestellt. Es soll den Siegerentwurf des städtebaulichen Wettbewerbs nachbessern, der bei der Vorstellung im November 2023 nicht nur von der Verwaltung mit Begeisterung aufgenommen worden war, bevor wieder Ruhe einkehrte.

Im Frühjahr dieses Jahres sickerte dann durch, dass die GWG nach weiteren Untersuchungen festgestellt hätte, dass die für den Abbruch bestimmten Gebäude »unerwartet hohe bauliche Qualität aufweisen und sich in einem guten Zustand befinden«. Die neue Geschäftsführung überprüfe daher gemeinsam mit der technischen Abteilung und allen relevanten Akteuren die bisherigen Planungen »kritisch« – auch den geplanten Abriss.

Nun ist das Ergebnis amtlich: Aus ökonomischen und ökologischen Gesichtspunkten will die GWG alle Häuser erhalten. Die bisher beteiligten Architekten (Walk-Architekten und Bogevischs Büro Schwille-Architekten und Plan-i-architekten sowie die Büros S-hoch-3 und Citiplan) bleiben bei der Überarbeitung im Boot.

Neue Planungsvorgaben sind unter anderem eine zweigeschossige Aufstockung der Gebäude 40, 43 und 45 und ein Parkierungskonzept auf dem Gesamtareal. 40 bis 50 neue Wohnungen und eine dreigruppige Kindertagesstätte sollen in neuen Baukörpern entstehen. Zusammen mit dem Angebot in den sanierten Kasernengebäuden sollen so rund 200 Wohnungen geschaffen werden.

Eine Baugemeinschaft kann weiter ihre Ideen realisieren, im Kasernengebäude Nummer 45. Frühere Planungsvorgaben wie der Quartierstreff oder autofreie großzügige Außenanlagen mit Bäumen haben Bestand. Bereits vorhandene Nutzer wie Vereine dürfen bleiben.

»Wir werden die Parksituation nicht verschlechtern«

Bis Anfang 2026 sollen die Architekten nacharbeiten. Im Februar steht dann der Jury-Termin an. Die Kosten des gesamten Verfahrens werden von der GWG übernommen. Im Mai ist der Start des bebauungsplanrechtlichen Verfahrens vorgesehen: also in dem Jahr, in dem einst der Baustart geplant war.

Stillstand trotz vieler Pläne

Die geplante Überarbeitung des Werkstattverfahrens zur Ypernkaserne ist bereits der dritte Anlauf der Reutlinger Wohnungsgesellschaft GWG, um das ehemalige Kasernen-Areal einer neuen Nutzung zuzuführen. Bereits 2018 gab es ein Konzept fürs Quartier, das auch den nebenliegenden Aldi-Markt mit einbezog. Rund 300 neue Wohneinheiten waren zu besten Zeiten geplant. Nach Anwohnerprotesten wegen der geplanten Aldi-Wohnaufstockung kam man jedoch auch mit einer abgespeckten Variante nicht in die Puschen. 2021 stieg Aldi aus. 2023 wurde dann ein zweistufiges Werkstattverfahren mit viel Bürgerbeteiligung für das gut 2,4 Hektar große Gebiet durchgeführt. Geplant war, drei der insgesamt sechs Kasernengebäude – die Ringelbachstraße 195/01 und die zwei Gebäude entlang der Hans-Reyhing-Straße (Häuser 41 und 42) – zu erhalten und die Gebäude 40, 43 und 45 abzureißen. Die so gewonnenen Flächen sollten mit Wohnungen, einem Quartierstreff und einer Quartiershochgarage gefüllt werden und auch Platz für ein ansprechendes Freiraumkonzept bieten. Dieses Konzept geht jetzt in die Überarbeitung. (igl)

Der Rat begrüßte allgemein, dass jetzt wieder Bewegung in das wichtige Projekt kommen soll. Dass die zum Abriss vorgesehenen Gebäude erhalten werden, freut nicht nur die Grünen. »Das hatten wir anfangs schon mal beantragt«, erinnerte Gabriele Janz. Die Grünen unterstützen vor allem auch die Idee der Aufstockung. Ähnliche Töne kamen aus der SPD: Ramazan Selcuk nannte positiv auch, dass so mehr große alte Bäume erhalten werden können.

FWV und CDU sind einmal mehr gut dimensionierte Parkmöglichkeiten ein wichtiges Anliegen. Im Hinblick auf diesen Wunsch wurde GWG-Chef Grüttner sehr konkret: Man werde die Parksituation »nicht verschlechtern«. (GEA)