LANDKREIS REUTLINGEN. Durch das 552 Kilometer lange Leitungsnetz fließt allein in Reutlingen die unvorstellbare Menge von mehr als 2,6 Milliarden Liter Trinkwasser jährlich zu den Haushalten. Die Stadtwerke übernehmen dabei nicht nur die Wasserversorgung für Reutlingen und die zwölf Ortsteile, sondern auch für Wannweil und Kirchentellinsfurt und versorgen so nach eigenen Angaben etwa 130.000 Menschen mit Trinkwasser. Im Landkreis organisieren die jeweiligen Kommunen ihre Trinkwasserversorgung weitgehend selbständig. Laut Landratsamt beziehen die Städte und Gemeinden im Landkreis ihr Wasser zu etwa 80 Prozent aus örtlichen Quellen. Das bedeutet, je nachdem wo der Wasserhahn aufgedreht wird, fließt anderes Nass heraus.
Woher kommt das Trinkwasser in Reutlingen?
Die Stadtwerke Reutlingen beziehen ihr Trinkwasser nach eigenen Angaben zu zwei Dritteln von der Bodensee-Wasserversorgung (BWV) und zu etwa einem Drittel aus anderen Quellen. Im Stadtgebiet sorgen 14 Wasserbehälter mit einem Speichervermögen von rund 24 Millionen Litern dafür, dass immer genügend Wasser zur Verfügung steht. Laut den Stadtwerken erhalten die Haushalte in der Innenstadt und im Gebiet um den Georgenberg ihr Wasser aus Quellen im oberen Echaztal. Denn die Städte Reutlingen und Pfullingen sowie die Gemeinde Lichtenstein haben sich für eine gemeinsame Aufbereitung des Quellwassers aus den Quellen »Neubrunnen«, »Sittere Quelle« und »Jockelesbrunnen« entschieden. Dies sei wesentlich kostengünstiger, heißt es. Haushalte in den Stadtteilen Markwasen, Betzingen, Achalm und Scheibengipfel sowie Orschel-Hagen, Ohmenhausen und Sondelfingen bekommen Bodenseewasser. Das gilt auch für Degerschlacht, Sickenhausen, Rommelsbach, Altenburg, Oferdingen, Reicheneck und Mittelstadt. Der Stadtbezirk Gönningen hat eine eigene Wasserversorgung mit zwei getrennten Zonen. In der einen Zone wird Wasser aus dem nahen Brunnen Brühl und in der anderen Bodenseewasser, verteilt. Bronnweiler wird über einen Wasserbehälter von der Wiesaz-Wasserversorgung mit Wasser von vor Ort beliefert.
Woher stammt das Wasser im Landkreis Reutlingen
Die Bodensee-Wasserversorgung spielt im Landkreis eine eher untergeordnete Rolle. Laut Landratsamt Reutlingen dürften es unterm Strich nur etwa 20 Prozent Bodenseewasser sein, die aus den unterschiedlichen Leitungen fließen. Den restlichen Bedarf decken die Kommunen jeweils aus eigenen Quellen. Demnach bezieht Metzingen Wasser aus dem Brunnen Bleiche bei Bad Urach, aus Quellen bei Glems und anteilig Bodenseewasser. In St. Johann komme zu 100 Prozent Wasser aus dem Ermstal aus den Wasserhähnen, so das Landratsamt.
Wie wird entschieden, wo welches Wasser hinfließt?
Der Leiter der Unteren Wasserbehörde im Reutlinger Landratsamt, Michael Heinz, beantwortet die Frage so: »Das entscheidet im Grunde niemand, sondern ist abhängig von den jeweiligen Gegebenheiten und Wasserquellen am Ort.« Die Struktur der Wasserversorgung ist laut Heinz über Jahrzehnte gewachsen. Die Stadtwerke Reutlingen teilen dazu mit: »Die Versorgungsinfrastruktur wurde in einem Zeitraum von inzwischen fast 150 Jahren aufgebaut.« Diese Struktur sei sehr komplex und bestehe unter anderem aus »14 Wasserbehältern, zehn Druckerhöhungsanlagen, 40 Druckmindereranlagen, 25 Druckzonen und etwa 850 Kilometer Rohrnetzleitungen.« Heinz weist darauf hin, dass es seit 2024 den baden-württembergischen Masterplan Wasserversorgung gibt. »Der sieht im Grunde vor, die Kommunen durch neue Leitungen besser zu vernetzen. Die bisherigen Insellösungen sollen so aufgelöst, und eine bessere Versorgung mit Trinkwasser soll erreicht werden.« Anders als bei Strom oder Gas, können die Verbraucher nicht entscheiden, welches Wasser sie beziehen möchten.
Wie viel Wasser verbrauchen die Menschen in der Region?
Deutschlandweit beträgt der tägliche Wasserverbrauch pro Person im Schnitt etwa 120 Liter. In Reutlingen und der Region sind die Menschen offensichtlich ein wenig sparsamer beim Wasserverbrauch. Nach Angaben der Stadtwerke verbrauchen sie etwa 110 Liter am Tag. Im Jahr liegt demnach ihr Verbrauch bei rund 40.000 Liter. Im Landkreis Reutlingen lag der tägliche Pro-Kopf-Verbrauch laut Statistischem Landesamt bei 116 Litern.
Kann das Trinkwasser in der Region knapp werden?
Dazu teilen die Stadtwerke Reutlingen mit: »Aktuell ist der Bedarf an Trinkwasser in unserer Region gedeckt. Wir profitieren von unabhängigen Bezugsquellen und bauen auf ein leistungsfähiges Versorgungssystem – von der Quelle bis zum einzelnen Haushalt. Wie sich die Situation allerdings mittel- und langfristig entwickeln wird, lässt sich nicht mit Sicherheit prognostizieren.« Mit Blick auf die voranschreitende Klimakrise fällt die Prognose des Wasserversorgers schon vorsichtiger aus: "Steigende Temperaturen, veränderte Niederschlagsmuster und zunehmende Trockenperioden können in Zukunft Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von Wasser haben – auch in den Zuflussgebieten des Bodensees, aus dem ein Großteil unseres Trinkwassers stammt."
Wie entwickeln sich die Preise für Trinkwasser?
Weder Wasserexperte Michael Heinz noch die Stadtwerke Reutlingen erwarten, dass die Preise in nächster Zeit spürbar ansteigen werden. »Die Preise in der Region dürften stabil bleiben, höchstens mit einer leichten Tendenz nach oben«, so Heinz. Die Stadtwerke kündigen an: »Aktuell sind keine Preiserhöhungen der FairEnergie vorgesehen.« Derzeit bezahlen die Kunden 2,66 Euro für 1.000 Liter Wasser.
Wie ist die Qualität des jeweiligen Wassers?
Trinkwasser gehört nach Behördenangaben zu den am besten überwachten Lebensmitteln in Deutschland. Der Wasserexperte des Reutlinger Landratsamtes, Michael Heinz, zieht einen Vergleich: »Wer seinen Durst löschen will, kann das auch mit Mineralwasser tun. Sicherer kontrolliert ist aber Leitungswasser. Das wird viel häufiger untersucht.« Das bestätigt auch die baden-württembergische Landesregierung und teilt mit: »Mehr als 6.800 Trinkwasserproben wurden untersucht. Insgesamt bestätigen die Ergebnisse der intensiven Trinkwasseruntersuchungen die sehr gute Trinkwasserqualität in Baden-Württemberg.« Große Unterschiede gibt es allerdings beim Härtegrad des Wassers, das in der Region Neckar-Alb aus den Leitungen kommt. Das Bodenseewasser mit einem Wert von 9 Grad befindet sich dabei in einem mittelharten Bereich, während das Wasser aus der Quelle bei Honau, das die Reutlinger Innenstadt versorgt, mit 17 Grad zum harten Bereich gehört, also einen hohen Anteil an Kalk aufweist. Noch härter ist das Leitungswasser mit einem Wert von über 18 in einigen Ortsteilen von Münsingen. Die Stadtwerke Münsingen haben eine genaue chemische Analyse des dortigen Trinkwassers veröffentlicht. Die Stadtwerke Reutlingen veröffentlichen ebenfalls Wasseranalysen aus ihrem Bereich und teilen außerdem mit: »Mineralstoffe im Trinkwasser - wie Kalk - sind völlig unbedenklich. Kalk besteht aus Magnesium und Kalzium, beide Mineralstoffe sind essenziell für den menschlichen Körper.«
Was hilft gegen den Kalk?
Kalk ist in den allermeisten Fällen im Trinkwasser und setzt sich mit der Zeit überall fest: an Wasserhähnen, in Kaffeemaschinen, der Wasch- oder Spülmaschine oder in Duschkabinen. Da hilft nur die regelmäßige Bekämpfung mit den bekannten Hausmitteln wie Essig oder Zitronensäure oder den Entkalkern, die es für die verschiedenen Haushaltsgeräte im Handel gibt. Viele Haushalte haben sich für ihre Küchen einen einfachen Wasserenthärter angeschafft, mit dem Kalk aus dem Wasser gefiltert werden kann, bevor es in die Kaffeemaschine oder den Wasserkocher kommt. Privathaushalte könnten sich auch einen zentralen Wasserenthärter einbauen lassen, so die Stadtwerke Reutlingen: »Dieser sollte von einer Fachfirma eingebaut und regelmäßig gewartet werden.« Einige wenige Kommunen in der Region haben einen solchen zentralen Wasserenthärter vor ihr Leitungsnetz installiert. Die kleine Stadt Hayingen filtert ihr Trinkwasser unter anderem mit Aktivkohle und enthärtet es so, bevor es in die Haushalte fließt. »Das ist eine kommunalpolitische Entscheidung, bei der bedacht werden muss, was die Investition für die Wasserpreise bedeutet und wo am Ende der abgeschiedene Kalk entsorgt werden soll«, so Wasserexperte Michael Heinz. (GEA)