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Aktuell Bundestageswahl

Wofür Kandidaten von drei Kleinparteien im Wahlkreis Reutlingen stehen

Zur Bundestagswahl hat der Kreiswahlausschuss für den Wahlkreis Reutlingen drei sogenannte Kleinparteien mit Direktkandidaten zugelassen, denen die Wählerinnen und Wähler ihre Erststimme geben können.

Ein Wähler wirft seinen Stimmzettel in die Wahlurne.
Ein Wähler wirft seinen Stimmzettel in die Wahlurne. Foto: Friso Gentsch
Ein Wähler wirft seinen Stimmzettel in die Wahlurne.
Foto: Friso Gentsch

REUTLINGEN. Zur Bundestagswahl hat der Kreiswahlausschuss für den Wahlkreis Reutlingen drei sogenannte Kleinparteien mit Direktkandidaten zugelassen, denen die Wählerinnen und Wähler ihre Erststimme geben können.

Die Kandidatin oder der Kandidat mit den meisten Erststimmen im Wahlkreis gewinnt das Direktmandat und zieht direkt in den Bundestag ein – jedoch nur, wenn die Partei insgesamt genügend Sitze durch die Zweitstimmen erhält. Deswegen stehen auf dem Wahlzettel erheblich mehr Kleinparteien für die Zweitstimme. Der GEA hat das Trio aus ganz unterschiedlichen politischen Lagern gebeten, ihre jeweiligen Positionen und Ziele zu beschreiben.

Roland Rieger – Freie Wähler

Roland Rieger, Freie Wähler
Roland Rieger, Freie Wähler Foto: Jürgen Lippert
Roland Rieger, Freie Wähler
Foto: Jürgen Lippert

Der 51 Jahre alte Polizeihauptkommissar Roland Rieger kandidiert erstmals für die Bundesvereinigung Freie Wähler, die nichts mit den Freien Wählervereinigungen (FWV) auf lokaler Ebene zu tun hat. Bundesvorsitzender ist der bayerische Staatsminister Hubert Aiwanger. Der Reutlinger Kandidat Rieger möchte für »eine bürgernahe sachorientierte Politik stehen«. Die Bürokratie müsse in sämtlichen Bereichen abgebaut werden, die Digitalisierung dagegen ausgebaut. »Wir brauchen eine politische Änderung im Bund«, sagt er im GEA-Gespräch. Einstmals sei er viele Jahre Mitglied der CDU gewesen. Letztlich habe ihn die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Merkel mit ihrem »Wir schaffen das« zu einer Distanzierung von den Christdemokraten gebracht. Rieger fordert, »illegale Migranten an der Grenze zurückzuweisen« und möchte »Straftäter und Gefährder ohne deutschen Pass unbürokratisch ausweisen«. Vor allem mittelständische Unternehmen sollten gefördert werden. Dazu gehörten »Technologieoffenheit« in der Automobilindustrie ohne Verbrennerverbot, gesenkte Unternehmenssteuern, ein niedrigerer Industriestrompreis sowie erleichterte Betriebsübergänge durch »Abschaffung der Erbschaftssteuer«. 2.000 Euro brutto sollten nach den Vorstellungen von Rieger monatlich steuerfrei für alle Einkommen sein. Wie dies alles finanziert werden soll? »Da müssen wir schauen«, sagt der Kandidat.

www.freiewaehler.eu

Elke Weidner – MLPD

Elke Weidner, MLPD.
Elke Weidner, MLPD. Foto: Stephan Zenke
Elke Weidner, MLPD.
Foto: Stephan Zenke

»Make Socialism great again« steht auf den Wahlplakaten von Elke Weidner, die für die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) antritt. Ihre Vision ist die einer Welt »freier gleichberechtigter Menschen, die zum Wohl aller friedlich zusammenarbeiten und wetteifern, wie wir die Einheit mit der Natur so weit wie möglich wieder herstellen. Traumtänzerei? Nein – realistisches Ziel«. Dazu erklärt die 68 Jahre alte ehemalige Sonderschullehrerin: »Wir stehen für ein anderes Gesellschaftssystem. Das nennen wir echten Sozialismus.« Eine wahre sozialistische Gesellschaft sei der einzige Ausweg aus den drei wesentlichen Krisen dieser Welt: Das »Ausreifen der globalen Umweltkatastrophe. Die Gefahr des Dritten Weltkrieges und die Gefahr eines erneuten Faschismus«. Für Weidner ist klar, dass daran »der Kapitalismus« schuld ist. Konkret setzt sich Weidner dafür ein, »große Produktionsmittel zu vergesellschaften«, also etwa auch Bosch. Was danach passiere, müssten »die Menschen entscheiden«. Aktuell unterstütze sie etwa streikende Busfahrer oder andere Beschäftigte, »wir sind dagegen, dass immer gesagt wird: Es ist kein Geld da. Es ist gesamtgesellschaftlich genug Geld da«.

Wohnen ist für die Kandidatin »ein Grundrecht und darf keine Ware sein«, die Kinderbetreuung solle kostenlos angeboten werden. Dafür setze sie sich im Kleinen und Großen ein, »wir machen ganz bewusst Basisarbeit. Bringen uns ein in Bewegungen«.

Der Landesverfassungsschutz beobachtet die MLPD als linksextremistische Partei. Dazu die Kandidatin: »Wir sind nicht extrem. Extrem ist, wie zerstörerisch der Kapitalismus auf der Welt agiert. Wir sind links«.

www.mlpd.de

Thilo Haug – Die Partei

Thilo Haug, Die Partei. FOTO: PR

Die Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative (Kurzbezeichnung: Die Partei) bedient sich oftmals satirischer Mittel, schließlich wurde sie von Redakteuren der Satirezeitschrift »Titanic« gegründet. Manche Slogans und Plakate erinnern daran.

Der Reutlinger Direktkandidat Thilo Haug hat indessen ganz ernsthafte Anliegen in Bereichen, von denen er nachweislich beruflich etwas versteht. So beklagt der IT-Berater und Computerfachmann die aus seiner Sicht mangelhafte oder fehlerhafte Digitalisierung der Stadt Reutlingen. Der Platz 81 der Kommune im Smart City Index zur Bewertung des Angebotes an digitalen Dienstleistungen und Technologien der Bitkom 2023 »ließ mich politisch aktiv werden«. Haug legt eine umfassende Mail-Korrespondenz mit diversen Stellen der Stadtverwaltung vor.

Persönlich habe er mehrfach die Erfahrung gemacht, »dass selbst Daten der Ämter (Geodaten, Kontakt- und Öffnungszeiten) verweigert werden«. Sein Ziel sei es, »städtische beziehungsweise staatliche Stellen mit (beißender) Satire und entsprechenden Anfragen zu einem geordneten Servicemanagement zu bringen«. Reutlingen habe es besonders nötig, aber auch im Land »ist bezüglich OpenData, Open Source und Informationsfreiheit einiges im Argen«. Da er beruflich »seit über 20 Jahren Service-Strukturen auf Vordermann bringe, dürfte das auch in diesem Bereich gelingen«. (GEA)

www.die-partei.de