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Wo und wie in Reutlingen und der Region Messer gut geschärft werden

Wer gut abschneiden möchte, braucht scharfe Werkzeuge. Ob in der Küche oder im Garten, bei der Hausarbeit oder beim Holzhacken: Korrekt geschärfte Klingen und Scheren machen den Unterschied. Wir haben zwei Handwerker aus der Region und einen mobilen Schleifservice besucht, und dabei viel über den richtigen Schliff und korrekte Schärfe gelernt

Das wird scharf: Michael Wurster im Keller seines Reutlinger Geschäftes mit dem Traditionsnamen Gottlob Brucklacher beim Schleifen eines Messers. Foto: Stephan Zenke
Das wird scharf: Michael Wurster im Keller seines Reutlinger Geschäftes mit dem Traditionsnamen Gottlob Brucklacher beim Schleifen eines Messers.
Foto: Stephan Zenke
REUTLINGEN/PFULLINGEN. »Ein qualitativ hochwertiges Messer kauft man einmal im Leben«, sagt Michael Wurster. Der Mann muss es wissen. Der Inhaber des Spezialgeschäftes für Stahlwaren mit dem Namen Gottlob Brucklacher hat einen wahrhaft schnittigen Laden. Doch wie jede lange Liebe verliert auch die Beziehung zu einem Messer mit der Zeit an Schärfe. Dann schlägt die Stunde eines Handwerkes, das zeitlos ist. Der Weg stumpfer Klingen, die geschärft werden, ist spannend.

Tief unter dem Laden in der Reutlinger Katharinenstraße (www.brucklacher.eu) betritt Michael Wurster den Gewölbekeller, in dem schon sein Großvater gearbeitet hat. Auf dem Boden stehen mehrere elektrisch angetriebene Schleifmaschinen, nach einer mehr als 125-jährigen Firmengeschichte bedeckt mit einem Hauch Staub und etwas Flugrost. Die dazu passenden Scheiben hängen an der gemauerten Wand. Es ist kühl und irgendwie wirkt das alles wie ein Museum – aber es erfüllt nach wie vor jeden Tag seinen Zweck. Der Handwerker setzt sich auf einen Holzhocker, hält das Messer mit beiden Händen vor sich hin und her bewegend an den drehenden Schleifstein.

In Form bringen nennt sich dieser erste Arbeitsschritt, der wie alle folgenden viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl erfordert. Es geht um die Form der Schneide, die etwa bei einem Kochmesser leicht gebogen sein sollte, damit es wippend schneiden kann. »Man braucht schon ein wenig Geschick«, untertreibt Wurster. In welchem Winkel hier Stahl auf Stein trifft, wie stark gedrückt wird – alles das will gekonnt sein. Wurster kommt ins Erzählen.

»Wenn Mann mit dem Kochen anfängt, braucht er ein gutes Messer«

»Wir schleifen nach Solinger Art. Die Scheibe läuft zu mir, die Funken sprühen nach unten«, erklärt der Reutlinger. Nach Tuttlinger Art würde eine anders herumlaufende Schleifscheibe bedeuten. Für die in Form gebrachte Klinge folgt nunmehr ein delikater Schliff, »denn ein Messer muss von hinten nach vorne gleichmäßig dünner werden«. Die Nachfrage nach scharfem Werkzeug hat sich, sagt Wurster, im Laufe der Generationen kaum geändert.

Frisch geschliffene Küchenmesser in der Reutlinger Werkstatt von Michael Wurster. Foto: Stephan Zenke
Frisch geschliffene Küchenmesser in der Reutlinger Werkstatt von Michael Wurster.
Foto: Stephan Zenke

Auffallend sei in den vergangenen Jahren ein gestiegener Anteil von Kunden. »Wenn Mann mit dem Kochen anfängt, braucht er ein gutes Messer«, glaubt der Fachmann, und schreitet mit der nunmehr in Form gebrachten und geschliffenen Klinge zum Polieren des Metalls. Dann wird das gute Stück gebürstet, um den Schleifdreck zu entfernen. Schließlich folgt mit dem Abziehen das eigentliche Schärfen. Die letzte Berührung in der Werkstatt ist dann ein sorgfältiges Reiben an einer Filzleiste mit Kreidepulver, womit das Messer praktisch wie neu ist. Das hat sich bei der Kundschaft herumgesprochen. Das Handwerk des Messerschleifens ist selten geworden - aber es wird nicht aussterben, so lange Menschen ihr Essen selbst zubereiten.

Tipps zur Messerpflege

Messer bleiben lange scharf, wenn ihre Qualität stimmt, und die Schnittunterlage passt. »Holz ist besser als Kunststoff. Glas- oder Steinplatten sind das Schlimmste«, sagt Michael Wurster vom Fachgeschäft Gottlob Brucklacher in Reutlingen. Ein gutes Kochmesser kann im Hausgebrauch ein Jahr lang schnittig bleiben. Nützlich ist ein regelmäßiges Abziehen an einem Stahlstab oder Schleifstein. Wie das geht, zeigt einem der Fachhändler gerne. Experten wie Uwe Frank aus Pfullingen warnen ausdrücklich vor Bequemlichkeit bei der Reinigung hochwertiger Stahlwaren: »Die Spülmaschine macht die Oberfläche kaputt«. Das könne sich in unschönen Flecken auf der Klinge zeigen – und der Holzgriff leidet natürlich auch. (zen)

Eine weitere scharfe Adresse für stumpfes Werkzeug findet sich in Pfullingen. »Wir werden als Geheimtipp gehandelt«, schmunzelt der Chef der Frank Schleiftechnik (www.frank-schleiftechnik.de) namens Uwe Frank in der Schlayerstraße. Denn sein über 150 Jahre altes Unternehmen sieht mit seiner modernen Halle mitten in einem Gewerbegebiet kaum so aus, als ob Privatkundschaft hier richtig wäre – ist sie aber immer wieder gerne. Obschon Frank für zahlreiche gewerbliche Kunden Sägeblätter oder andere Werkzeuge schärft, hat der Messerschmiedmeister sowohl Herz als auch Händchen für kleinere Klingen.

Messerschmiedmeister Uwe Frank am Schleifstein.
Der Pfullinger Messerschmiedmeister Uwe Frank am Schleifstein. Foto: Stephan Zenke
Der Pfullinger Messerschmiedmeister Uwe Frank am Schleifstein.
Foto: Stephan Zenke

»Ein Küchenmesser ist hier in guten Händen«, sagt der Chef lächelnd, weil er es persönlich bearbeiten wird. Das sieht sehr ähnlich aus wie bei seinem Reutlinger Kollegen Wurster. Man kennt und schätzt sich in der Branche. Die Kundschaft hat Qualität nur teilweise zu schätzen gelernt.

»Wer zu billig kauft, kauft zweimal. Qualität rechnet sich«

Zwischen Schleifsteinen, Lamellenscheiben für den Wellenschliff sowie anderen Spezialwerkzeugen zum Schärfen warnt Uwe Frank: »Wer billig kauft, kauft zweimal. Qualität rechnet sich.« Gartenscheren im Sonderangebot beim Supermarkt zu kaufen, sei eine zweifelhafte Idee. Manche solcher Spielzeuge ließen sich kaum nachschärfen. Ähnliches gelte für Messersets vom Discounter. Auch eine Haushaltsschere habe eben ihren Preis, wobei hier beim Schleifen darauf zu achten sei, die Schenkel auseinander zu montieren. Aus der Ferne nickt bei solchen Sätzen auch Michael Wurster in seinem Geschäft mit dem Kopf. (GEA)

Ein Sortiment Scheren in der Pfullinger Frank Schleiftechnik Foto: Stephan Zenke
Ein Sortiment Scheren in der Pfullinger Frank Schleiftechnik
Foto: Stephan Zenke