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Wo Spieler in Reutlingen einen langen Atem brauchen

Es ist das einzige Ballspiel, das in drei Dimensionen gespielt wird. Dafür brauchen die Spieler einen langen Atem: Unterwasser-Rugby ist anspruchsvoll und kurios. Wer zuschauen will, steigt am Besten selbst ins Wasser. Zum Beispiel im Betzinger Hallenbad.

Unterwasser-Rugby: Da ist ganz schön was los.
Unterwasser-Rugby: Da ist ganz schön was los. Foto: Privat
Unterwasser-Rugby: Da ist ganz schön was los.
Foto: Privat

REUTLINGEN-BETZINGEN. Rugby: Klar, diesen Vollkontakt-Ballsport, bei dem gerangelt und gerauft wird, was das Zeug hält, kennt fast jeder. Dass es davon aber auch eine Variante unter Wasser gibt, wissen nur die wenigsten. Dabei ist diese »Randsportart« nicht nur kurios, sondern zudem äußerst spannend und anspruchsvoll.

Auch in Betzingen trifft sich jede Woche am Mittwochabend ein Team, um gemeinsam zu trainieren und zu spielen. Seit 1975 hat der Tauchverein Reutlingen die Sportart im Programm - »das normale Training im Schwimmbecken war uns zu langweilig«, blickt der Trainer Michael Strautner zurück. Reines Kachelzählen beim Bahnenziehen durchs Becken ist auf Dauer eben eintönig. Also beschlossen einige der Taucher, das Ganze mit der damals recht neuen Sportart Unterwasser-Rugby abwechslungsreicher zu gestalten.

Schlechte Sichtverhältnisse

Turbulent und herausfordernd für die Sportler ist das Ganze, das wird schnell klar, wenn man mit Taucherbrille und Schnorchel ausgestattet, dem wilden Treiben unter Wasser zuschaut. Sechs Spieler sind pro Mannschaft bei dem Spiel immer im Becken, der Ball liegt unten auf dem Boden - er ist mit Salzwasser gefüllt und dadurch schwer genug, um nicht nach oben zu treiben. Auf ein Signal hin geht es los: Die Spieler tauchen blitzschnell unter und sprinten los. Dank der Flossen sind sie nicht nur schnell, sondern kommen auch problemlos nach unten. Es spritzt und platscht, in dem Getümmel ist es gar nicht so leicht, die Mannschaften auseinander zu halten. Hinzu kommt, dass man unter Wasser natürlich schlecht sieht - auch als Spieler. »Es passieren schon öfters Fehlpässe«, erzählt Unterwasser-Rugby-Spieler Erik Wabnik lachend. Zwar tragen die Sportler Badekappen und Armbänder in unterschiedlichen Farben, aber je schneller das Spiel, umso aufgewühlter das Wasser und schlechter die Sichtverhältnisse.

Gar nicht soe einfach, bei dem Gewusel den Überblick zu bewahren.
Gar nicht so einfach, bei dem Gewusel den Überblick zu bewahren. Foto: Privat
Gar nicht so einfach, bei dem Gewusel den Überblick zu bewahren.
Foto: Privat

Der Spielablauf ist simpel: Der Spieler, der den Ball hat, versucht zum gegnerischen Tor zu gelangen. Das ähnelt vom Aussehen her eher einem Papierkorb, der mit Saugnäpfen unten am Boden befestigt ist. Über dem Tor schwebt der Torwart, ein weiterer Spieler liegt davor. Sie versuchen, die Stürmer abzuwehren. Die aktiven Feldspieler hingegen mühen sich, den Ball zu erobern und ihrerseits ein Tor zu schießen - festgelegte Positionen wie beispielsweise im Fußball gibt es nicht.

Immer volle Power

Beim Unterwasser-Rugby geht es ordentlich zur Sache, wie beim Rugby an Land auch. Allerdings darf nur der Spieler, der den Ball hat, attackiert werden oder darf selbst attackieren, das Zerren an Kleidung oder Schwimmbrille ist laut Reglement gänzlich verboten. Da das Spiel komplett unter Wasser abläuft, muss der Sturm aufs Tor schnell gehen, bevor die Luft knapp wird. Etwa alle 30 Sekunden tauchen die Spieler kurz an die Wasseroberfläche, um zu atmen, bevor es wieder nach unten geht. Rund drei Minuten hält das ein trainierter Spieler durch, »volle Power und immer im anaeroben Bereich«, erklärt Strautner. Dann benötigt man eine längere Pause. Dafür sitzen bis zu sechs weitere Spieler auf der Auswechselbank, die im fliegenden Wechsel ins Wasser kommen. Zwei Mal 15 Minuten geht ein komplettes Spiel - voller Konzentration und mit ganzem Einsatz.

Für Strautner macht die Anstrengung einen Teil der Faszination aus. »Beim Unterwasser-Rugby geht man an seine eigenen Grenzen, man muss sich die Luft einteilen und braucht eine gute Koordination.« Freude am Element Wasser und ein Faible für Ballspiele sind außerdem notwendige Voraussetzungen für diese Sportart. Oft sind es Tauchvereine, wie der Reutlinger, die den Sport zusätzlich zum normalen Training anbieten und die damit ihr taucherisches Können auf spielerische Art und Weise verbessern.

Etwas ausgedünnt ist die Unterwasser-Rugby-Mannschaft momentan, aber dem Spaß am Sport tut das keinen Abbruch.
Etwas ausgedünnt ist die Unterwasser-Rugby-Mannschaft momentan, aber dem Spaß am Sport tut das keinen Abbruch. Foto: Anja Weiß
Etwas ausgedünnt ist die Unterwasser-Rugby-Mannschaft momentan, aber dem Spaß am Sport tut das keinen Abbruch.
Foto: Anja Weiß

Das scheint zu gelingen, denn die Reutlinger Sportler können durchaus auf einige Erfolge zurückblicken: Sie haben einen württembergischer Meistertitel, sind Sieger des Nixencups und des internationalen Turniers, auch einen Aufstieg in die Landesliga und mehr können sie vorweisen. Zudem haben es einige Einzelspieler weit gebracht in dieser Sportart. »Vier unserer Jugendlichen haben den deutschen Meistertitel«, berichtet Strautner. Da die Spielerschar bundesweit überschaubar ist, kommt es immer wieder vor, dass die Reutlinger Spieler auch für andere Teams antreten. Zudem sind mehrere Bundesliga- und mit Stefan Klein sogar ein Nationalspieler (früher für Stuttgart spielend) im Reutlinger Team. Das übrigens ist momentan etwas geschrumpft, eine Folge der Coronazeit, weshalb sich der Verein über neue, junge Mitglieder freuen würde, um wieder in voller Mannschaftsstärke spielen zu können.

Bundesliga- und Nationalspieler im Reutlinger Team

Aber zurück zum Nationalspieler: Sein Hobby habe ihn einst in viele Länder geführt, erzählt Klein, unter anderem war er in Schweden, Italien und bei der WM 2011 in Finnland wurde Deutschland sogar Vize-Weltmeister. »Es macht einfach Spaß«, sagt er über dieses außergewöhnliche Hobby, das zudem der einzige Ballsport sei, der im dreidimensionalen Raum gespielt wird. »Wo sonst kann ein gegnerischer Spieler plötzlich von oben oder unten auftauchen?«

Erik Wabnik findet es toll, dass Unterwasser-Rugby ein sehr körperbetonter Sport ist, ohne dabei brutal zu sein. Zwar sind die Taucher nicht zimperlich und legen ein enormes Tempo an den Tag, aber zum einen dämpft das Wasser Geschwindigkeit und Kraft, zum anderen sei es oft eine Sache von Erfahrung und Übersicht. Die Kommunikation verläuft ohne Worte, man muss Mitspieler und Gegner deuten können. Wabnik schwärmt in den höchsten Tönen von diesem Hobby, zu dem er übers Tauchen gefunden hat. Die Anstrengung sorge bei ihm immer für eine angenehmes Gefühl. »Nach dem Training bin ich ein anderer Mensch und fühle mich besser.«

Zuschauen kann man bei dieser Sportart leider nur in seltenen Fällen: Nämlich, wenn die Spiele per Unter-Wasser-Kamera übertragen werden. Dies ist bei größeren Turnieren der Fall, wie beispielsweise beim Champions-Cup. In kleineren Hallenbädern, wie dem in Betzingen, findet meistens nur ein eingeschränktes Training statt. Die Wassertiefe, die hier um die 2,50 Meter liegt, reicht für ein regelkonformes Spiel nicht aus: Dafür bräuchte man 3,50 bis 5 Meter. Interessenten sind aber freilich immer willkommen. (GEA)

Seltene Hobbies

Fußball spielen, lesen oder wandern: Das sind Hobbies, die jeder kennt. Aber wie sieht es mit ausgefallenen Randsportarten oder kuriosem Freizeitvertreib aus, den kaum jemand kennt? In der GEA-Serie »Seltene Hobbies« geben wir Einblick in diese. Sie üben selbst ein solches Hobby aus und wollen es uns zeigen? Melden Sie sich gerne: lokales@gea.de.