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Aktuell Energiewende

Windrad-Standorte: Gegenwind aus Gönningen

Die Energiewende erfordert mehr Windkraftanlagen, auch in der Region. Je konkreter die Pläne für Standorte im Reutlinger Süden werden, desto mehr scheint die Akzeptanz zu schwinden.

Wo geht der Ausbau der Windkraft in Reutlingen voran? Noch sind viele Fragen offen.
Wo geht der Ausbau der Windkraft in Reutlingen voran? Noch sind viele Fragen offen. Foto: Uli Deck/dpa
Wo geht der Ausbau der Windkraft in Reutlingen voran? Noch sind viele Fragen offen.
Foto: Uli Deck/dpa

REUTLINGEN-GÖNNINGEN. Die weithin sichtbarste Auswirkung der Energiewende wird vermutlich im Reutlinger Südraum zu finden sein: Nennenswertes Potenzial für das Aufstellen von Windrädern hat der Regionalverband Neckar-Alb auf Reutlinger Gemarkung nur im Bereich Gönningen, Bronnweiler und Ohmenhausen ausgemacht.

Im Gönninger Bezirksgemeinderat findet diese Marschlinie zunehmend weniger Zustimmung. Nachdem Ulrich Wurster vom Stadtplanungsamt am Dienstagabend die Stellungnahme der Stadt zu den »Anhörungsentwürfen der Teilregionalpläne Wind- und Solarenergie des Regionalverbands « vorgestellt und um Zustimmung gebeten hatte – an sich eher eine Formalie – nutzten die Gönninger die Gunst der Stunde: Bis auf Bezirksbürgermeisterin Christel Pahl und Ratsmitglied Markus Wagner stimmten sie unisono gegen den Beschlussvorschlag der Verwaltung und formulierten grundsätzliche Ablehnung gegen den Standort Gönningen zur Windenergieproduktion.

»Regional besonders erhebliche negative Umweltauswirkungen«

"Weht denn überhaupt genug Wind in Gönningen?", fragt sich nicht nur Ratsmitglied Siegfried Randecker. Andreas Fetzer hat im Windatlas des Landes Baden-Württemberg nachgelesen, dass er im Reutlinger Süden nur "unterdurchschnittlich" bläst. "Der Gönninger Beitrag muss Sinn machen: Ich bin dagegen, dass wir Räder kriegen, die unrentabel sind." Rentabel seien sie nur auf der Albhochfläche." Und so fürchtet man im Südraum, dass der Eingriff in die gerade dort so wohlgestalte Natur und Landschaft in keinem Verhältnis zum ökonomischem und ökologischem Ertrag steht.

Gerold Bross verwies auf den Umweltbericht, in dem nachzulesen ist, das es sich bei den Reutlinger Gebieten RT-TÜ-01 und RT-TÜ-02 um "konfliktbehaftete Vorranggebiete" handele, bei denen »Regional besonders erhebliche negative Umweltauswirkungen« zu erwarten seien.

Bei Nabenhöhen um die 200 Meter fürchten die Dorfbewohner auch Schallbelästigung und Schlagschatten von im Westen der Gemarkung platzierten Energieproduzenten. Auch in Gönningen möchte man, dass die Stadt Reutlingen einen Beitrag zur Energiewende leistet, aber eben ohne Windräder. Biogasanlagen, PV-Flächen, Energieeffizienz und neue Wärmekonzepte generell vorantreiben, hält man für zielführender.

Aber die Verteilung der Räder ist eben auch eine politische Angelegenheit. Ulrich Wurster räumte ein, dass anderswo mehr Wind weht. »Wir können aber nicht verlangen, dass die Alb alle Räder schultert. Der Regionalverband wünscht den Ausgleich«.

 

Die blauen Areale sind die vom Regionalverband ermittelten Windkraft-Vorrangflächen auf der (gelb umrandeten) Gönninger Gemarkung. Den roten Bereich auf Bronnweiler Gemarkung möchte die Stadt abzwacken, um den Siedlungsabstand zu vergrößern. GRAFIK: STADT REUTLINGEN

Wurster bezeichnete die Gönninger Windverhältnisse zudem als »durchaus ausreichend und lukrativ für Investoren«. »Ob und welche Reutlinger Flächen letztlich im Plan stehen, können wir nicht sagen und auch nicht, wie viele«, sagte der Stadtplaner auf Nachfragen auch aus dem Publikum. Unbestätigt geisterte erneut die Zahl von zwölf Windrädern für den Reutlinger Südraum durch den Saal, es dürften aber deutlich weniger werden: Sind doch die Potenzialflächen im Süden im Vergleich zu den ersten Suchraumkarten mächtig reduziert: von 800 auf 140 Hektar.

Im Reutlinger Süden ließen im Gewann Plattach Vogelschutzgebiete die Flächen kräftig schrumpfen. Auf Gönninger Gemarkung ist auch kein Wald mehr tangiert, sondern nur noch landwirtschaftliche Fläche (im Reutlinger Nordraum kommen 40 Hektar hinzu, so dass die Stadt derzeit bei 180 Hektar insgesamt liegt, die potenziell für die Windenergieerzeugung dienen könnten).

Was die Gönninger Nachbarn auf ihren Vorrangflächen bauen, ist laut Wurster auch noch unklar. Die Kooperation der Stadt mit den fünf betroffenen Nachbarkommunen soll Abstimmung sichern und verhindern, »dass jeder seine Windräder an die Grenze stellt«.

»Wir können nicht verlangen, dass die Alb alle Windräder schultert «

Nach wie vor sind laut Wurster relevante Fragen ungeklärt, die zu weiterer Flächenreduzierung führen könnten – etwa wie es sich mit den Natura-2000-Flächen verhält. »Wir verlangen vom Regionalverband, die Umweltverträglichkeitsprüfungen zeitnah zu machen.« Eine weitere Unbekannte sind noch die militärischen Flugzonen.

In ihrer Stellungnahme fordert die Stadt zudem, dass der Siedlungsabstand nördlich von Bronnweiler von 600 auf 750 Meter vergrößert wird, weil im Mischgebiet die Wohnnutzung dominiere.

Bezirksbürgermeisterin Christel Pahl zeigte sich überrascht vom Votum ihres Gremiums. »Ich bin ratlos«, verriet sie am Rande der Sitzung. (GEA)