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Windkraft in der Region: Bürgerbeteiligung für 100 Euro

Die Energiewende braucht Unterstützer und viel Geld – Bürgergenossenschaften wie die EENA haben beides

FOTO: TATJANA BALZER/ADOBE STOCK
FOTO: TATJANA BALZER/ADOBE STOCK Foto: Adobe Stock
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REUTLINGEN. Martin Schöfthaler und Wolfgang Arndt haben zu viel Geld. Die beiden Vorstände der Genossenschaft Erneuerbare Energien Neckar-Alb (EENA) berichten von einem hohen sechsstelligen Eurobetrag im Topf der Genossenschaft – Geld aus Anlagen und Anteilen.

Gemäß der Statuten möchte man das Geld gern zeitnah in die Zukunft der hiesigen Energieversorgung investieren: Die EENA projektiert, finanziert und betreibt Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien in den Landkreisen Reutlingen, Tübingen und Zollernalb.

Lust auf starke Partner

Bisher lag das Hauptaugenmerk der Genossenschaft auf dem Photovoltaikausbau auf Dächern und Freiflächen. »Wir geben die Dächer nicht auf, aber wir sehen ein zunehmend interessantes Zukunftspotenzial in Beteiligungen an Freiflächen-PV- und Windkraftanlagen«, sagt Schöfthaler. Man will dabei mit »starken, erfahrenen Partnern« zusammenarbeiten.

So habe man nun auch die Fühler aufs »Käpfle« ausgestreckt: Im Reutlinger Südraum nahe Bronnweiler und Gönningen spielt derzeit die Musik für Investoren auf Reutlinger Gemarkung. Auch der Reutlinger Unternehmer Willi Schöller und dem Vernehmen nach zwei weitere große Investoren (von denen einer wieder abgesprungen ist) haben Interesse gezeigt.

Dr. Martin Schöfthaler (links) und Dr. Wolfgang Arndt (rechts) mit Dirk Spardella, dem 1.000. Genossen der EENA.  FOTO: EENA
Dr. Martin Schöfthaler (links) und Dr. Wolfgang Arndt (rechts) mit Dirk Spardella, dem 1.000. Genossen der EENA. FOTO: EENA
Dr. Martin Schöfthaler (links) und Dr. Wolfgang Arndt (rechts) mit Dirk Spardella, dem 1.000. Genossen der EENA. FOTO: EENA

Bei der EENA sieht man sich nicht in Konkurrenz mit großen Windkraftplayern. »Die Zusammenarbeit mit Schöller ist gut«, betonen die Männer.

»Die Bürger sind bereit, in erneuerbare Energie zu investieren«, wissen Schöfthaler und Arndt. Unlängst konnte die EENA den 1.000sten Genossen begrüßen.

Das Prinzip der Bürgergenossenschaften ist einfach: Ist der Topf leer, werden neue Genossenschafter geworben oder vorhandene Mitglieder ermuntert, ihre Anteile aufzustocken – perfekte Bürgerbeteiligung am Zukunftsthema und eine, mit der Lokalpolitiker gern auch die Akzeptanz lokaler Windkraftanlagen bei ihren Bürgern zu mehren hoffen.

Die Genossenschaft ist dabei eine urdemokratische Gemeinschaft. Jedes Mitglied hat eine Stimme, egal, wie viel Kapital es einbringt.

Auch private Unternehmen beteiligen Bürger. Allerdings liege hier der Mindestbetrag meist deutlich höher. Bei der EENA kann man schon mit 100 Euro einsteigen. Derzeit ist allerdings die Anteilsausgabe deutlich beschränkt, weil die Genossen kein Geld horten, sondern investieren wollen.

Der durchschnittliche EENA-Genosse hat zwischen 2.000 und 2.500 Euro investiert. Lange lag der Zins bei 2,5 Prozent. Nun beschloss man, auf 3 Prozent hochzugehen. Die Bäume wachsen also nicht in den Himmel. Den meisten Investoren gehe es aber nicht in erster Linie um die Rendite. »Die Mehrheit ist begeistert von der Idee, in der Region was zu machen«, weiß Schöfthaler. Was abseits ideeller Vorlieben für die Beteiligung mittels Genossenschaft spricht? Neben der kleinen Stückelung sei die Streuung der Gelder in viele Projekte von Vorteil. Die Beteiligung ist dabei jederzeit unter Einhaltung einer Frist reduzier- oder kündbar – oder kann weiter aufgestockt werden. Die »sehr stabile und abgesicherte Gesellschaftsform« sei resistent gegen Pleiten, erläutert Wolfgang Arndt. Sollte sie dennoch insolvent werden, haftet jeder nur mit seinem eingebrachten Kapital. Geht ein großer privater Investor in die Knie, guckt der beteiligte Bürger unter Umständen komplett in die Röhre, wenn ein Nachrangdarlehen vereinbart ist.

Antwort aus Tübingen

Warum der Topf so voll ist? Das Geldausgeben für saubere Energie sollte eigentlich nicht so schwer sein in diesen Zeiten. Das Angebot der EENA, den PV-Ausbau auf städtischen Dächern zu befördern, findet, wie mehrfach berichtet, weiterhin nicht den Anklang im Reutlinger Rathaus, den man vermuten möchte. Unter anderem wurden juristische Hürden ins Feld geführt. Auch im Hinblick auf Offerten an die Reutlinger Stadtwerke wartet die EENA noch auf Antwort.

Ganz anders der Umgang in Tübingen mit den Bürgerenergiegenossenschaften. Die dortigen Stadtwerke haben vier regional aktive Genossenschaften, darunter auch die EENA angesprochen, ob sie bei der Finanzierung bereits konkretisierter Projekte mitmachen wollen – auch die Reutlinger haben gerne ja gesagt.

Lobbyarbeit bis nach Berlin

2022 war zwar ein gutes Sonnenjahr mit guten Erträgen, die EENA hat jedoch keine einzige neue PV-Anlagen errichten können. Erst machte die Unwägbarkeit der neuen Einspeisevergütung die Kalkulation unmöglich, dann fehlten Solarteure und Material. Und zu guter Letzt stiegen die Preise für die Anlagen aufgrund der vielen Weltkrisen innerhalb von zwei Jahren um bis zu 60 Prozent.

EENA-Vorstand Ralf Schöfthaler macht derweil Lobbyarbeit bis nach Berlin beim Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, Sven Giegold, um überbordenden Bürokratismus zu beklagen oder die viel zu niedrige Einspeisevergütung, die neue PV-Projekte mit nur geringer Eigenstromnutzung unrentabel macht. Der Fokus auf der Windkraft soll nun dafür sorgen, dass sich das Geld im Genossentopf wieder zügiger umsetzt. (GEA)