REUTLINGEN. Der Frühling ist da - Zeit, die Eissaison zu eröffnen. Allerdings wird das mitunter ein recht kostspieliges Vergnügen, die Teuerung macht auch vor dem Eis nicht Halt. Bis zu drei Euro verlangen Eisdielen in Berlin oder München in diesem Jahr für eine Kugel, in Stuttgart muss man 2,50 Euro berappen. Günstiger sind da nur Kleinstädte, in denen man ab 1,30 Euro bereits fündig wird. Wie aber sieht es in Reutlingen und Umgebung aus?
Auch hier mussten die Eisdieleninhaber ihre Preise erhöhen, keiner konnte die Vorjahrespreise halten. »Wir versuchen familienfreundlich zu bleiben«, sagt beispielsweise Paola Colli, »aber leider mussten wir ein bisschen teurer werden«. Ihre Familie betreibt seit 1898 in Reutlingen die zwei Bars und Gelaterias Soravia, eine in der Wilhelm- die andere in der Burgstraße. 1,70 Euro kostet die Eiskugel in diesem Jahr, 10 Cent mehr als im Vorjahr - Preise, die auch die Eisdiele Corsaro am Tübinger Tor und das Eiscafé da Claudio in der unteren Wilhelmstraße haben. Der Grund für die Teuerung sind zum einen die gestiegenen Preise für die Materialien. »Allein der Kakao und der Zucker sind um 30 Prozent teurer geworden«, erklärt Maria Corsaro, der Preis für einen Eimer Sahne ist von 19 Euro im Vorjahr auf 27 geklettert. »Es ist Wahnsinn, wie teuer die Produkte geworden sind«, sagt auch Isabell Miraval vom Eiscafé Miraval.
Kakao und Zucker 30 Prozent teurer
Erhöhungen, die die Unternehmen an ihre Kunden weitergeben müssen. Vor allem, wenn man die Qualität halten wolle, müsse man die Preise erhöhen, sagen die Eisverkäufer. Danyel Spoljar, der Inhaber von Danys Eiscafé am Gartentor betont, wie wichtig es sei, auf hochwertige Inhaltsstoffe zu setzen. »Wir sind etwas hochpreisiger als unsere Mitbewerber«, erklärt er, dieses Jahr kostet eine Kugel Eis bei ihm 2 Euro. Er bezieht das Eis von der Pfullinger Eismanufaktur Charlie Koch, die nur beste Waren verwende, wie Spoljar betont. Manche der Zutaten werden eigens aus Italien importiert, das habe einfach seinen Preis. Ebenso wie die Konditorsahne, die dank eines Fettgehalts von 33 Prozent auch an einem heißen Tag lang fest bleibt. »Unsere Kunden wissen das zu schätzen«, sagt Spoljar. Beschwerden, weil die Kugel erstmals die zwei Euro-Grenze erreicht hat, gebe es bislang nicht. »Die meisten haben Verständnis«, beobachtet auch Maria Corsaro.
Auch im da Claudio kostet das Eis etwas mehr, aber dafür sind die Kugeln auch ordentlich groß, wie Inhaber Cristiano Forlan Martenelli betont. Im Miraval gibt es hingegen zwei Varianten von Eis: Die gängigen Sorten, die für 1,80 Euro zu haben sind und die Premiumvarianten für 2,20 Euro. Aber es sind nicht nur die Inhaltsstoffe, die den Preis nach oben treiben, sondern auch die Rahmenbedingungen. »Strom, Miete, Personalkosten - alles wird teurer«, sagt Spoljar, auch der steigende Mindestlohn macht sich bemerkbar. Und wenn es dann noch so ein durchwachsener Sommer wie der im vergangenen Jahr ist, bleibt unterm Strich nicht mehr viel übrig für die Unternehmer.
Wird Eis zum Luxusgut?
Wirken sich die Preiserhöhungen und die Inflation auf das Kaufverhalten der Kunden aus? »Eis ist schon ein bisschen ein Luxusgut geworden«, sagt Isabell Miraval. Wobei die Geschäfte an warmen Tagen nach wie vor gut laufen. Allerdings gehe der Trend dahin, weniger zu konsumieren. »Manche essen nur noch eine Kugel statt zwei oder verzichten auf den Eisbecher«, so Paola Colli. Auch Isabell Miraval stellt immer wieder fest, dass die Kunden bewusster essen.
Wie sind die Trends, was die Geschmacksrichtungen angeht? »Wir denken uns immer wieder etwas Neues aus«, erzählt Colli. Allerdings fange man damit erst an, wenn die Saison richtig gestartet ist. In der Vergangenheit war dabei durchaus Ungewöhnliches dabei, wie Gurke oder Kiwi-Spinat. »Das kam gut an«, betont Colli. Wobei sie von ihrer Tante einst gelernt hat, dass für die Eisherstellung die Sorten Vanille, Schoko und Zitrone entscheidend seien. Wer diese beherrsche, könne auch alle anderen. »Die sind der Maßstab«, so Colli.
In Danys Eiscafé ist hingegen schon bekannt, dass die Sorte Einhorn auf Vanilleeisbasis wieder ins Sortiment zurückkehrt, die sich dank der blauen Farbe vor allem bei Kindern großer Beliebtheit erfreut. Auch Hunde werden das Café am Gartentor gerne aufsuchen, denn für sie gibt es Bello-Eis in den Geschmacksrichtungen Melone und Hühnchen. Selbst hergestellt und in einen essbaren Becher gefüllt - der Preis liegt mit drei Euro etwas höher, aber es ist eben auch etwas, das es sonst nirgendwo in der Stadt gibt.
Im Miraval sind vor allem die Premiumsorten etwas Besonderes, neben Dubaischokolade gibt es Eis mit unterschiedlichen Süßigkeiten, von Nutella bis Raffaello. Die erfreuen sich übrigens trotz des höheren Preises ausgesprochener Beliebtheit. Als der Frühling Anfang März ein kurzes Stelldichein gegeben hat, habe man innerhalb eines Nachmittags fünf Kilogramm verkauft. Da Claudio hingegen hat ein eigenes Eis für die Stadt kreiert, die »Crema Reutlingen« und die Familie Corsaro setzt auf Zutaten aus der sizilianischen Heimat. Und dass Eis auch an kalten Tagen ein Genuss sein kann, sieht man an Hanna und Luisa: Die beiden sind mit ihren Mützen und Mänteln winterlich gekleidet, schlecken aber genussvoll am Eis, das ihnen ihre Mutter gekauft hat. (GEA)