Logo
Aktuell Prävention

Wie Reutlinger es Einbrechern wirklich leichtmachen

Wer das Haus mit gekipptem Fenster oder einer unverriegelten Terrassentür verlässt, geht ein unnötiges Risiko ein. Zwei Präventionsbeamtinnen haben in einem Reutlinger Wohngebiet nach Schwachstellen Ausschau gehalten - und sie gefunden.

Auf der Suche nach möglichen Schwachstellen: Das Referat Prävention des Polizeipräsidiums Reutlingen.
Auf der Suche nach möglichen Schwachstellen: Das Referat Prävention des Polizeipräsidiums Reutlingen. Foto: Frank Pieth
Auf der Suche nach möglichen Schwachstellen: Das Referat Prävention des Polizeipräsidiums Reutlingen.
Foto: Frank Pieth

REUTLINGEN. »Viele Menschen unterschätzen das Risiko durch Einbrüche. Und auch den Grips der Kriminellen«, bringen es die beiden Kriminalhauptkommissarinnen Lemnitz und Hausch-Häcker auf ihrem jüngsten Präventionsstreifzug durch ein ruhiges Reutlinger Wohngebiet auf den Punkt. Die beiden erfahrenen Beamtinnen vom Referat Prävention sind für die Sicherheit der Bürger unterwegs - und der GEA ist mit dabei. »In diesem Wohngebiet hat es in den letzten Monaten den einen oder anderen Vorfall gegeben«, erklärt Hausch-Häcker. Besonders anfällig wirkt es auf den ersten Blick nicht: Einige neue und einige ältere Häuser, ein Dutzend Hecken und Terrassen - ein stinknormales Wohngebiet eben, abseits vom großen Trubel der Hauptstraße.

Seit 2021 steigt die Zahl der Einbrüche in der Stadt Reutlingen wieder: Damals gab es insgesamt 43 Fälle, davon 17 Versuche. 2023 waren es bereits 65 Fälle mit 35 Versuchen. Dabei sind neue Häuser nicht automatisch gut gesichert und alte nicht unbedingt leicht zu knacken. Auch die Anzahl der Autoaufbrüche ist angestiegen. Nicht immer liegen Wertsachen sichtbar im Fahrzeug herum, und auch was Automarke oder Alter betrifft, lasse sich kein Muster erkennen, erzählt Nicole Lemnitz. Hier entscheide oft der Zufall. »Die Täter arbeiten eher eine für sie praktische Straße ab und nehmen mit, was geht«, so Kollegin Hausch-Häcker.

»Gekippte Fenster sind offene Fenster«

Direkt zu Beginn ihres Streifzugs durch die Nachbarschaft stoßen die Polizistinnen auf den Traum eines jeden Diebes: eine offenstehende Garage, mit allem, was das Herz begehrt. Drei Motorräder, drei Fahrräder, ein Rasenmäher und viele weitere Dinge, die man super verscherbeln könnte - griffparat auf einem Fleck. Nach mehrmaligem Klingeln und Klopfen stellt sich raus: Hier ist niemand zu Hause. Die beiden Präventionsexpertinnen gehen noch einen Schritt weiter und stehen plötzlich im von hohen Hecken eingezäunten Garten.

»Die zu öffnen wäre ein leichtes«, sagt Hausch-Häcker und zeigt auf eine einfache gläserne Terrassentür. »Und keiner würde es groß mitkriegen«. Um die Bewohner aufmerksam zu machen, hinterlassen sie einen Zettel, der auf die Gefahren und Schwachstellen des Hauses hinweist. Zum Glück für die Hausbesitzer sind es an diesem Tag nur die Beamtinnen, die sich in guter Absicht um das Haus schleichen. Das wird auch für die noch kommenden Häuser gelten.

»Je länger ein Einbrecher braucht, desto eher wird er entdeckt«

Viele gekippte Fenster und keiner zu Hause: Sehr viel einfacher kann man es Dieben kaum machen. Dabei wäre das unnötige Risiko mit nur einem kleinen Handgriff eliminiert. »Gekippte Fenster sind offene Fenster, wie man so schön sagt«, weiß Nicole Lemnitz. Sie sind mit leichtem Hebelwerkzeug in wenigen Sekunden überwunden. Damit spielt man den Kriminellen optimal in die Karten, denn die mögen es gerne schnell. »Je länger ein Einbrecher braucht, desto eher wird er entdeckt. Oft haben sie es nicht auf ganz bestimmte Häuser abgesehen. Sie probieren eher zwei bis drei aus, und wenn es nicht klappt, dann versuchen sie es woanders wieder«, weiß Hausch-Häcker.

Sie entdecken ein weiteres gekipptes Fenster im ersten Stock eines Mehrfamilienhauses. Entgegen der allgemeinen Erwartung, ist man auch in den oberen Stockwerken nicht automatisch sicherer, so die Kriminalhauptkommissarin: »Einbrecher haben auch Grips. Da steht dann mal eine Mülltonne oder Leiter ganz praktisch - und schon sind sie zum Fenster rein. Die Gefahr ist einfach nicht zu unterschätzen«. Ein weiteres Haus glänzt auf den ersten Blick mit einer »Top-Ausstattung«. Die alte Klingel wurde durch eine neue mit Bildübertragung ersetzt, und eine solarbetriebene Überwachungskamera, die zur Haustür hin ausgerichtet ist, sorgt für extra Kontrolle. Doch nur einen Meter entfernt, getrennt von nur einem halben Meter hohen Zaun, steht ein Fenster offen. Deshalb der Hinweis der Polizei an die Bürger: Eine sichere Eingangstür reicht nicht aus, denn »auch Diebe denken mit«.

Wer sein Zuhause sicherer machen möchte, kann sich von der Polizei individuell beraten lassen.
Wer sein Zuhause sicherer machen möchte, kann sich von der Polizei individuell beraten lassen. Foto: Frank Pieth
Wer sein Zuhause sicherer machen möchte, kann sich von der Polizei individuell beraten lassen.
Foto: Frank Pieth

Dass man nie zu 100 Prozent sicher ist, das sieht auch ein 67-jähriger Mann so, dem sie auf ihrem Streifzug vor seinem Haus begegnen. Für ein Gespräch mit den Polizistinnen ist er offen. »Ich habe mir zwar schon oft überlegt, meine Kellertür mit einem Sicherheitsbolzen einbruchsicher zu machen, aber man macht es halt doch nie«, erzählt er. Es sei ja bisher auch noch nichts passiert. Dass man im Ernstfall aber oftmals nicht mit nachbarschaftlicher Unterstützung rechnen kann, das sei ihm bereits aufgefallen.

So habe vor einer Weile ein Bekannter aus der Nachbarschaft sein eigenes Fenster eingeschlagen, da er ohne Schlüssel dringend ins Haus musste. »Keiner hat sich dafür interessiert. Keiner hat gefragt oder auch nur rausgekuckt«, berichtet der Mann. Im Ernstfall wäre das denkbar unpraktisch. Nach einem Gespräch mit den Präventionsbeamtinnen hat der Hauseigentümer seine Einstellung gegenüber der Anschaffung eines Sicherheitsbolzens für den Keller geändert: »Nach heute ist das auf meiner Prioritätenliste definitiv wieder ganz nach oben gerutscht«, verkündet er.

Häuser mit Schwachstellen, aber ohne anzutreffende Ansprechpartner, wurden mittels Zettel auf die Gefahren durch Einbrecher aufm
Häuser mit Schwachstellen, aber ohne anzutreffende Ansprechpartner, wurden mittels Zettel auf die Gefahren durch Einbrecher aufmerksam gemacht. Foto: Frank Pieth
Häuser mit Schwachstellen, aber ohne anzutreffende Ansprechpartner, wurden mittels Zettel auf die Gefahren durch Einbrecher aufmerksam gemacht.
Foto: Frank Pieth

»Wir sind nicht hier, um etwas zu verkaufen. Das können wir gar nicht. Wir möchten nur, dass die Menschen zu Hause sicher leben können«, stellt die Beamtin Hausch-Häcker klar. Sicherheitsmaßnahmen müssen nicht zwingend teuer sein. Natürlich sind Alarmanlagen oder Videoüberwachungen äußerst hilfreich und abschreckend. »Ein Licht mit Bewegungssensor oder Zeitschaltung kann beispielsweise aber auch schon ganz viel bringen«, so Lemnitz. Das koste kein Vermögen, habe jedoch eine große Wirkung, denn Einbrecher scheuen das Risiko.

Zum Ende des Sicherheitsrundgangs durch das Reutlinger Wohngebiet treffen sie auf die Eigentümerin des ersten Hauses, das mit offener Garage zum Stibitzen eingeladen hatte. Sichtlich erleichtert wirken Mutter und Tochter, als die Polizistinnen sich zügig als Referat Prävention erkennbar machen. »Ich war nur kurz einkaufen«, erklärt die Frau ihre Abwesenheit. Über das Risiko eines Diebstahls habe sie nicht wirklich nachgedacht. »Ja, das war natürlich echt blöd und naiv«, räumt sie ein und bedankt sich bei den Beamtinnen für ihre Tipps. Da ein Einbruch nicht nur materielle, sondern auch schwere seelische Folgen für die Bewohner haben kann, lohnt sich ein gewisses Maß an Vorsicht allemal. Wer sich professionell beraten lassen möchte, kann das kostenfrei bei der kriminalpolizeilichen Beratungsstelle des Polizeipräsidiums Reutlingen in Anspruch nehmen. Denn wie jeder weiß, ist Vorsorge besser als Nachsorge. (GEA)

Sechs goldene Regeln für ein sicheres Zuhause

- Halten Sie die Haustür auch tagsüber geschlossen. Schließen Sie Ihre Wohnungseingangstür immer zweimal ab und lassen Sie sie nicht nur ins Schloss fallen. Auch Keller und Speichertüren sollten immer verschlossen sein.
- Verschließen Sie Ihre Fenster und Balkontüren auch bei kurzer Abwesenheit. Einbrecher öffnen diese besonders schnell.
- Sorgen Sie dafür, dass Ihre Wohnung auch bei längerer Abwesenheit einen bewohnten Eindruck vermittelt. Lassen Sie zum Beispiel den Briefkasten leeren oder installieren Sie Lichter mit Zeitschaltung.
- Verstecken Sie Ihren Haus - und Wohnungsschlüssel niemals außerhalb der Wohnung: Einbrecher kennen jedes Versteck.
- Auch Nachbarn können helfen, Einbrüche zu verhindern. Pflegen Sie daher einen guten Kontakt untereinander, tauschen Sie Telefonnummern aus und seien Sie aufmerksam.
- Achten Sie bewusst auf fremde Personen im Haus oder auf dem Grundstück. Informieren Sie die Polizei, wenn Ihnen etwas verdächtig vorkommt. Versuchen Sie niemals, Einbrecher festzuhalten. (GEA)