REUTLINGEN. Im Dezember hat die Stadtverwaltung eine erste Analyse zum »Mobilitätskonzept Altstadt« vorgestellt, das bis Ende des Jahres auf den Tisch kommen soll. Mit teils bemerkenswerten Ergebnissen: Viele Parkhäuser sind zeitweise ausgesprochen schlecht ausgelastet. Es herrscht hoher Parkdruck an den Laternenparkplätzen. Handlungsbedarf besteht in Sachen Radverkehr, etwa im Hinblick auf die Querung der Altstadt und zahlreiche Konfliktstellen mit den anderen Verkehrsarten. Die Fußgänger kämpfen mit engen Gehwegen und zusätzlichen Behinderungen durch parkenden Verkehr. Das sind die ersten Befunde der Darmstädter Gutachterin Gisela Stete. Sie konnte ihre Arbeit im Dezember krankheitsbedingt im Rathaus nicht selbst vorstellen. Im Bauausschuss trug sie nun Teil 2 ihrer Analyse vor.
Diese betrifft zunächst das multimodale Angebot, das müsse »effizienter und besser strukturiert« werden. Die Expertin diagnostiziert ein »Carsharing-Versorgungsdefizit« in der Altstadt. Die nächsten Autos stehen am Listplatz (zwei Fahrzeuge) und im Parkhaus Lederstraße (drei Fahrzeuge). Beide seien nicht gut wahrnehmbar. Insgesamt stehen 17 Fahrzeuge von Teilauto im Stadtgebiet bereit, zwei Lastenräder an einer Station von Sigo, dazu E-Bikes und Scooter – ohne festen Standort. Fünf Ladestationen in Altstadt betanken Autos. Die Angebote sollen besser vernetzt werden, Mobilitätsstationen die Nutzung leichter machen.
»Wollen wir weniger Autoverkehr in der Altstadt?«
Ein breites Spektrum der Stadtgesellschaft soll in die Entstehung des Mobilitätsplans einbezogen werden. Stefan Dvorak, der Chef des Stadtplanungsamts, stellte die »Begleitgruppe« vor, die um die 40 Mitglieder umfasst. Einzelhandel, Gastro, Anwohner, Kreisseniorenrat, Listgymnasium, Gemeinderat – bis hin zur Firma Schöller SI werden Interessensvertreter eingebunden.
Schon jetzt zeichne sich ab, dass diese Interessen sehr kontrovers sind, sagte Gisela Stete. Insbesondere an den Dauerthemen Parkplätze und Parkgebühren scheiden sich die Geister. Derzeit dominiere der Autoverkehr, fließender und ruhender, die Altstadt.
Ein Schlüsselthema ist für Stete daher die Frage: »Wollen wir dort weniger Autoverkehr und dafür mehr Radwege und verkehrsberuhigte Bereiche und damit mehr Flächengerechtigkeit?« Das Abzwacken von öffentlichem Parkraum soll auch den Parksuchverkehr reduzieren. Die verbleibenden Abstellflächen sollen vor allem bestimmten Nutzergruppen zugutekommen: Anwohnern, Menschen mit Behinderung. Diskutiert werden wird auch die weitere Absenkung der Geschwindigkeit.
Einen »bunten Strauß an verkehrsrechtlichen Lösungen« hat Stete im Untersuchungsbereich ausgemacht. Hier sieht sie Optimierungsbedarf. Insbesondere auch für den Lieferverkehr, bei dem in Reutlingen offensichtlich ein gewisser Wildwuchs herrscht. Dass Stete nachmittags zwischen 16 und 17 Uhr so viel Lieferverkehr beobachtet hat, hat die Expertin gewundert. Effiziente Regelungen, übersichtlichere Verkehrsführung, Bündelung von Fahrten durch örtliche Verteilzentren, mehr Feinverteilung auf Radkuriere sind hier Optionen.
Ein Handlungsfeld taucht in ihren Ausführungen immer wieder auf: die Metz-gerstraße. Hier kommen sich Radler und Autos, insbesondere auch Lieferwagen in die Quere. Ein erster Lösungsansatz ist genannt: Zufahrt nur für Lieferverkehr.
Die Marschlinie für die Altstadt heißt mehr Grün, mehr Platz für Fußgänger und Radfahrer, mehr Aufenthaltsqualität. Als Kandidaten für Straßenraumgestaltung sind Oberamtei- und Kanzleistraße genannt. Aber auch die altstadtbegrenzenden Hauptstraßen Leder-, Eberhard- und Karlstraße kommen in Fokus.
»Wie lange wollen Sie Straßenraum liegen lassen?«
Zentrale Fußgängerachsen längs und quer durch die Altstadt sollen gestärkt und sichtbarer gemacht werden, auch ihre Weiterführungen gen Tübinger Vorstadt, Obere Wässere und Richtung Ringelbach. Der Kfz-Verkehr soll durch gezielte Steuerung optimiert werden.
Die harten Zeiten für die Verwaltung kommen noch. In diesem frühen Stadium der städtischen Veränderungsbestrebungen bläst noch wenig Gegenwind. FWV-Rat Erich Fritz hofft, dass alle Verkehrsteilnehmer »gleichberechtigt untergebracht werden«. Er begrüßte die umfangreiche Beteiligungsgruppe, die ihm dies sicherzustellen scheint.
Nämliches gilt für CDU-Chefin Gabriele Gaiser. Sie findet es allerdings schwer, derzeit etwas für Leder- oder Gartenstraße zu entscheiden, solange noch keine Entscheidung zur Stadtbahntrasse stehe. Diese Einschätzung teilt Stadtplanerin Stete. Die Frage sei aber, wenn die Bahn erst in 15 Jahren fahre, wie lange man den Straßenraum »liegen lassen« wolle.
»Das war ein guter Start«
Veränderungen in der Metzgerstraße halten viele für unerlässlich. »Sie muss attraktiver werden«, forderte SPD-Stadtrat Ramazan Selcuk. Timo Widmaier (Linke/Die Partei) berichtete von Beinahe-Tätlichkeiten, weil Autofahrer nicht erkennen, dass die Radler gegen die Einbahnstraße fahren dürfen.
Jaron Immer (Grüne und Unabhängige) vermisst bei der bisherigen Analyse das Gerberviertel. Man solle in den Blick nehmen, wie insbesondere auch der Federnseeplatz besser genutzt werden könne.
Baubürgermeisterin Angela Weiskopf weiß nur zu gut um die schwierige Aufgabe, die auf sie und ihr Rathauspersonal nun wartet. Sie zeigte sich zufrieden mit dem Auftakt. Es gebe Konsens zum Verfahren. »Das ist ein guter Start.« (GEA)