REUTLINGEN/TÜBINGEN. Magdeburg, München, Anfang März nun Mannheim: Wenn Kriminelle oder Kranke Fahrzeuge als Waffe einsetzen und in Menschenmengen steuern, ist nicht nur das Leid der Betroffenen und ihrer Angehörigen immens. Die mediale Resonanz verstärkt landauf landab den Ruf nach mehr Sicherheit nicht nur in großen Städten und damit den Druck auf die Kommunen. Der GEA hat in der Region nachgefragt, was schon getan wurde und was noch geschehen soll.
»Wir können nur das Risiko zugunsten der Bürger verschieben«
Fest steht dabei auch, was der Chef des Reutlinger Ordnungsamtes, Albert Keppler, resümiert: »Wir können keine absolute Sicherheit gewährleisten. Wir können nur das Risiko zugunsten der Bürger verschieben.« Er regt auch Zusammenarbeit an, etwa wenn es um die Nutzung der teuren mobilen Zufahrtssperren geht. Muss jede Kommune zwei Dutzend davon ordern? Keppler meint, nein, und wirbt dafür, dass sich die Städte zusammentun und »sich aushelfen«.
Reutlingen
Im Reutlinger Ordnungsamt arbeitet man derweil an einem Sicherheitskonzept, das demnächst dem Gemeinderat vorgelegt werden soll. Bereits im Oktober hat die Stadt 16 mobile Zufahrtssperren vom Typ »Armis One« eingekauft, die dann beim Weihnachtsmarkt gleich eingesetzt wurden: Kostenpunkt rund 230.000 Euro. Mehr als doppelt so viele werden nochmal geordert laut Ordnungsamtschef Keppler. Weil das bei Weitem nicht reiche, sollen Wechselladermulden als Schutzwälle umfunktioniert werden. Die gängigen Container können bei Bedarf von den Technischen Betriebsdiensten oder anderen Betrieben in der Region ausgeliehen werden. Mit Sand oder Schotter befüllt sind sie als kostengünstige flexible Wände einsetzbar.
Im Einsatz können dann die mobilen jeweils zwei Meter breiten Terrorschutzwände mit den Containern kombiniert werden. Die Armis-One-Elemente erlauben in solchen Schutzwällen bei Bedarf die Durchfahrt. Sie können abgesenkt werden und so Rettungswagen oder Feuerwehrautos in den Veranstaltungsbereich passieren lassen.
Das Schutz-Thema hat für Keppler aber auch noch eine andere Dimension, die unabhängig von Veranstaltungen Wirksamkeit entfalten würde: die Verkehrsgestaltung in der Altstadt. In Reutlingen wird der motorisierte Individualverkehr derzeit noch im letzten Winkel der Altstadtgassen zugelassen. Die Stadt hat aktuell, wie mehrfach berichtet, ein Mobilitätskonzept in Arbeit. Die Diskussion darüber muss nun um das Thema Sicherheit erweitert werden, so Keppler. Wenn es beispielsweise um die Frage gehe, wer darf – neben Anwohnern und Anlieferverkehr – künftig in bestimmte Bereiche der Altstadt noch einfahren.
Einigt man sich in dem von der Verwaltung groß angelegten Dialogprozess auf weitere Restriktionen, sei die Frage: Wie kann durchgesetzt werden, dass nur noch Berechtigte ins Herz der Stadt fahren können? Möglichkeiten sind laut Keppler verstärkte Kontrollen oder Poller-Lösungen.
Die »stählernen Kollegen«, wie er sie scherzhaft nennt, wären dem Amtsleiter, der mit seinem Personal die Kontrollen leisten müsste, sehr willkommen. Versenkbare bewegliche Versionen kosten allerdings pro Stück mehrere Zehntausend Euro. Hinzu kommt ein jährlicher Wartungsaufwand von rund 5.000 Euro pro Poller. Deutlich günstigere feste Poller und Sackgassen-Lösungen wären weitere Optionen, um den Verkehr in der Altstadt zu minimieren und durch Übersichtlichkeit auch größere Sicherheit zu schaffen beziehungsweise Bereiche einfacher gänzlich sperren zu können.
Ein Thema des Sicherheitskonzepts wird laut Albert Keppler auch eine Bewertungsmatrix sein mit der Frage: Welche Veranstaltungen will die Stadt denn überhaupt sichern? Hier müssten unter anderem auch Kosten und Praktikabilität bewertet werden.
Für die flexiblen Lösungen sind zudem Mitarbeit und Ideen der Veranstalter willkommen im Amt. So wird die Zufahrt von der Tübinger Straße her auf das am Wochenende startende Reutlinger Frühlingsfest mit einer Kombination aus städtischen Armis-One-Elementen und Betonblöcken gesichert, die der Veranstalter organisiert hat.
Pfullingen
Auch in Pfullingen hat die Sicherheit der Besucher höchste Priorität. Vor allem, wenn beispielsweise in der Innenstadt Veranstaltungen stattfinden, schreibt Philip Groll, Referent des Bürgermeisters, auf GEA-Nachfrage. »Bei größeren Veranstaltungen prüfen wir im Einzelfall und in enger Abstimmung mit den zuständigen Sicherheitsbehörden, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen.«
Je nach Anlass würden dann unterschiedliche Konzepte zum Einsatz kommen, die regelmäßig überprüft und an aktuelle Entwicklungen angepasst werden. »Absolute Sicherheit gibt es nie«, fügt auch Groll in dem Wissen hinzu, dass Ausnahmesituationen nicht geplant werden können. »Die tragischen Vorfälle der vergangenen Monate haben uns dazu veranlasst, unsere Konzepte zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen.« Details wollen er und Bürgermeister Stefan Wörner aber nicht veröffentlichen. Nicht, weil es diese nicht gebe, sondern, um potenziellen Tätern keine Informationen über das städtische Sicherheitskonzept zu liefern. Das übergeordnete Ziel ist und bleibt, den Schutz im öffentlichen Raum zu optimieren und das, »ohne dabei die offene und einladende Atmosphäre unserer Neuen Mitte zu beeinträchtigen«.
Münsingen
Rebecca Hummel, die als Ordnungsamtsleiterin der Stadt Münsingen für die Sicherheit bei Veranstaltungen zuständig ist, hat keinen standardisierten Notfallplan in der Schublade. »Wir schauen uns jede Veranstaltung einzeln an, um zu prüfen, was sinnvoll und möglich ist«, sagt sie. Das letzte große Event war der Fastnetsumzug. Sämtliche Zufahrten zur Innenstadt wurden mit rot-weißen Baken abgesperrt und personell besetzt. Die nötigen Leute dafür stellte der Narrenverein. »Sie waren per Funk miteinander verbunden«, sagt Hummel, »sodass man hätte unmittelbar reagieren können.«
Dazu gehört für sie auch, dass Absperrungen im Notfall ohne lange Zeitverzögerung geöffnet werden können. Zugänge mit quer gestellten Fahrzeugen oder »Beton-Legosteinen« regelrecht zu verbarrikadieren, ist aus ihrer Sicht deshalb nicht die ideale Lösung. Zwei wichtige Termine im Münsinger Kalender sind der Kunst- und Gartenmarkt im Frühjahr und der Biosphärenmarkt im Herbst. Bei beiden werden, wie in den Vorjahren schon, ebenfalls Baken aufgestellt, allerdings ohne personelle Besetzung. Weiter ins Detail gehen will Hummel, was das Sicherheitskonzept der Stadt bei Veranstaltungen angeht, nicht: Krisen- und Einsatzpläne zu veröffentlichen hieße auch, potenziellen Tätern Informationen frei Haus zu liefern und damit selbst ungewollt eine neue Sicherheitslücke zu schaffen.
Metzingen
Zu Sicherheitskonzepten für Open-Air-Veranstaltungen kann die Metzinger Pressesprecherin Susanne Berger aktuell noch nichts Konkretes sagen: »Stadtmitarbeiterinnen und -mitarbeiter erarbeiten zurzeit Konzepte für regelmäßig wiederkehrende Veranstaltungen im Freien, aber auch für anstehende Großveranstaltungen im laufenden Jahr.« Dabei würden sowohl stationäre als auch mobile Barrieren Teil der Sicherheitsvorkehrungen sein. »Der Einsatz wird von der jeweiligen Örtlichkeit abhängig sein und gegebenenfalls auch verschiedene Varianten erfordern«, teilt Berger mit.
Als größere Veranstaltungen gibt es den Weihnachtsmarkt und das geplante Maultaschenfäschdival im Juni. Es gebe auch bestehende Konzepte, die immer wieder angepasst würden, sagt Berger. Wie diese konkret aussehen und geändert werden, dazu kann die Sprecherin am Mittwoch keine weiteren Angaben machen. Die Verantwortlichen hätten alle Termine. Nur so viel: »Meine Informationen sind, dass es an diesem Freitag dazu eine Abstimmung mit unserem Ersten Bürgermeister Patrick Hubertz geben wird.«
Tübingen
Im Tübinger Haushalt sind laut Verwaltung 250.000 Euro für Zufahrtsschutz eingestellt. Der Fachbereich Bürgerdienste, Sicherheit und Ordnung hole dazu derzeit Gutachten ein. Sehr wahrscheinlich werde es darauf hinauslaufen, dass bei großen Veranstaltungen wie dem Stadtfest, dem Umbrisch-Provenzalischen Markt, dem Weihnachtsmarkt und der Chocolart Zufahrtssperren/Barrieren aufgestellt werden, die verhindern sollen, dass Autos in die Menschenmengen fahren. (igl/bin/ma/mak/pru)