STUTTGART. Wer bei so viel Fernweh der Heimat mal kurz Hallo sagen will, wird enttäuscht. Die Stadt Reutlingen fehlt dieses Mal, wie berichtet, bei der CMT am Stand des Tourismusverbandes Schwäbische Alb (SAT). Bisher tragende Säule der »Städteperlen« Tübingen und Metzingen, glänzt die Achalmstadt durch Abwesenheit. Die Hinterbliebenen spekulieren über zu hohe Kosten und fehlendes Personal als Gründe. Umso mehr kommen sie selbst zur Geltung.
Und dies gleich in zwei Hallen: In Halle sechs mit den üblichen Attraktionen, zu denen vormals auch die laufende Mutschel in Menschengröße gehörte - Symbol der einstigen »Stadt der Becken«, nämlich Reutlingen. Nichts davon ist zu sehen. Die Stadt Tübingen hingegen ist noch dabei, aber der früher übliche Stocherkahn fehlt. Dafür verschenken die Tübinger Abgesandten tütenweise Blumensamen aus dem Reutlinger Teilort Gönningen. Womit endlich geklärt wäre, woher die Blumenpracht auf der Neckarbrücke stammt,
22 Touren mit Vorsilbe »hochgeh«
Zweiter Standort der Älbler auf der CMT ist Halle neun mit Outdoor-Aktivitäten wie Wandern und Radfahren. Genau dort trafen sich die Touristiker am Samstag, um sich vom Deutschen Wanderinstitut loben zu lassen. Premiumwander- und Spazierwege wurden ausgezeichnet, die unter der Wortneuschöpfung »Hochgehberge« firmieren. So durfte der Eninger Bürgermeister Eric Sindek eine Urkunde für den Rundwanderweg »hochgehteufelt« entgegen nehmen, Mike Münzing und der Münsinger Touristiker Hans-Peter Engelhart hielten gleich drei Urkunden für die Wege »hochgehbürzelt«, »hochgehütet« und »hochgehgrenzt« in Händen und schließlich bekam Gomadingen für den Weg »hochgehsprudelt« eine Urkunde. Touren mit den Vorsilben »hochgeh« gibt es insgesamt 22.

Mike Münzing feierte die »Albcard«, Holger Bäuerle sechs Millionen Übernachtungen im Jahr, mehr als vor Corona. Der SAT-Vorsitzende und sein Geschäftsführer wähnen sich insgesamt auf einem guten Kurs. Die Albcard mit ihren Vergünstigungen für Übernachtungsgäste sei in ihrem fünften Jahr ein »Buchungsmagnet« und die größte Tourismus-Card Deutschland. Die Rabatt-Karte bekommt, wer in den teilnehmenden Unterkünften bucht - 160 bisher. Dafür darf man kostenlos ins Hallenbad, ins Museum und zum Konzert. 190 Attraktionen und sieben Verkehrssysteme gibt es für lau. Damit sei er endlich in der Lage, die Schwäbische Alb als Ganzes mit einer Klammer zu versehen, sagt Münzing.
Holger Bäuerle, seit einem halben Jahr SAT-Geschäftsführer und vormals Touristiker in Göppingen, untermauert den Optimismus mit Zahlen. 63,7 Millionen Tagesgäste kämen pro Jahr auf die Alb und lassen im Schnitt 28,50 Euro pro Tag liegen, die Übernachtungsgäste sogar 153,50 Euro. Mit 2,9 Milliarden Bruttoumsatzvolumen sei der Alb-Tourismus als Wirtschaftsfaktor nicht zu übersehen und ernähre 40.000 Menschen direkt oder indirekt. Wer länger bleibt, tut das im Schnitt 2,2 Tage lang. Eine Million Übernachtungsgäste kommen aus dem Ausland, vor allem aus den Niederlanden und der Schweiz.
Münzing und Bäuerle kündigen fürs laufende Jahr mehrere Großveranstaltungen an. So ist die Marbacher Hengstparade 100 Jahre alt, wofür man sich den 28. September sowie den 3. und 5. Oktober im Kalender als Fest notieren darf. Der 21. und 22 Juni wiederum ist für ein »Maultaschen-Fäschdival« in Metzingen reserviert, der 30. April für »500 Jahre Bauernkrieg - Fryheit unter Teck«. Gedacht wird der Aufstände in Kirchheim unter Teck im Jahr 1525 mit vielen Veranstaltungen.
Wie will sich die Region weiter präsentieren?
Bäuerle stellte fürs laufende Jahr eine Diskussion in Aussicht, wie sich die Region weiter präsentieren will. Will sie die Präsenz auf Reisemessen wie der CMT in dieser Form aufrechterhalten? Ob das Fernbleiben der Stadt Reutlingen die Diskussion befeuert oder überhaupt erst in Gang gebracht hat, war nicht zu erfahren. Ferner soll über den Fortbestand von Printbroschüren geredet werden - Prospekte, von denen die Besucher allein von der Schwäbischen Alb einen Stapel hätten mitnehmen können, der mehrere Kilogramm gewogen hätte. Andere Anbieter bieten statt Papier nur noch QR-Codes an, über die man auf Internet-Seiten kommt.
Der neue Geschäftsführer lobte die neuen Medien. Auf Facebook und Instagram hat die Schwäbische Alb 40.000 Follower mit hohen Interaktionsraten. Laut Bäuerle werden 740.000 Menschen monatlich erreicht. Im werdenden Projekt »Südenscout« dürfen alsbald in ganz Baden-Württemberg und damit auch auf der Alb »Botschafter« für ihre Heimatregion werben - auf Social Media.
Reutlingen, also mit eigenem Stand in Halle sechs wie bisher nicht dabei, dafür ganz bescheiden als Mitglied unter dem Dach des »Biosphärengebiets Schwäbische Alb«. Dieses tritt in Halle 6 an gleich zwei Ständen auf, zum einen unter dem Dach des SAT, wo nachhaltige touristische Angebote gezeigt werden. Zum anderen etwas entfernt am Stand der baden-württembergischen Großschutzgebiete. Neben Alb und Schwarzwald (Nationalpark) sind hier weitere sieben baden-württembergische Naturparke vertreten.
Gut vertreten ist in jedem Fall die Kulinarik der schwäbischen Alb. Die Gastronomie unter der Flagge eines schwäbischen Kochs, eines Bierbrauers, eines Bäckers und eines Mineralwasserproduzenten (aus Reutlingen!) werden hier durchgängig über alle Messetage Spezialitäten auf hohem Niveau serviert. Es gibt Maultaschen, Linsen und Spätzle und ähnliche schwäbische Leckereien. Zu allen Zeiten ist der Zuspruch groß, weil Heimatliebe ja bekanntlich durch den Magen geht. (GEA)