REUTLINGEN.. Das Thema, mit dem Fachfrau Katrin Reichenecker derzeit durch die Bezirksgemeinden tourt, könnte gegensätzlicher nicht sein. Auf der einen Seite steht graue Theorie, nämlich eine Verordnung mit sperrigen Zuständigkeiten. Auf der anderen Seite geht es um Anschauliches, Schönes und mit um das Wertvollste, was Reutlingen zu bieten hat: seine Naturdenkmale. Große wie der Mammutbaum in Bronnweiler, ganz kleine wie das Betzinger Schneckenpflaster in der Echaz, märchenhafte wie der Eichenhain im Wasenwald. Wunder der Natur, denen die Verordnung Schutz ermöglicht. Bisher sind 79 Naturdenkmale in Reutlingen samt Vororten gelistet. Bald bekommen sie Gesellschaft: Neue werden aufgenommen, Vorschläge von Bürgern sind willkommen.
Einzelschöpfungen und ganze Flächen
»Klassische« und schon wegen ihrer Ausschilderung unübersehbare Naturdenkmale sind in aller Regel imposante, uralte Bäume, erklärte Katrin Reichenecker, zuständige Fachgebietsleiterin im Amt für Tiefbau, Grünflächen und Umwelt, in der jüngsten Sitzung des Ohmenhäuser Bezirksgemeinderats. Zu diesen oft ökologisch wertvollen »Einzelschöpfungen« kommen »flächenhafte«, bis zu fünf Hektar große Naturdenkmale wie der Hain im Wasenwald oder das Gönninger Tuffsteinvorkommen. Allesamt beeindrucken durch ihre Besonderheit, ihre Schönheit, weil sie geschichtsträchtig sind oder ganz selten. Und sie prägen, auch das zählt zu den Kriterien, wie die Käpfle-Eiche Landschaft oder Ortsbild.
Um sie zu schützen und zu würdigen, wie es in der Vorlage zur Novellierung heißt, braucht’s die Naturdenkmal-Verordnung. Sie legt die Kriterien für die Ausweisung von Naturdenkmalen ebenso fest wie die für ihren Schutz: Alles, was zu einer Zerstörung, Veränderung oder Beschädigung führen könnte, ist verboten. So weit die Zielrichtung. Im Fall von Reutlingen wird es jetzt kompliziert. Denn die Verordnung wurde 1993 für einzelne und 1999 für flächenhafte Naturdenkmale vom Landratsamt erlassen. Nach der Verwaltungsreform ging die sachliche Zuständigkeit aber an die Stadt Reutlingen über, die rechtliche blieb bei der Behörde, die die Verordnung erlassen hat. Also dem Landkreis.
Eine Diskrepanz, die mit der Novellierung ausgeräumt werden soll: Die alleinige Zuständigkeit und damit auch Entscheidungshoheit über Naturdenkmale liegt künftig bei der Stadt. Ein formaler Aspekt, der mit einer Aktualisierung der in den Neunzigerjahren erstellten Liste der Naturdenkmale verbunden wird. Im Sommer, berichtete Katrin Reichenecker, hat ihr Team alle abgeklappert und festgestellt: »Manche gibt es nicht mehr.« Dafür hätten neue den Schutzstatus verdient. Fünf haben die städtischen Mitarbeiter schon mal ausgeguckt, mit dabei ist beispielsweise der Gönninger Wasserfall. Weitere Vorschläge sollen jetzt von denen kommen, die sich am besten in ihrer Umgebung auskennen: den Bürgern.
Auch Standort zählt
Die Verwaltung prüft nach der Einbringung, ob die Voraussetzungen für den Schutzstatus erfüllt sind. Die rechtlichen Kriterien umfassen wissenschaftliche, naturgeschichtliche oder landeskundliche Gründe, Seltenheit, Eigenart oder Schönheit. Aber auch der Standort zählt. Idealerweise sollte das potenzielle Naturdenkmal auf einem städtischen Grundstück stehen, weil es dann wegen des geschützten Bereichs drumrum keinen Ärger geben kann. Grenzt eine Privatfläche an, braucht es die schriftliche Einwilligung des Eigentümers. Ohne die geht rein gar nichts, sollte der Denkmal-Kandidat auf einem Privatgrundstück stehen.
Eigentum verpflichtet
Wird ein »privates« Naturdenkmal in die Liste aufgenommen, geht der Besitzer Verpflichtungen ein. Alle neun Monate kommen die städtischen Mitarbeiter zur Kontrolle. Für den Eigentümer gibt's Pflegevorschläge, er wird bei der Suche nach geeigneten Baumpflege-Dienstleistern und dazu finanziell unterstützt. Die Stadt übernimmt die Hälfte die Pflegekosten, die im Schnitt bei 2.000 Euro liegen. »Das muss man wollen«, stellte die Expertin klar.
Und zum weiteren Verfahren: Bis zum 13. Dezember können Bürger ihre Vorschläge für neue Naturdenkmäler bei der Stadt melden. Werden sie als tauglich befunden, kommen sie auf die Liste. Nach der öffentlichen Auslegung im Februar steht im April die Gemeinderatsentscheidung und direkt danach das Inkrafttreten der Verordnung an. (GEA)
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