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Wie halten es Reutlinger CDUler mit der AfD?

Wie soll die CDU mit der AfD umgehen? Christdemokraten aus Reutlingen halten geschlossen an der aktuell viel diskutierten »Brandmauer« fest. In der Tonlage gibt es allerdings durchaus Unterschiede.

Aus aktuellem Anlass stellt sich die Frage: Wie steht’s um die Brandmauer?
Aus aktuellem Anlass stellt sich die Frage: Wie steht’s um die Brandmauer? Foto: Rottenman/Stock Adobe/GEA
Aus aktuellem Anlass stellt sich die Frage: Wie steht’s um die Brandmauer?
Foto: Rottenman/Stock Adobe/GEA

REUTLINGEN/BERLIN. Es ist ein Thema, das in der politischen Landschaft regelmäßig für Spannungen sorgt: Wie sollen sich die etablierten Parteien – allen voran die CDU – gegenüber der Alternative für Deutschland (AfD) positionieren? Angesichts steigender Umfragewerte der AfD und wachsender Diskussionen über mögliche politische Mehrheiten in ostdeutschen Landtagen stellt sich die Frage nach der sogenannten »Brandmauer« erneut mit Nachdruck. Bundesweit wurde die Debatte jüngst durch Äußerungen von CDU-Parteichef Friedrich Merz befeuert, der in einem Interview von einem »Problem« im Stadtbild sprach.

Wie positionieren sich die Christdemokraten im Kreis Reutlingen? Der GEA hat nachgefragt – beim Bundestagsabgeordneten Michael Donth, Landtagsabgeordneten Manuel Hailfinger, der Reutlinger CDU-Gemeinderätin Gabriele Gaiser und dem Landtagswahlkandidaten Max Menton. Dabei zeigt sich: In der grundsätzlichen Ablehnung einer Zusammenarbeit mit der AfD herrscht Einigkeit – in der Tonlage allerdings gibt es durchaus Unterschiede.

Michael Donth, Bundestagsabgeordneter

CDU-Bundestagsabgeordneter des Wahlkreises Reutlingen:  Michael Donth.
CDU-Bundestagsabgeordneter des Wahlkreises Reutlingen: Michael Donth. Foto: Inga Haar/PR
CDU-Bundestagsabgeordneter des Wahlkreises Reutlingen: Michael Donth.
Foto: Inga Haar/PR

Der Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises Reutlingen, Michael Donth, nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es um die AfD geht. Er kritisiert die immer wiederkehrende Debatte innerhalb der CDU über die Brandmauer als »nicht zielführend« und auch am Gebrauch des Begriffs stört er sich: »Ich finde diese permanente – typisch deutsche – Diskussion um einzelne Worte falsch. Diese lenkt vom ursprünglichen Problem – hier der AfD und ihrer Politik – ab und verlagert die Auseinandersetzung. Im Übrigen nutze ich diesen Begriff (Brandmauer. Anm. d. Red.) selbst nicht.«

Donth betont, dass seine Einstellung zur AfD unverändert sei. Eine Aufweichung der Abgrenzung oder gar eine Kooperation mit der Partei sei ausgeschlossen, da sie ein ganz anderes Deutschland anstrebe: »Es trennen uns nicht nur Details, es trennen uns von der AfD grundsätzliche Fragen und grundsätzliche politische Überzeugungen. Die AfD steht gegen die Europäische Union, gegen die Europäische Währungsunion, gegen die Nato. Die Partei ist eine Gefahr für unsere Demokratie, unsere Grundrechte und das friedliche Zusammenleben.« Er ergänzt: »Außerdem will die AfD uns als CDU vernichten«.

Der Bundestagsabgeordnete wünscht sich indes weiterhin einen klaren Fokus ohne Ablenkungen und sagt: »Wir haben Probleme in diesem Land, die es in dieser Koalition mit der SPD zu lösen gibt. Ich bekomme immer wieder zu hören, dass wir tatenlos zusehen und nichts unternehmen würden. Das ist nicht richtig«, merkt der Bundespolitiker an und bezieht sich unter anderem auf die Zahl der Asylanträge, die »massiv zurückgegangen ist«, oder die Entlastung bei den Strompreisen, die ab 2026 um 6,5 Milliarden Euro pro Jahr – in den nächsten vier Jahren um insgesamt 26 Milliarden Euro gesenkt werden würden.

Donth ordnet das Verhalten der AfD klar populistisch ein: »Hauptgeschäftsmodell der AfD sind Probleme zu benennen und zumeist auch aufzubauschen, aber sie sucht nicht nach Lösungen oder bietet vermeintlich einfache Lösungen an.« Sein Fazit: Nur durch sichtbare Verbesserungen könne das Vertrauen in den Staat gestärkt und der Zulauf zur AfD verringert werden.

Manuel Hailfinger, Landtagsabgeordneter

Manuel Hailfinger, CDU-Landtagsabgeordneter für den Wahlkreis Hechingen-Münsingen.
Manuel Hailfinger, CDU-Landtagsabgeordneter für den Wahlkreis Hechingen-Münsingen. Foto: PR
Manuel Hailfinger, CDU-Landtagsabgeordneter für den Wahlkreis Hechingen-Münsingen.
Foto: PR

Manuel Hailfinger, CDU-Landtagsabgeordneter für den Wahlkreis Hechingen-Münsingen, sieht die Frage nach der sogenannten »Brandmauer« gegenüber der AfD in direktem Zusammenhang mit der historischen Verantwortung: »Die CDU wurde aus den Trümmern einer Diktatur gegründet – als bewusste Antwort auf den Zivilisationsbruch des Nationalsozialismus. Von Anfang an verstanden sich Christdemokraten als Schutzschild gegen autoritäre, nationalistische und spalterische Kräfte«.

Hailfinger schließt eine Zusammenarbeit mit der AfD deshalb kategorisch aus. Die Partei stelle heute genau jene Ideologien zur Schau: "Ausgrenzung statt Zusammenhalt, Angst statt Verantwortung, Nationalismus statt europäischer Verständigung". Daraus erwachse für die CDU nicht nur eine politische, sondern eine historische und moralische Pflicht. So sagt Hailfinger: [Die CDU] ist und muss mehr sein als eine Gegnerin – die Union ist Vorkämpferin gegen das Wiedererstarken der radikalen Rechten in neuem Gewand".

Auf die Frage, ob die CDU in Einzelfällen mit der AfD stimmen dürfe, erklärt Hailfinger kurz: »Das war und ist nicht nötig.« Auch für den Landtagsabgeordneten liegt der Schlüssel im Umgang mit den Ursachen des AfD-Wählerzuspruchs. Das bedeute: Weniger reden, mehr Probleme lösen. Denn für die Wähler der AfD brauche man keine Brandmauer, »sondern eine Brücke zurück in die bürgerliche Mitte«.

Gabriele Gaiser, Stadträtin

Gabriele Gaiser (CDU-Fraktion im Gemeinderat Reutlingen).
Gabriele Gaiser, CDU-Fraktion im Gemeinderat Reutlingen. Foto: PR
Gabriele Gaiser, CDU-Fraktion im Gemeinderat Reutlingen.
Foto: PR

CDU-Stadträtin in Reutlingen und Mitglied des Kreisverbands, Gabriele Gaiser, war bei der damaligen Entscheidung der Partei zur Abgrenzung gegenüber der AfD selbst beteiligt. Für sie gibt es zum jetzigen Zeitpunkt keinerlei Anlass, an der Brandmauer zu rütteln. Möglicher Sorgen mancher Beobachter, die AfD könne in Zukunft einmal eine politische Mehrheit erreichen, begegnet Gaiser gelassen. Entscheidungen müsse man »nicht im Voraus« treffen. »Es ist sowieso immer Wählerwille«, ergänzt sie. Die CDU müsse sich nun weiter auf das Jetzt fokussieren, »durch Inhalte überzeugen und durch die Umsetzung vieler Dinge, die die Bevölkerung auch erwartet«.

Auf die Frage, ob die CDU in Einzelfällen mit der AfD stimmen dürfte, betont Gaiser, dass es Unterschiede zwischen Bundes- und Kommunalpolitik gibt. Entscheidend sei aber immer die Sachpolitik: »Wenn es zum Beispiel um den Kindergarten geht, dann geht es um die Sache und nicht darum, wer zustimmt.« Konkret erläutert sie: Wenn die CDU im Reutlinger Gemeinderat einen Antrag einbringe, sei es »jeder Fraktion und jeder Partei unbenommen, da mitzustimmen oder den Antrag von uns abzulehnen.«

Die Bevölkerung erwarte, so Gaiser weiter, dass die CDU Probleme löse – »die haben wir auch zahlreich in Reutlingen«. Themen wie die Brandmauer seien da zweitrangig: »Ich glaube, es ist einfach schwierig, immer solche Themen aufzuwerfen, die im Moment nicht anstehen«.

Maximilian Menton, Landtagskandidat und Stadtrat

Beisitzer im CDU-Fraktionsvorstand des Reutlinger Kreistages und Kandidaten für die Landtagswahl 2026: Dr. Maximilian Menton.
Beisitzer im CDU-Fraktionsvorstand des Reutlinger Kreistages und Kandidaten für die Landtagswahl 2026: Dr. Maximilian Menton. Foto: CDU/Ralph Koch
Beisitzer im CDU-Fraktionsvorstand des Reutlinger Kreistages und Kandidaten für die Landtagswahl 2026: Dr. Maximilian Menton.
Foto: CDU/Ralph Koch

Maximilian Menton, Arzt, Kommunalpolitiker und CDU-Kandidat für die Landtagswahl 2026, stellt klar, dass die AfD inhaltlich und personell nicht mit dem christlich-demokratischen Werteverständnis vereinbar ist, und zwar »vom Verhältnis zu Europa über außenpolitische Positionen bis hin zu radikalen Strömungen, die in keiner Weise tolerierbar in unserer Heimat sind.« Gleichzeitig müsse die CDU ihre Haltung klug definieren: »als klare Abgrenzung von Extremismus – nicht als Maulkorb für eigene konservative Positionen«.

Eine Zusammenarbeit mit der AfD lehnt Menton strikt ab: »Wer unsere Demokratie, die EU oder gar die NATO infrage stellt, steht außerhalb des politischen Konsenses, den wir als Union vertreten. Eine Kooperation, nur um Mehrheiten zu sichern, würde langfristig unsere Glaubwürdigkeit untergraben.« Auf kommunaler Ebene beobachtet er pragmatisch: »Ich halte nichts von künstlichen Reflexen. Wenn die AfD im Parlament einmal für einen Antrag stimmt, den wir selbst eingebracht haben, dann ändert das nichts an unserer Position.«

Seinen Vorrednern schließt es sich in Sachen Strategie an: Probleme lösen, Vertrauen zurückgewinnen und die Bürger ernst nehmen – das mithilfe einer klaren Kante in der Sache und einem ruhigen Ton in der Sprache. Keine moralische Überheblichkeit, aber auch keine falsche Nachsicht. »Wir gewinnen Vertrauen nicht durch Empörung, sondern durch Kompetenz«. (GEA)