REUTLINGEN. Ein ganz normaler Samstagabend, keine Groß-Events. Warm, nicht zu warm. Auf dem Marktplatz wird das Leben gefeiert. Bis tief in die Nacht hinein sind die Plätze in den Straßencafés bestens belegt. Vor allem junge Leute sitzen hier bei Aperol Co.. Zahlreiche Flaneure sind unterwegs. Unweit des Marktplatzes ist das Kneipeneck Kanzlei-/Oberamteistraße das zweite Epizentrum der nächtlichen Geselligkeit. Das »Bermudadreieck« ist zugestellt mit fröhlichen Nachtschwärmern. Auch hier ist die Stimmung entspannt.
Kuhnacht an manchen Stellen
Im Bürgerpark sind unterdessen mit dem Licht auch die Menschen verschwunden, die ihn zuvor mit buntem Leben erfüllt haben. Auch »Echazterrassen« und »Stattstrand« haben dicht gemacht. Nun ist ziemlich ruhig im Park und ziemlich dunkel – Kuhnacht an manchen Stellen. Die Parkbeleuchtung ist eher kuschlig. Wer das nicht mag, macht sicher allein schon aus diesem Grund einen großen Bogen um diesen Ort. Der Zentrale Omnibusbahnhof ist derweil bestens beleuchtet – aber ebenfalls ziemlich menschenleer, was auch ihm ein unwirtliches Ambiente verleiht.
Geradezu gespenstisch leer ist das Quartier hinter dem ZOB: Dem Gerberviertel fehlt jeglicher Magnet, der an diesem Abend Publikumsverkehr generieren könnte. Wie ausgestorben ist auf der anderen Seite auch die Metzgerstraße, mit einer Ausnahme. Vor einem Friseurladen hat sich eine Familie häuslich eingerichtet – es wird gegrillt und getafelt. Auch so geht Stadtbelebung. Ein Hallo, ein kurzes Gespräch. Schon fühlt sich die Straße gastlich an.
Gebiet um den Bahnhof ist ärgster Unort
Der ärgste Unort in dieser lauen Sommernacht ist das Gebiet um den Bahnhof. Die Wartehalle ist abgeschlossen. Wer zum Zug will, muss außenrum gehen und dann auf einem ebenfalls menschenleeren Bahnsteig mulmige Gefühle verscheuchen.
Der Zugang zum Bahnhof von der Innenstadt aus lädt schon am Tage nicht ein. Der kleine Park am Listplatz hat einen besonders schlechten Ruf, gilt als Drogenumschlagplatz. An diesem Abend ist er vor allem schmutzig. Besucher gibt es keine, bis auf einen jungen Mann. Er sitzt auf einer Bank, brabbelt vor sich hin, trinkt immer wieder aus einer Schnapsflasche.
Junge Männer in langen Machoreihen
Schnell zurück zum Marktplatz ans Licht. Auf der Unteren Wilhelmstraße fallen junge Männer in langen Machoreihen auf, die laut reden und nicht gern Platz machen. Dennoch: Am bedrohlichsten wirken in dieser Nacht die vielen E-Scooterfahrer, die insbesondere in der Wilhelmstraße mit Karacho durch die Nacht rauschen. Sichtbar Verbotenes tun in dieser Nacht auch einige Autofahrer: In der Rathausstraße parken reihenweise dicke Schlitten.
Kurz vor ein Uhr kracht es laut. Ein Kanonenschlag? Aus der Katharinenstraße? Vermutlich. Kaum jemand schenkt dem Rumms Aufmerksamkeit. Auch die Polizei vermeldet für diese Nacht keine Besonderheiten. Das Reutlinger Problem ist bei diesem Spaziergang schnell deutlich geworden: Abseits von Marktplatz und Bermudadreieck sind die Bürgersteige in der Kernstadt ziemlich hochgeklappt – gähnende Leere herrscht in den vielen an sich netten kleinen Altstadtsträßchen.
Publikumsverkehr – und damit Sicherheitsgefühl – generiert nachts vor allem die Gastronomie und die ist stark auf den Marktplatz und seine Umgebung konzentriert. Und: Ein bisschen mehr Licht täte Orten wie Bürgerpark oder Listplatz auch gut. (GEA)