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Wie ein Portal bei Leerstand in Reutlingen helfen soll

Über das Programm »Leerstandslotsen« können Wirtschaftsförderer der Stadt Reutlingen Vermietern in der Innenstadt helfen, passende Mieter zu finden.

Dennis Zipperle vom Bereich Wirtschaftsförderung der Stadt Reutlingen stellt den neuen »Leerstandslotsen« vor.
Dennis Zipperle vom Bereich Wirtschaftsförderung der Stadt Reutlingen stellt den neuen »Leerstandslotsen« vor. Foto: Frank Pieth
Dennis Zipperle vom Bereich Wirtschaftsförderung der Stadt Reutlingen stellt den neuen »Leerstandslotsen« vor.
Foto: Frank Pieth

REUTLINGEN. Im Idealfall steht am Ende: »It's a match!« Das haben die »Leerstandslotsen« der Stadt Reutlingen mit einer Dating-App oder Online-Partnerschaftsbörse gemeinsam. Nur dass dieses Computerprogramm nicht potenzielle Lebenspartner, sondern Vermieter von Innenstadt-Ladenflächen und dazu passende Mieter zusammenbringt. Und nicht für jeden einsehbar ist, sondern über die Stadtverwaltung läuft. Die möchte damit den Handel in der Innenstadt ein Stück weit lenken.

Das neue Angebot hatte die städtische Wirtschaftsförderung bereits kurz beim ersten Reutlinger City-Talk im November 2024 vorgestellt. Darauf aufmerksam geworden waren Abteilungsleiter Markus Flammer und sein Kollege Dennis Zipperle über ein Bundesprojekt, das die Stadt Karlsruhe erprobte. Beide fanden: »Das ist genau das, was wir brauchen«.

Denn während Bürger von der Kommune gern fordern, dass sie etwas gegen Leerstände in der City tut, ist die diesbezüglich meist machtlos. Da die Stadt etwa in der Fußgängerzone selbst keine Immobilien besitzt, »haben wir keine Steuerungsfunktion«, macht Zipperle klar. Stattdessen verlaufen Anfragen und Mietverhandlungen - bei Läden wie bei Wohnraum auch - direkt zwischen Hauseigentümern oder von denen beauftragten Maklern und interessierten Gewerbetreibenden oder Gastronomiebetrieben.

Mehr Kontakte statt Makler-Konkurrenz

Die »Leerstandslotsen« sollen Maklern nun keine Konkurrenz machen und Eigentümern die Eigeninitiative nicht vermiesen. Sondern beiden »zusätzliche Kontakte ermöglichen«, da dort 3.000 Interessenten vertreten sind. »Unter denen können wir auf die Passenden zugehen«, erklärt Flammer. Um daran mitzuwirken, dass Immobilien »schneller und qualitativ hochwertiger« nachvermietet werden, dass Leerstände vermieden oder minimiert werden. Denn die wirken zumindest in Massen so unwirtlich, dass Besucher bald ganze Stadtviertel meiden - im Fachjargon ist das der »Trading-Down-Effekt«. »Da hat im Endeffekt keiner was davon.« Wobei er betont, mit aktuell 36 leeren Läden im Innenstadtgebiet, also vier Prozent der verfügbaren Verkaufsfläche, stehe Reutlingen im Bundesvergleich gut da.

Die Steuerungsmöglichkeit bezieht sich darauf, dass der Wirtschaftsförderer vorrangig im Blick hat, was der Stadt gut tut: »Was bringt langfristig Mehrwert?«, überlegt etwa Dennis Zipperle. Vor allem auswärtigen Vermietern oder Erbengemeinschaften hingegen gehe es oft einfach darum, dass die Miete eingeht. Egal, von wem. Und egal, wie sich das aufs Quartier auswirkt. »Denen muss man verklickern, dass es langfristig nicht gut ist, nur aufs Geld zu schauen.« Reutlingen habe glücklicherweise eine heterogene Eigentümerstruktur mit vielen einheimischen Vermietern. Denen sei klar, dass sie auch eine gewisse Verantwortung für ihre Stadt haben. »Solche Eigentümer sind das beste für die Stadt.«

Wie es funktioniert

Das Rathaus investiert nun also über ein »Leerstandslotsen«-Jahresabonnement, um interessierten Besitzern leerstehender oder aufgekündigter Ladenflächen im Innenstadtbereich zwischen Wilhelm- und Metzgerstraße, Marktplatz, Katharinen-, Kanzlei-, Rathaus-, Karl- und Eberhardstraße sowie der Oberen Wässere kostenlos zur Seite zu stehen. Voraussetzung ist, dass jene ihr dafür wichtige Daten zur Verfügung stellen: die Lage der Immobilie, ihren Zustand, Fläche, Mietvorstellungen, Nebenkosten und Besonderheiten wie etwa barrierefreier Zugang, Showroom, Weinkeller. Von Vorteil sind - wie bei der Partnersuche - auch Fotos.

All das pflegt Zipperle dann in die Datenbank ein. Er verwalte das allein, betont er, die Daten sind somit grundsätzlich geschützt.

Auf der anderen Seite platzieren potenzielle Mieter im Programm ihre Suchanfragen. Passen einige, mehrere oder gar alle Kriterien zueinander, zeigt das Programm an: »match« - passt. Bei einem zu Vorführzwecken angelegten Objekt in der Wilhelmstraße erscheinen 26 mögliche Nachnutzer. Die würde Zipperle im realen Fall sichten, sortieren, passende auswählen und diese gezielt kontaktieren. Erst dann erhalten jene die relevanten Daten des »Match-Partners«.

Angebot läuft derzeit an

Aktuell bietet die Stadt Reutlingen auf diesem Weg sechs Leerstände an. Da das Projekt im Dezember erst anlief, müsse das Angebot noch bekannter werden, meinen die beiden Wirtschaftsförderer. Schon jetzt verzeichnet Zipperle zunehmendes Interesse von Eigentümern und Maklern: »Es melden sich gerade immer mehr Leute.« Zum Teil suchten bereits ansässige Händler noch Flächen, um zu erweitern. Auch dass Reutlingen schon erfolgreich Pop-up-Projekte förderte, spreche sich herum.

Über die »Leerstandslotsen«-Portale »Marktplatz« und »Hall of Inspiration« schaut sich Dennis Zipperle auch aktiv unter Anbietern in anderen Städten und von neuen Geschäftsfeldern um. »Da begegnet man Konzepten und Ideen, auf die man selber gar nicht käme.« Das bisherige Feedback zeigt: Die Vernetzung fördert ein Gemeinschaftsgefühl. »Die Leute finden es cool, dass es viele Menschen gibt, die die Stadt voranbringen wollen.« (GEA)

Kontakt zu den »Leerstandslotsen« über Dennis Zipperle: Telefon 07121 3035699, E-Mail dennis.zipperle@reutlingen.de