REUTLINGEN. Der Tagesbefehl lautet, der Bevölkerung auf die nette Tour näherzukommen. Das ist der Reservistenkameradschaft Reutlingen am Samstag auf dem Motocross-Gelände gelungen. Beim 15. Tag der Reservisten tummelten sich rund 1.500 Besucher zwischen deutlich mehr als 50 Militär- und Blaulichtfahrzeugen. Mittendrin auch aktive Truppenteile der Bundeswehr sowie der amerikanischen Streitkräfte. Das Feldlager bietet großen und kleinen Gästen vieles – aber alles gut getarnt.
Grünes Stahlblech im Grün des Waldrandes ist die Attraktion. Da stehen moderne Radpanzer vom Typ »Boxer«, die bestaunt und bestiegen werden dürfen. Daneben einige »Bandvagn« der schwedischen Firma Hägglunds. Die kleinen Geländefahrzeuge mit Ketten und amphibischen Eigenschaften bestehen aus zwei miteinander verbundenen Blechschachteln mit je zwei Raupenketten. Das ist zu erfahren, viel mehr allerdings nicht, weil sie meist geheim unterwegs sind.
»Wir haben erkannt, wehrhaft sein müssen«
Denn benutzt werden die Vieles überwindenden Fahrzeuge vom Kommando Spezialkräfte in Calw, deren Mitglieder auch auf dem Motocross-Gelände Fragen, wo ihre Hägglunds schon zum Einsatz gekommen sind, mit den Worten »dazu kann man nichts sagen« beantworten. Dafür darf, wer möchte gerne, auf der Motocross-Strecke in so einer Blechkabine auf Raupen mitfahren. Oder einem Mercedes G-Modell sowie anderen Allradlern. Netterweise nicht ganz so schnell wie im Einsatz, denn das würde bei Zivilisten Übelkeit hervorrufen. Was man von der Küche des Feldlagers nicht behaupten kann.
Wieso Reservisten so wichtig sind
Reservist ist zunächst einmal jeder, der mindestens einen Tag in der Bundeswehr gedient hat und seinen Dienstgrad nicht verloren hat – ob als Grundwehrdienstleistender, als Soldat auf Zeit oder ehemaliger Berufssoldat. Nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst erhält jeder ganz automatisch den Status »Reservist«. Darüber hinaus gibt es verschiedene Möglichkeiten, als Zivilist Angehöriger der Reserve zu werden.
Reservisten sind ein unverzichtbarer Teil der Streitkräfte. Sie gewährleisten den Aufwuchs und die Durchhaltefähigkeit der Streitkräfte in Krisenzeiten. Sie engagieren sich als Mittler für die Bundeswehr in der Gesellschaft.
Reservisten ergänzen und verstärken die Fähigkeiten der Bundeswehr durch ihre zivilen Qualifikationen, unterstützen bei Hilfeleistungen im Inneren und im Ausland, durch die Besetzung vakanter Dienstposten im Inland und durch Kenntnisse, die in besonderen Auslandsverwendungen benötigt werden.
Reservisten können nach Absprache mit dem jeweiligen Truppenteil auf sogenannte Spiegeldienstposten beordert werden. Während einer Übung können sie bei Bedarf dann die entsprechenden Soldaten aus der aktiven Truppe vertreten, beziehungsweise Aufgaben wahrnehmen. (pr)
Der Ortsverband Reutlingen des Technischen Hilfswerkes serviert sehr anständigen Erbseneintopf, dazu gebratene Würstchen oder Steaks. Gegessen wird draußen unterm Tarnzelt. Der Blick fällt auch auf Händler für allerlei militärische Waren wie »BW-Socken gebraucht« oder Tarnklamotten und Rucksäcke. Zu haben wären auch Ersatzteile aller Art – aber nichts wirklich Militärisches. Denn der Tag der Reservisten und das NATO-Militärfahrzeug-Treffen sind gänzlich friedliche Veranstaltungen des Reservistenverbandes, der damit vor allem ein Ziel verfolgt: »Die Öffentlichkeit im Kontakt mit den Streitkräften zu halten«, wie es Jörg Hildenbrand als Vorsitzender der Reservistenkameradschaft Reutlingen formuliert.

Schließlich zeige der russische Angriff auf die Ukraine, wie wichtig es ist sich verteidigen zu können. »Wir haben erkannt, dass wir wehrhaft sein müssen«, sagt Hildenbrand, der dazu von einem »ganzheitlichen Verständnis der Landes und Bündnisverteidigung« spricht. Es meint das, was als hybride Kriegsführung der Russen längst auch in sozialen Netzwerken an Falschnachrichten ankommt, in Gestalt von mutmaßlich russischen Drohnen über deutscher Infrastruktur fliegt oder als Hackerangriff die Sicherheit von allen gefährdet. Alles das scheint in der knalligen Sonne auf dem Motocross-Gelände weit weg zu sein, aber es sorgt zumindest sichtbar für eine freundliche Stimmung der Besucher gegenüber dem Militär im Allgemeinen und der Bundeswehr im Besonderen. Denn die aktive Truppe ist reichlich vertreten. So haben beispielsweise das Jägerbataillon 291 aus Donaueschingen und das Artilleriebataillon 295 aus Stetten am Kalten Markt Soldatinnen und Soldaten nach Reutlingen entsandt, die tapfer trotz deutlich über 30 Grad in Tarnuniformen lächeln. Mit dabei sind zwei Feuerwehrfahrzeuge der ABC-Abwehr und Feuerwehrschule der Bundeswehr. Dazu auch Feldjäger sowie natürlich ein Stand mit Informationen über Karrieremöglichkeiten bei der Truppe. Wer möchte, kann sich nebenbei moderne Uniformen erklären lassen.
»Den Kontakt mit den Streitkräften halten«
An der »Erlebnisstation: Komme ein Stück mit«, liegen Einsatzuniformen der Bundeswehr, über die ein Soldat gerne mehr erzählt. So sei die Jacke mit Aramidfasern »nicht so bequem zu tragen wie der alte Stoff – aber er schützt mich vor Feuer«. Als Souvenir zum mitnehmen gibt’s an diesem Stand Bleistifte in Tarnbemalung. Doch bei solchen Kleinigkeiten bleibt es im Laufe des Samstags nicht.
Die vielen Besitzer ehemaliger Militärfahrzeuge konnten eine Ausfahrt zur ehemaligen Kaserne auf der Haid bei Engstingen machen. Dort wurde eine Führung durch das ehemalige Sondermunitionslager »Golf« unternommen. Ältere Menschen wissen noch, was mit Sondermunition gemeint gewesen ist: amerikanische Atomraketen, gegen die heftig mit Blockaden protestiert wurde. In der Gegenwart ist eine kleine Delegation amerikanischer Soldaten der »554 Military Police« gekommen und verbreitet gute Laune mit Gruppenbildern. Höhepunkt des Reservistentages ist schließlich die Landung eines Bundeswehr-Hubschraubers. (GEA)