REUTLINGEN. Christel Ehlers ist eine Naturliebhaberin mit ansteckender Begeisterung. Und eine Expertin. Beim Wildkräuter-Spaziergang im Rahmen des Querbeet-Veranstaltungsprogramms (siehe Infobox) sprudeln die Informationen nur so aus ihr heraus. Kein Wunder: Die Gärtnermeisterin, die auch als Alb-Guide arbeitet, war vor der Rente Leiterin des Gartens der Firma Alb-Gold in Trochtelfingen.
Drei Stunden führt sie an diesem Nachmittag eine höchst interessierte Schar von Neugierigen durch den Wasenwald. Die Tour startet beim Gewächshaus des IB Bildungscampus, und die Spaziergänger müssen nicht lang suchen. Knoblauchsrauke steht direkt beim Parkplatz Naturtheater. Würzig-herbes Aroma: Blätter, Knospen, Samen und Wurzeln der weißblühenden Pflanze können verarbeitet werden. Im Frühjahr liefert sie laut Ehlers einen echten »Vitaminstoß«. Für alle Wildkräuter gelte: Sie haben mehr Vitamine und Mineralien als das Grünzeug aus dem Supermarkt. Dazu gesunde Bitterstoffe, die den Organismus anregen.
Im stadtnahen Wasenwald wächst erstaunlich viel Essbares, sehr Gesundes. Aber eben auch ganz schön Giftiges, das macht die Gärtnermeisterin, die in Gönningen lebt, immer wieder deutlich. Gleich zu Beginn zeigt sie beim Parkplatz eine Pflanze, von der man die Finger lassen muss: Am Aronstab sind alle Pflanzenteile giftig. Gen Herbst reifen die roten Früchte heran, die insbesondere Kinder zum Naschen verlocken.
Café Querbeet: Das Programm
Der Internationale Bund für Sozialarbeit (IB) bietet in seinem Bildungscampus Carlo-Schmid-Haus in der Carlo-Schmid-Straße 40 regelmäßig interessante Mitmachangebote an. Das Café Querbeet versteht sich als »Raum für Ideen, Gedanken und Miteinander« und ist ein Ort der Begegnung für Menschen aller Altersgruppen. Themen der Workshops, Vorträge und Gesprächsrunden sind vornehmlich Natur und Garten, Nachhaltigkeit und Umwelt, Kunst, Kultur und Handwerk, Gesundheit, Ernährung, Bewegung und Entspannung – querbeet eben. (GEA)
Mäßig bis stark giftig sind auch Hahnenfuß, Immergrün und Herbstzeitlose, auch die hübsche Sumpfdotterblume ist »so richtig giftig«. Wie beim Pilzesammeln ist es daher wichtig, sich vorher gut zu informieren, gerade auch wenn Verwechslungsgefahr droht. Bücher helfen weiter, mit Experten spazierengehen, ist aber wohl die beste Methode, um sich ins Thema einzuarbeiten. Denn manche Kräuter haben auch böse Doppelgänger. Der wohl bekannteste und gefürchtetste ist das hochgiftige Maiglöckchen, das Ähnlichkeit mit dem bei Wildkräutersammlern so beliebten Bärlauch hat.
»Gänseblümchen sind gesund und machen glücklich«
Manches ist je nach Jahreszeit mehr oder weniger genießbar, etwa das Scharbockskraut. Die Blätter sind nur vor der Blüte genießbar, peppen Kräuterkäse, Salat oder Dressing auf. »Sobald es aufhört zu blühen, ist es giftig.« »Alles genau anschauen«, bevor man zulangt, rät Christel Ehlers. Generell sei es auch sinnvoll, nichts direkt vom Wegesrand zu nehmen, insbesondere an Orten, an denen viele Hunde Gassi geführt werden.
Für Anfänger eignen sich gute alte Bekannte, die auch im Wasenwald reichlich herumstehen. Als Salat, Suppe oder Saft einer der Küchenstars und »toll gegen Frühjahrsmüdigkeit: Brennnessel ist Superfood«, sagt Ehlers. Flavonoide, Mineralstoffe, Eiweiß, viele Vitamine und pflanzliche Hormone – alles drin und noch viel mehr. Stängel, Blütenknospen und Samen sind essbar. Die Blätter geben einen leckeren Spinat ab. Wer keine Handschuhe beim Ernten dabei hat, greift am besten beherzt zu, rät die Expertin: Dann falle der Schmerz linder aus. Zuhause kann man die Brennhaare dann beispielsweise mit einer Walze wegdrücken.
Auch Löwenzahn dürfte für Jedermann leicht zu identifizieren sein, fast alle Teil sind essbar, auch die Wurzeln. Neben seiner lukullischen Dimension verfügt er wie viele andere Wildkräuter auch über heilende Wirkung, ist krampflösend, antibakteriell und entzündungshemmend. Viel Heilsames steckt auch im Gänseblümchen: »Sie sind gesund und machen glücklich«, findet Ehlers.
Im Garten hat er wenig Freunde – im Wasenwald darf er sich nach Herzenslust austoben: Giersch ist als Spinat oder roh »eines der allerfeinsten Gewächse«, findet die Gärtnermeisterin. »Ich hasse ihn trotzdem«, entfährt es einer Teilnehmerin spontan.
»Total lecker« ist auch der Gundermann, für Christel Ehlers Geschmack: zu süß und sauer vielfältig zu verwenden – und heilsam bei schlechter Haut, Problemen mit Bronchien und Erkältung. Er kann mit Günsel verwechselt werden. Der sei allerdings harmlos, schmeckt nur einfach nicht.
Waldmeister für die Bowle. Walderdbeeren- und Bromerbeerblätter für den Tee. Sauerampfer. Spitzwegerich, Wiesenschaumkraut: Der Wasenwald ist eine einzige Speisekammer, wenn man mit Christel Ehlers unterwegs ist. An einer Stelle dürfen die Spaziergänger sogar mal in einen zarte Fichtentrieb beißen.
Für Outdoorfans hat die Expertin noch Tipps, wenn die Apotheke mal fern ist: Breitwegerich etwa ist gut zum Blasenkühlen und desinfizieren. Schafgarbe »ein Allheilmittel gegen alles, bis hin zu Knochenbrüchen«.
Von März bis Spätherbst ist die Speisekammer gefüllt. Komplett ernähren aus dem Wald wäre grundsätzlich möglich: »Ich würde überleben«, lacht die Expertin. »Mit Bauchkrämpfen wahrscheinlich.« Der Magen müsse ordentlich arbeiten, bei all den ungewohnten Kräutchen, von denen viele geschmacklich eher herb daherkommen. »Und ich wäre ohne Unterlass mit Nahrungssuche beschäftigt.« Ach ja, für die Fleischeinlage kämen noch die Ameisen in Frage: Sie haben viel Vitamin C.
»Schafgarbe ist ein Allheilmittel gegen alles, bis hin zum Knochenbruch«
Wie hält es die Kräuterexpertin mit dem Fuchsbandwurm? »Ach, der ist nicht so gefährlich. Den bringt auch die Katze mit«. Auch hier gilt: »Ab vom Schuss sammeln«. Denn auch Tiere folgen gern bequemen Wegen.
Nach der Info-Tour folgt der Input für den Bauch: Im IB-Gewächshaus schnippeln die Teilnehmerinnen und -nehmer das Grüngut zusammen, um die Kraft der Natur dann in eine göttliche Kräuterbutter zu bannen.
Zum Probieren hat Christel Ehlers etwas Vorbereitetes mitgebracht, das Hasser mit der Pflanze versöhnen dürfte: Das Pesto aus Giersch, Pinienkernen, Oliven und Parmesan ist göttlich. Und auch die Limo kann sich schmecken lassen. Dafür werden Giersch, Bio-Zitrone, Zucker und Wasser einen Tag stehen gelassen. Wenn es eilt, kann man die Zutaten auch einfach mit heißem Wasser übergießen. (GEA)