REUTLINGEN. Den Reutlinger AfD-Stadt- und Kreisrat Hansjörg Schrade hat seine Verurteilung vor einem Jahr wegen Volksverhetzung offensichtlich nicht beeindruckt. Eine Privatperson hat ihn nun erneut wegen »des Verdachts der Volksverhetzung sowie anderer gegebenenfalls in Betracht kommender Straftatbestände« angezeigt. Die Staatsanwaltschaft Tübingen bestätigt den Eingang der Strafanzeige.
Darin geht es um einen Post der »Patriotischen Stimme für Deutschland« des umstrittenen Bauern-Influencers Anthony-Robert Lee, den der AfD-Kommunalpolitiker auf seinem Telegram-Kanal weitergeleitet habe. Darin werde unter anderem vor der »Umvolkung Europas« gewarnt: Bei Pferde- und Hunderassen werde »peinlichst genau auf die Reinhaltung der Rasse geachtet. Bei den europäischen Völkern spielt das keine Rolle«. Weiter werde die »Ausweisung der illegal eingereisten sowie kriminellen Gäste« gefordert. Der Post ist aus Schrades Telegram-Kanal entfernt, im Ursprungskanal jedoch weiter nachzulesen.
»Bei Pferde- und Hunderassen wird peinlichst genau auf die Reinhaltung der Rasse geachtet. Bei den europäischen Völkern spielt das keine Rolle«
Die Formulierung »geplante Umvolkung« sei eine bekannte »rechtsextreme Verschwörungstheorie, die gezielt Feindbilder erzeugt und zum Hass gegen Migranten anstachelt«, argumentiert die Anzeige-Erstatterin unter anderem. Den Vergleich mit der Tierzucht sieht sie als »eine massive Herabwürdigung von Menschen«, die zudem klare Bezüge zur NS-Ideologie der »Rassenreinheit« herstelle. Die Aufforderung zur »Ausweisung der illegal eingereisten sowie kriminellen Gäste« komme einer – ebenfalls justiziablen – »Willkürmaßnahme« gleich.
Die Bürgerin führt zudem an, dass Schrade »Wiederholungstäter« sei. In der Tat wurde der AfD-Politiker bereits im März 2024 wegen Volksverhetzung verurteilt, nachdem er im Februar 2022 in seinem Telegram-Kanal den Brief eines Reutlinger Polizisten an einen Richter geteilt hatte, in dem der Polizist Parallelen zwischen dem Umgang mit Ungeimpften in der Coronapandemie und der Juden-Verfolgung im Dritten Reich zieht. Der AfD-Rat ging nach dem Urteil des Reutlinger Amtsgericht erfolglos in Berufung: Das Tübinger Gericht erhöhte seine Geldstrafe sogar auf 50 Tagessätze zu je 130 Euro. Bereits im Juni 2022 hatte Hansjörg Schrade auf seinem Telegram-Kanal eine Nachricht des bekannten Impfkritikers Dr. Paul Brandenburg geteilt. Auch dies brachte ihm ein Verfahren wegen Volksverhetzung ein, das aber eingestellt wurde.
»Presse macht sich mit Vorverurteilungen zum Vortrupp der Staatsanwaltschaft«
Hat er aus der Verurteilung nichts gelernt? Warum und wann hat er den Post entfernt? Auf konkrete Fragen des GEA geht der Rentner nicht ein, sondern behauptet einmal mehr, dass die Meinungsfreiheit hierzulande »von oben« immer weiter eingeschränkt werde.
Schrade räumt ein, den Text gepostet zu haben, sieht sich aber zu Unrecht im Visier einer möglichen Strafverfolgung: »Wenn ein Post, der im Ursprungskanal über 10.000 Ansichten hat, plötzlich zur Volksverhetzung werden soll, wenn ein Oppositionsfraktionschef der kleinsten Großstadt in Baden-Württemberg ihn für weniger als einen Tag mit etwas über 100 Ansichten gepostet hat, das können Sie den GEA-Lesern dann gerne erklären.«
Schrade kritisiert auch die mediale Thematisierung zu diesem frühen Zeitpunkt: Die Presse mache sich »mit Vorverurteilungen zum Vortrupp der Staatsanwaltschaft«. Er werde »wie beim letzten Mal die Anzeige abwarten und den Rechtsstaat entscheiden lassen«. (GEA)