REUTLINGEN. Der Reutlinger Weihnachtsmarkt ist ein Publikumsmagnet. Über mehrere Wochen lockt er Tausende Besucher in die Innenstadt. Seit 2024 stehen Vildana und Clemens Vohrer als Ehepaar gemeinsam an der Spitze des Organisations-Teams. Unter ihrer Führung wird vieles neu. Doch nicht alles kommt in der Bevölkerung gut an. Der GEA hat die häufigsten Kritikpunkte aus persönlichen Gesprächen, Zuschriften und sozialen Medien gesammelt und die Veranstalter um eine Stellungnahme gebeten.
Hohe Standgebühren
Immer wieder wird von ehemaligen Ausstellern der Vorwurf laut, die Standgebühren auf dem Reutlinger Weihnachtsmarkt seien zu hoch. Clemens Vohrer widerspricht: »Wir sind deutlich günstiger als der günstigste vergleichbare Markt in der Region, der vier Wochen lang stattfindet.« Als konkrete Beispiele nennt er etwa Stuttgart, Esslingen und Ulm.
Wie viel ein Standbetreiber in etwa bezahlen muss, könne er so pauschal nicht sagen. »Das hängt von vielen Faktoren ab: Stromverbrauch, Müllaufkommen, Größe der Hütte und was verkauft wird. Gastronomen zahlen mehr als Einzelhändler und Kunsthandwerker.« Für letztere seien die Kosten in diesem Jahr sogar gesunken.
Geteilter Markt
Viele fragen sich, warum der Reutlinger Budenzauber in zwei Teile - Bürgerpark und Wilhelmstraße - geteilt wurde. Vildana Vohrer stellt klar: »Er wurde nicht geteilt. Es sind zwei verschiedene Weihnachtsmärkte.« Das gebe es auch in anderen Städten und habe den Vorteil, dass man verschiedene Themen unterbringen könne. Doch die Trennung sei nicht ganz freiwillig: »Reutlingen ist gefühlt die einzige Stadt, die den Marktplatz nicht in den Weihnachtsmarkt integriert. Wir hätten den Platz gerne zusätzlich genutzt, um das zu verbinden«, versichert sie. Das Potenzial sei auf jeden Fall da gewesen.
Die Kritik, dass man von einem Weihnachtsmarkt nicht durch entsprechende Hinweise zum anderen geleitet wird, kann sie nachvollziehen. Auch den Unmut darüber, dass nicht ersichtlich ist, wann das »Bähnle« zwischen den beiden Standorten verkehrt. »Natürlich wäre es ideal, eine kleine Bushaltestelle hinzustellen. Wir haben viele Ideen, wissen, wo die Knackpunkte sind. Aber wir können nicht alles auf einmal umsetzen und uns auch nicht alles leisten«, sagt Vohrer.
Kaum Musik
Obwohl man manche Lieder irgendwann nicht mehr hören kann: Zur Adventszeit gehört Weihnachtsmusik. Die hat vielen beim Reutlinger Budenzauber gefehlt, besonders in der Wilhelmstraße. Hauptursache ist, dass die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) für die Abspielerlaubnis rund 13.000 Euro verlangt hat - viel mehr als das, was die Veranstalter kalkuliert hatten. Das Ende vom Lied: Den Künstlern wurde auferlegt, nur GEMA-freie Musik zu spielen. Laut Vildana Vohrer hätten deshalb viele Bands abgesagt.
Trotzdem sei die Bühne im Bürgerpark von Donnerstag bis Sonntag, jeweils nachmittags bis abends, sehr dicht bespielt gewesen. »Eine zweite Bühne an der Marienkirche können wir uns aber nicht leisten. Die GEMA berechnet uns dafür eine viel zu große Fläche«, sagt Vohrer. Die einzelnen Aussteller könnten zwar selbst Musik abspielen, das müsse jedoch gesondert bei der GEMA angemeldet und bezahlt werden sowie zusätzlich mit den Vohrers abgesprochen werden. »Letztes Jahr gab es Beschwerden von Anwohnern, Besuchern und Ausstellern über die Musik. Da müssen wir schauen, dass jeder zufrieden ist.«
Hackschnitzel im Bürgerpark
Der Weihnachtsmarkt im Bürgerpark richtet sein Angebot vorwiegend an Familien. Doch gerade dort, wo viele einen Kinderwagen vor sich herschieben, ist der Untergrund nicht eben, sondern mit Hackschnitzeln bedeckt. Ist das nicht kontraproduktiv? Nein, sagt Clemens Vohrer. »Die Hackschnitzel verhindern, dass der Boden matschig wird.« Der sei nämlich nicht nur geteert, sondern bestehe auch aus Sandflächen. »Bei den Witterungsverhältnissen im Dezember wäre man dort mit dem Kinderwagen viel eher stecken geblieben.« Außerdem hätten die Hackschnitzel auch weitere Vorteile: »Sie halten die Kälte fern und passen zudem besser zum rustikalen Äußeren des Weihnachtsmarkts.«
Leerer Albtorplatz
Das Nikolausdorf am Albtorplatz war so etwas wie das Party-Zentrum des Weihnachtsmarktes. Dort gab es Glühwein- und Essensstände, Livemusik sowie gemütliche Sitz- und Stehgelegenheiten. An manchen Abenden war dort kein Durchkommen. »Leider wird es das in dieser Form an diesem Ort nicht mehr geben - und zwar aus Sicherheitsgründen«, sagt Vildana Vohrer. Beim jüngsten Weihnachtsmarkt hätte der Albtorplatz theoretisch noch zu einem kleinen Teil genutzt werden können. Das habe man jedoch erst im Juli erfahren. Laut Mitveranstalterin zu kurzfristig, um noch einen Aussteller zu finden. Was auf dem Albtorplatz in Zukunft möglich ist, sei derzeit noch nicht klar. Die Sicherheitsstandards werden nach dem Vorfall in Magdeburg jedoch sicher nicht zurückgeschraubt.
Wenig Handwerk
Zu viele Fressbuden, zu wenig Handwerk - diese Kritik am Reutlinger Weihnachtsmarkt ist nicht neu, weiß Clemens Vohrer. Der Hauptgrund für die Zusammenstellung des Angebots sei der Verbraucher. »Der kommt in erster Linie wegen der Gastronomie.« Natürlich würden Einzelhandel und Kunsthandwerk den Weihnachtsmarkt bereichern. »Die meisten kaufen dort aber nichts ein. Und man kann nicht erwarten, dass die handwerklichen Stände ausschließlich als dekoratives Element dienen. Die Aussteller müssen auch Geld verdienen.«
In Tübingen, bei einem Weihnachtsmarkt, der über einen kurzen Zeitraum andauert, sei das einfacher. »Die Leute bereiten sich das ganze Jahr auf diese drei Tage vor, stellen ihre Produkte selber her. Den Verkauf kann man dann für ein Wochenende mit Familie oder Freunden stemmen«, sagt Vohrer. Das sei bei einem Weihnachtsmarkt, der vier Wochen lang geht, anders. »Da braucht man dann Personal und hat außerdem die umsatzschwachen Tage unter der Woche. Das lohnt sich dann weniger.« (GEA)