REUTLINGEN. Entsetzt, enttäuscht, aber auch zufrieden und hoffnungsvoll – so fühlen sich fünf Menschen mit Bezug zur Region, die der Ausgang der US-Wahl direkt oder indirekt betrifft. Entweder, weil sie als US-Staatsbürger in Reutlingen wohnen, oder weil sie oder ihre Vorfahren aus der Region in die Vereinigten Staaten ausgewandert sind. Der GEA hat sie am Tag nach der Präsidentschaftswahl befragt, bei der sich der Republikaner Donald Trump gegen die Demokratin Kamala Harris durchgesetzt hat.
»Ich hatte mich schon darauf eingestellt, dass das Ergebnis so ausfällt«, sagt Hannah Schrade. Die 20-Jährige, in Chattanooga, Tennessee, geboren, zog im Alter von vier Jahren mit ihren deutschen Eltern in die Region. Seit kurzem lebt sie in Reutlingen und macht eine Ausbildung zur Ergotherapeutin. »Meine Verbindung in die USA ist gar nicht mehr so groß«, sagt sie. Gelegentlich mache sie noch Urlaub in den Staaten. Trotzdem wollte sie ihr Wahlrecht unbedingt wahrnehmen: »Das ist ein hohes Gut. Wenn ich schon dieses Privileg habe, muss ich es auch wahrnehmen.« Für sie war die Entscheidung klar: »Natürlich habe ich Harris gewählt. Eine andere Option gab es für mich nicht.« Bis zuletzt hoffte sie, dass mehr Menschen umdenken und für Harris stimmen würden. Angst um ihr Mutterland hat Hannah Schrade jedoch nicht: »Die Leute werden die vier Jahre unter Trump schon überstehen.« Ihre Sorge gilt eher den möglichen Auswirkungen der US-Wahl auf ihre deutsche Heimat.
Miles Tention lebt seit diesem Sommer in Tübingen und läuft für das Team der Tigers Tübingen in der zweiten Basketball-Bundesliga auf. Der 25-Jährige aus Tucson in Arizona hätte gerne gewählt. Aber weil der bürokratische Aufwand zu hoch gewesen sei, sei er nicht schnell genug an die Wahlunterlagen gekommen. »Die Wahlergebnisse zeigen, dass die Amerikaner bereit für einen Wandel sind«, sagt Tention. Zuletzt sei alles, von Miete über Lebensmittel bis hin zu Benzin und Wohnraum, teurer geworden. Kein Wunder also, dass die Bürger unzufrieden seien mit der Regierung unter Präsident Joe Biden und Vize Kamala Harris. »Ich hoffe, dass es jetzt wieder aufwärts geht.«
Größere Sorgen um die USA macht sich Pierce Morrill aus Denton, Texas. Der 33-Jährige hat Verwandte in der Region, die er gelegentlich besucht. Er hat für Kamala Harris gestimmt, »schlichtweg weil sie die kompetenteste unter den Kandidaten ist«. Trump hält er für einen »Idioten, der offen lügt und den Leuten erzählt, er werde versuchen, unsere Demokratie abzuschaffen«. In Trumps erster Amtszeit zwischen 2017 und 2021 habe er erlebt, wie das Leben schlechter wurde. Jetzt befürchtet Morrill, dass sich dies wiederholen wird.
Tobias Prizigoda hat dagegen Verständnis für Trump-Wähler. »Wenn ich wählen dürfte, hätte ich ihn auch gewählt, da ich Unternehmer bin«, sagt der in Detroit wohnende Oferdinger, der vor acht Jahren auswanderte, aber noch kein US-Staatsbürger ist. »Ich glaube, dass er für die amerikanische Wirtschaft der bessere ist.« Der 38-Jährige ist in den USA im Immobiliengeschäft tätig und beobachtete: »Das Geschäft lief in der ersten Amtszeit unter Trump besser als in den vergangenen ein, zwei Jahren.« Prizigoda schätzt an Trump, dass er »ein Macher« sei, der sich mit der Finanzaufsicht anlegt oder Zölle einführt. Als überzeugten Trump-Fan würde er sich jedoch nicht bezeichnen. »Es gibt einige Dinge an ihm, die ich nicht leiden kann«, etwa die Verbreitung von Unwahrheiten. »Wenn es einen vernünftigeren republikanischen Kandidaten gegeben hätte, wäre ich zufriedener gewesen.«
Auch Sascha Hirrle kann nicht wählen, weil er kein Staatsbürger ist. Der Gomadinger, der seit mehr als zehn Jahren in den USA lebt, aktuell in New Orleans, hätte sich aber für Harris entschieden. »Die Stimmung bei mir und meiner Frau ist ziemlich ernüchternd«, sagt der 37-Jährige, der als Projektmanager arbeitet. Für Greencard-Inhaber wie ihn sei »die Lage relativ sicher«, aber viele Deutsche in den USA sorgen sich um ihre Visaverlängerungen. Auch das Schulsystem macht ihm Sorgen, besonders wegen seines fünfjährigen Sohnes. »Während Trumps letzter Amtszeit herrschte Chaos an den Schulen«, erklärt er und befürchtet, dass es erneut Kürzungen im Bildungsbereich geben wird. Auch an Trumps Versprechen zu günstigeren Energiepreisen und einer besseren Gesundheitsversorgung glaubt er nicht. Hirrle und seine Frau denken bereits darüber nach, ob sie ihre Zukunft überhaupt noch in den USA sehen.
Valerie Anderson wählte Harris »vor allem, weil sie nicht er ist«. Die 68-Jährige, deren in Pliezhausen geborene Urgroßmutter einst in die USA auswanderte, hätte der Demokratin zugetraut, eine gute Präsidentin zu sein, besonders wegen ihrer Pläne für das Gesundheitswesen und den Mittelstand. »Die Bedrohung durch das, was Trump diesem Land antun will, ist entsetzlich«, sagt die pensionierte Bibliothekarin. Anderson versteht nicht, wie irgendjemand noch für Trump stimmen konnte. In ihrem konservativen Teil von Texas außerhalb Austins bemerkt sie, dass viele frühere Trump-Unterstützer inzwischen desillusioniert sind. »Sie mögen ihn nicht mehr, aber können sich aus verschiedenen, teils dummen, Gründen nicht überwinden, für eine Demokratin zu stimmen.« Anderson befürchtet, dass sich die Fronten weiter verhärten. Mit ihrem Mann hat sie sogar schon überlegt, das Land zu verlassen, aber sie bleibt entschlossen: »Wir wollen hierbleiben und kämpfen.« (GEA)