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Aktuell Konflikt

Was sich Türken und Kurden aus der Region von der Auflösung der PKK erhoffen

Türken und Kurden aus Tübingen und Reutlingen hoffen auf einen Frieden in der Türkei und weniger Konflikte in der migrantischen Community.

Junge Kurden halten ein Plakat des inhaftierten Anführers der militanten PKK, Abdullah Öcalan.
Junge Kurden halten ein Plakat des inhaftierten Anführers der militanten PKK, Abdullah Öcalan. Foto: Bilal Seckin/dpa
Junge Kurden halten ein Plakat des inhaftierten Anführers der militanten PKK, Abdullah Öcalan.
Foto: Bilal Seckin/dpa

REUTLINGEN/TÜBINGEN. Wie schätzen Türken und Kurden aus Reutlingen und Tübingen die Auflösung der PKK ein? Gibt es nun einen Frieden in der Osttürkei und welche Auswirkungen hat dieser auf die Community hierzulande. Der GEA hat sich umgehört.

Asli Kücük (Grüne), Tübinger Stadt- und Kreisrätin, sowie knapp gescheiterte Bundestagskandidatin, freut sich über das Abkommen zwischen der Türkei und der PKK. »Es ist erfreulich, wenn das Blutvergießen aufhört. Ich glaube es ist allerhöchste Zeit dafür«, sagt die Referentin für politische Bildung. Inwiefern die Auflösung der PKK zu einer eine Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung für alle Bevölkerungsgruppen im Südosten Anatoliens führe sei schwer abzuschätzen. »Ob Erdogan sich an die Beschlüsse hält, ist unberechenbar. Das kann ich nicht einschätzen. Man muss das abwarten«, sagt sie. »Ich wünsche es mir sehr, dass der Frieden hält«, sagt Kücük. Die Auflösung der PKK sei nicht überraschend gekommen, sondern es sei bereits seit einiger Zeit verhandelt worden und habe sich angedeutet. Deshalb habe sie Hoffnung sagt Kücük. Als Sieg Erdogans oder gar Kapitulation der Kurden will sie die Entwicklung nicht verstanden wissen.

Asli Kücük hofft auf ein Ende des Kurdenkonflikts,
Asli Kücük hofft auf ein Ende des Kurdenkonflikts, Foto: PR
Asli Kücük hofft auf ein Ende des Kurdenkonflikts,
Foto: PR

Ramazan Selcuk (SPD) ist ehemaliger Landtagsabgeordneten und Stadtrat in Reutlingen. Er sieht die Auflösung der PKK als positives Zeichen. Er fordert allerdings auch, dass die abgesetzten Bürgermeister der pro-kurdischen Partei wieder eingesetzt werden. »Ich glaube, dass Erdogan für die Verlängerung seiner Amtszeit auf die Kurden angewiesen ist und dass er momentan die sozialdemokratische CHP als größeres Problem für seinen Machterhalt ansieht«, sagt Selcuk. Der SPD-Politiker weist darauf hin, dass die Kurden kein monolithischer Block sind, sondern dass es unter den Kurden auch Leute gibt die Erdogan unterstützen. Selcuk gibt zu bedenken, dass die Türkei derzeit wirtschaftlich in einer schwierigen Situation ist, die die Kurdengebiete in Südostanatolien besonders trifft. »Dort Ruhe reinzubringen, könnte auch wirtschaftlich neue Impulse setzen. Ich sehe vor allem im Kulturtourismus großes Potenzial«, sagt Selcuk. »Sollte es in der Türkei zu einer dauerhafte Befriedung des Kurdenkonflikts kommen, dann würde das sicher auch bei uns in Reutlingen in der türkisch-kurdischen Community viele Konflikte entschärfen«, glaubt Selcuk. Gerne würde Selcuk die türkische Zivilgesellschaft auch mit einer Städtepartnerschaft Reutlingens mit einer türkischen Stadt stärken. Aber: »Wir haben einen sozialdemokratischen Oberbürgermeister und in Istanbul wurde ein sozialdemokratischer Oberbürgermeister abgesetzt und im Gefängnis eingesperrt – so lange die Situation in der Türkei so aussieht, sehe ich da keine Perspektive für eine Städtepartnerschaft.«

Ramazan Selcuk fordert, dass die kurdischen Bürgermeister wieder eingesetzt werden.
Ramazan Selcuk fordert, dass die kurdischen Bürgermeister wieder eingesetzt werden. Foto: Privat
Ramazan Selcuk fordert, dass die kurdischen Bürgermeister wieder eingesetzt werden.
Foto: Privat

Mert Akkiceli ist ebenfalls SPD-Gemeinderat in Reutlingen. Weil seine Cousine als Lehrerin in Südostanatolien arbeitet, bekommt er immer wieder Berichte über die Situation dort. »Ich hoffe, dass es Erdogan ernst meint mit dem Frieden und es nicht nur Machtkalkül ist«, sagt Akkiceli. So richtig daran glauben, kann er das nicht. »Jeder in der Türkei hofft auf einen Frieden im Kurdenkonflikt und Erdogan kann das kurdische Volk nicht einfach ignorieren. Das sind 20 Millionen Menschen.« Der Frieden sei jedoch ein langer Prozess, sagt Akkiceli. Zum Konflikt zwischen der türkischen und kurdischen Gemeinschaft in Deutschland sagt Akkiceli: »Ich habe das selbst hier in Reutlingen nicht erlebt, aber ich weiß, dass es den Konflikt hier gibt.« Eine Städtepartnerschaft Reutlingens mit einer türkischen Stadt würde Akkiceli grundsätzlich begrüßen, hält aber den Zeitpunkt wegen der finanziellen Situation Reutlingens für ungünstig.

Berivan Dur studiert in Tübingen Philosophie und Islamwissenschaften. Die 37-jährige ist kurdische Jesidin und im Alter von drei Jahren nach Deutschland gekommen. »Ich habe keine andere Wahl, als Hoffnung zu haben«, sagt sie zur Nachricht über die Auflösung der PKK. Welche Zugeständnisse den Kurden gemacht wurden, kann Dur nicht einschätzten. Sie sieht allerdings eine große Chance für die kurdische Gemeinschaft in Deutschland. Immerhin war die PKK – von der sich Dur distanziert – auch in Deutschland als Terrororganisation. »Wir Kurden wurden mit der PKK gleichgesetzt und kriminalisiert. Viele von uns haben gesagt, dass sie aus der Türkei kommen und sich nicht zu ihrer kurdischen Identität bekannt. Ich hoffe, dass das jetzt mehr Leute hier tun können«, sagt die Studentin. Auch in Deutschland habe sich die kurdische Gemeinschaft von der türkischen unterdrückt gefühlt. »Das türkische Konsulat hat die Leute aufgefordert, Namen zu nennen, die hier in Deutschland die PKK unterstützen.«, gibt Dur zu bedenken. »Ich wünsche mir, dass meine Kinder ohne Nationalismus und ohne diesen Hass aufwachsen. Ich habe diese Kriege und diesen Hass so satt und ich bin auch kein Fan der PKK, weil die auch Hass verbreiten«, sagt Dur. »Ich habe viele türkische Freundinnen und ich bin stolz auf alle Identitäten, die ich habe: deutsch und türkisch und jesidisch und kurdisch.« Deutschland wolle sie für seinen Umgang mit Kurden nicht kritisieren: »Das Land hat mich aufgenommen hat und ich darf hier so sein, wie ich bin.« (GEA)