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Aktuell Versammlung

Was sich Reutlinger Igelschützer für ihre Arbeit wünschen

Die Igelschutz-Interessengemeinschaft Reutlingen hat sich getroffen, hatte einen stacheligen Gast dabei und fordert mehr Unterstützung.

Melanie Bauer mit einem Igel in der Igelstation in Riederich.  FOTO: ECKELT
Melanie Bauer mit einem Igel in der Igelstation in Riederich. Foto: Natalie Eckelt
Melanie Bauer mit einem Igel in der Igelstation in Riederich.
Foto: Natalie Eckelt

REUTLINGEN. Die Mitglieder der Igelschutz-Interessengemeinschaft Reutlingen treffen sich einmal im Jahr zu einer Mitgliederversammlung. Neben den 20 anwesenden Igelfreunden war diesmal in der Reutlinger Gaststätte im Hofgut Alteburg auch ein besonderer Gast zugegen: ein waschechter Igel. »Als ich zur Mitgliederversammlung loswollte, bekam ich einen Anruf von einer Frau, dass sie in der Reutlinger Innenstadt einen schwachen Igel gefunden hat«, erzählt Melanie Bauer, Leiterin der Igelstation in Riederich. »Der Igel war tagaktiv, was zeigt, dass es ihm eindeutig nicht gut ging. Aber ich erklärte ihr, dass ich jetzt keine Möglichkeit habe, ihn aufzunehmen, weil ich auf dem Sprung zur Mitgliederversammlung war.« Kurzerhand bot sie der Frau an, den Igel zum Lokal zu bringen. Dort wurde der stachelige Patient erstversorgt.

Igel auf der Roten Liste

»Das war das erste Mal, dass wir live einen Igel dabeihatten. Alle waren ganz besorgt um ihn.« Das ist eben Alltag im Igelverein. »Wir bekommen Anrufe teils bis spät in die Nacht, auch am Samstag und Sonntag«, berichtet Eberhard Luik, der erste Vorsitzende des Vereins. »Oft bekomme ich auch Anrufe von der Polizei Reutlingen, weil ich dort im Leitsystem als für Igelnotfälle zuständig registriert bin. So manchen komatösen Igel konnten wir schon retten. Es ist toll, wenn man einen tot geglaubten Igel wieder richtig in die Spur bekommt und wieder in die Freiheit entlassen kann.«

Das Igelmännchen aus der Reutlinger Innenstadt bekam den Namen Lothar. Lothar wurde dann, umringt von den Igelfreunden, Zeuge des Berichts des Kassiers Herbert Bauer, der mitteilte, dass die Ausgaben des Vereins weit über die Einnahmen durch die Spendengelder hinausgehen. »Erstmals gilt der westeuropäische Igel laut der internationalen Roten Liste als potenziell gefährdet«, so Eberhard Luik. »Es wäre im Sinne des Artenschutzes dringend geboten, dass es für Organisationen, die sich dem Wildtierschutz widmen, endlich Unterstützung durch die Gemeinde, das Land oder den Bund gibt.« Die wäre absolut notwendig. Allein letztes Jahr wurden in der Igelstation im September 120 Igelbabys gepäppelt und verpflegt.

»Igel sind so liebe Tiere«, sagt Melanie Bauer. »Sie tun niemandem was und leiden so schwer unter uns Menschen, zum Beispiel an der Trockenheit durch die globale Erwärmung oder durch Mähroboter, die ihnen schreckliche Verletzungen zufügen und sie verstümmelt zurücklassen.« Der Igel leide auch massiv darunter, dass sein Habitat mehr und mehr zerstört wird. »Wo es früher Gartenflächen und Hecken gab, mit unaufgeräumten Ecken und Wildwuchs hier und da, wird jetzt gerodet, nachverdichtet und versiegelt«, sagt Eberhard Luik. »Kaum ist das Neubaugebiet ›Blue Village‹ entstanden, gingen die Notfälle aus dem Römerschanzgebiet durch die Decke.«

In der Igelstation werden die Tiere von Zecken und Flöhen befreit, gefüttert und gesund gepflegt. In manchen Fällen ist das sehr zeitaufwendig. »Wenn ein Igel zum Beispiel Hautpilz hat, dauert die Behandlung Wochen«, erklärt Melanie Bauer. Das ehrenamtliche Helferteam rund um die Igelexpertin kommt mit dem Pflegen und vor allem dem Putzen der Käfige immer wieder an seine Grenzen.

Doch die Igelnotfälle reißen nicht ab. Die kleine Zweigstelle der Igelstation in Ohmenhausen kann nicht weiter betrieben werden, was bedeutet, dass noch mehr Igel in Riederich landen werden. Die Mitglieder überlegen, ob sie durch eine verstärkte Präsenz in den sozialen Medien und im Internet mehr Aufmerksam für ihre Arbeit erzielen könnten.

Aber das kostet alles Zeit. Und dann hat der Verein auch noch einen Trauerfall zu beklagen. Die Gründerin des Vereins Gudrun Kuhnke, die die Interessengemeinschaft in den 1970er-Jahren ins Leben gerufen hat, ist unlängst im Alter von 91 Jahren im Pflegeheim verstorben.

»Ich habe so viel von ihr gelernt«, erzählt Melanie Bauer. »Sie hat uns gezeigt, worauf man bei der Igelpflege achten muss, und sie hat das mit so viel Herz und Liebe getan.« Gudrun Kuhnke war für ihr Lebenswerk auch vom Land Baden-Württemberg mit der silbernen Ehrennadel ausgezeichnet worden. »Sie hat Tausenden von Igeln das Leben gerettet. Wir sind ihr so dankbar für alles.«

Lothar geht es besser

Dankbar ist auch Lothar. Obwohl er die ersten zwei Tage nicht gefressen hat, nahm er dann langsam an Gewicht zu. Die Teilnehmer der Mitgliederversammlung erkundigen sich immer wieder nach ihm. Die Begegnung mit ihm war für sie etwas ganz Besonderes. Lothar hatte Glück, dass die aufmerksame Finderin ihn gleich beherzt in die besten Hände gegeben hat. Jetzt hat er eine Chance auf ein hoffentlich langes und glückliches Igelleben.

Die Igelstation freut sich über Spenden. Auf Instagram kann man auf @igelstation.riederich mehr über die einzelnen Igelschicksale erfahren. (GEA)

 

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