REUTLINGEN/TÜBINGEN/GOMARINGEN. Vier Paare unterschiedlichen Alters, die an verschiedenen Stationen ihres Lebenswegs stehen, erzählen, weshalb sie die Reise zu zweit unternehmen. Warum sie die Zweisamkeit lieben und allen Widrigkeiten zum Trotz an der Partnerschaft festhalten: Despina und Athanasios Giannakou seit 66 Jahren, Angela und Marcus Schur seit bald 23 Jahren, Bianca und Tim seit 14 Jahren, sowie Paula und Paul, die auf eineinhalb gemeinsame Jahre zurückblicken.
65 Jahre verheiratet - und keinen Tag bereut
Zur Eisernen Hochzeit von Despina und Athanasios Giannakou ist vor wenigen Tagen der Reutlinger Oberbürgermeister höchstpersönlich ins feierlich geschmückte Heim in der Lindachstraße gekommen. Thomas Keck überbrachte Blumen, Wein, Saft, Tee sowie Glückwünsche des Ministerpräsidenten - und outete sich als Griechenland-Fan. Denn das Jubelpaar gehörte zu den ersten »Gastarbeitern«, die aus dem kleinen griechischen Bergdorf Pirgi-Drama - etwa 200 Kilometer nördlich von Thessaloniki - in die Stadt an der Echaz kamen. Harte Zeiten waren das. Zu Hause, wo es außer der kargen Landwirtschaft keine Arbeit gab, ebenso wie im Gastland, dessen Sprache sie nicht kannten, und wo ein Raum in einer Baracke als einzig verfügbare Unterkunft wartete. Die Kinder mussten sie bei den Großeltern zurücklassen.
Doch alle Hürden, die ihnen das Leben stellte, haben die beiden mit Zuversicht und Stärke gemeistert. Sie wirken nach 66 Jahren als Paar - 65 davon mit dem Segen der Kirche - so verliebt wie am ersten Tag. Davon erzählen die dreifachen Eltern, sechsfachen Großeltern und bald vierfachen Urgroßeltern, die sich zum Festtag im Dirndl und Anzug in den griechischen Nationalfarben Blau und Weiß herausgeputzt haben, mit blitzenden Augen: Für beide war es Liebe auf den ersten Blick. Als Athanasios' Werben um die schöne 15-Jährige mit kleinen Geschenken und selbstgeschriebenen Liedern bei heimlichen Treffen nach zwei Jahren Früchte trug, haben beide nicht mehr lang gefackelt. Mit 21 habe er die noch nicht ganz 18-Jährige »geklaut«, erzählt Despina. So sage man auf Griechisch. Nachdem sie miteinander durchgebrannt waren, ließen sie die Verlobung aus und haben gleich geheiratet.
Zweisamkeit in Deutschland
»Die Schwiegermutter war begeistert«, erinnert sich die 83-Jährige. »Der Vater nicht«, ergänzt ihr 86-jähriger Mann, »weil die Braut zu dünn war.« Beide lachen. »Das war eine schöne Zeit«, sinniert die schwäbische Griechin, die froh war, in Deutschland der klassischen Rollenverteilung ihrer Heimat zu entkommen. In Deutschland waren beide gleichberechtigt und genossen von 1965 an in vollen Zügen die Zweisamkeit - trotz der Sehnsucht nach der damals vierjährigen Tochter und dem zweieinhalbjährigen Sohn.
»Ich wollte zwei Töchter haben und einen Sohn«, sagt Despina. »Und das hat geklappt.« Denn elf Jahre später kam in Reutlingen noch Tochter Stella zur Welt. Überhaupt, meint die strahlende Rentnerin: »Wenn man morgens aufsteht, soll man zufrieden sein.« Was ist das Faszinierende am Paarsein? »Die tiefe Liebe«, sagen beide unisono. Dazu das gegenseitige Verständnis, Ehrlichkeit und Wertschätzung, sagt Despina. »Vollstes Vertrauen« ist auch Athanasios ganz wichtig. »Wir haben nie ernsthaft gestritten und waren nie getrennt voneinander.« Trotzdem habe jeder die eigene Persönlichkeit beibehalten. Klar gelte es, hie und da Zugeständnisse zu machen. »Wir zwei müssen uns erst mal einig sein«, wurde den Kindern vermittelt. Denn: »Demokratie fängt zu Hause an«, ist der Jubilar, der zwei Legislaturperioden lang im Ausländerrat der Stadt vertreten war, überzeugt.
Seit 23 Jahren unzertrennlich
Wie finde ich den Traumpartner? Einfach mal an den Brunnen auf dem Tübinger Marktplatz setzen und ein Bier aufmachen. Eine Erfolgsgarantie gibt es dafür natürlich nicht, doch bei Angela und Marcus Schur aus Gomaringen hat das geklappt. Der damals noch bei seinen Eltern lebende 17-Jährige hatte sich dort nach einem Kinobesuch mit Freunden niedergelassen, als die Pfrondorfer Schülerin mit einer Freundin vorbeiging - und sich die beiden spontan dazusetzten. »An einem Freitag war das, Ende August«, erinnert sich die heute 39-jährige zweifache Mutter. »Erst dachte ich, die sind schon Studenten und sagte zu meiner Freundin, nee, die sind zu alt«, erzählt sie lachend. »Das war 'n richtiger Zufall«, sagt ihr ebenfalls 39-jähriger Mann.

Fast 23 Jahre später haben der Betriebswirtschaftler und die gelernte Industriekauffrau, die später noch VWL studierte und heute in der IT-Schnittstellenprogrammierung arbeitet, einen zehnjährigen Sohn, eine achtjährige Tochter, ein eigenes Haus mit Garten - und sind noch immer froh, dass es damals »gleich gefunkt hat«, wie Angela erzählt. »Wenige Tage später waren wir ein Paar.« Marcus ergänzt: »Ab da waren wir eigentlich unzertrennlich.« 2007 sind sie zusammengezogen, und seit 16 Jahren sind die beiden verheiratet.
Grundlage für eine funktionierende Beziehung ist definitiv der Humor, sind die beiden überzeugt. Und gemeinsame Interessen: Beide lasen schon immer gern und lieben das Reisen. Dabei gehen die Vorstellungen vom idealen Urlaub durchaus auch mal auseinander: Er findet Tulpen in Amsterdam langweilig; für sie sind mehrtägige Wandertouren anstrengend. Doch Meinungsverschiedenheiten und Streit gehören in einer Beziehung dazu. »Wer nicht mehr streitet, dem ist es egal«, meint Marcus. Auch die Kindererziehung biete Konfliktstoff. Da gilt bei Schurs: »Im Ziel sind wir uns einig, auch wenn der Weg unterschiedlich sein kann.« Beide seien zielstrebig, aber ungeduldig. So lasse die Versöhnung nie lange auf sich warten. Denn für Angela wie für Marcus ist klar: Selbst wenn sie nach 22 Jahren noch getrennte Konten führen und jeder mal Zeit für sich alleine braucht - »mit der Familie macht's mehr Spaß«. Seit ihrer Hochzeit gehört zu den gemeinsamen Aktivitäten neben Gesellschaftsspielen auch der feste Tanzkreis. Von Anfang an hatten beide »einen Plan, was wir vom Leben erwarten«, sagt Angela Schur. »Und der war deckungsgleich.«
Das verflixte 7. Jahr schon vor der Ehe überstanden
14 Jahre zusammen und seit sieben Jahren verheiratet sind Bianca und Tim Gühring. »Das verflixte siebente Jahr haben wir aber schon vor unserer Ehe hinter uns gebracht«, sagt die 37-Jährige lachend. Ihr Mann ist »auf den Tag genau gleich alt« und beide sind Juristen. Das spielt aus Sicht des mit einem zwei- und einem sechsjährigen Buben in Rommelsbach lebenden Paars eine Rolle, da dadurch das Verständnis für zum Teil ungewöhnliche, auch mal ausufernde Arbeitszeiten des Partners einhergeht. »Am Single-Sein hat mich genervt, dass die meisten Männer, die ich kennengelernt hab', noch in der Phase waren, ich tobe mich mal aus.« Umso mehr schätze sie in der Beziehung zu ihrem heutigen Mann, »dass ich weiß, wir gehören zueinander. Er ist mein Gegenpart, gibt mir Stabilität.« Das habe schnell gepasst. »Tim ist der Typ, der jeden Quark mitmacht, dabei vielleicht stöhnt und die Augen verdreht, aber doch hinter mir steht.«
Zusammenhalt und gegenseitige Unterstützung ist gerade bei dem »plötzlichen Riesenchaos«, das durch die beiden »kernigen Jungs«, durch Berufsstart und Umzüge über das Paarleben hereinbrach, auch für Tim Gühring essenziell. Dabei sieht er es als Luxus an, dass die Großeltern einmal die Woche, wenn er mit Bianca den Tanzkurs in Reutlingen besucht, babysitten. Gerade in der »superschönen, spannenden, aber eben auch pausenlos fordernden Phase mit kleinen Kindern« brauchen sie diese gemeinsame Auszeit.
Auch bei ganz jungen Paaren: Geborgenheit ist wichtig
Paul Ellinger (23) und Paula Jagsch (22) sind erst seit eineinhalb Jahren ein Paar. Die Tübinger Studentin sagt, »das Schöne am Paarsein für mich ist, dass man in einer guten Beziehung immer eine Person hat, der man gerne Dinge anvertraut und bei der man sich geborgen fühlen kann«. Zudem schätzt sie, dass man in einer festen Beziehung »viel voneinander lernen kann, wenn man die Welt auch aus der Perspektive des Partners oder der Partnerin sieht«.
All seine Gedanken mit der Partnerin austauschen zu können, das fasziniert den Neuffener Studenten an der Zweierbeziehung. »Ohne sich dabei verstellen zu müssen.« Außerdem genieße er »die Gewissheit, dass man eine Person hat, bei der man sich geborgen fühlen kann«. Ihre Einschätzungen seien »nicht sehr unterschiedlich«, meint die gebürtige Karlsruherin entschuldigend. Vielleicht gehört aber ja gerade das zu einer gelingenden Paar-Geschichte dazu. (GEA)