REUTLINGEN. Als Fernsehkoch wurde Vincent Klink bekannt, doch eigentlich wollte er Künstler werden. Koch wurde er wegen seines Vaters und eines Papageis, wie der 75-jährigein der Reutlinger Stadtbücherei 150 Interessierten erzählte. Ausverkauftes Haus, obwohl es nichts zu Essen gab. »Ich habe einmal musiziert und Würste gemacht und da wollte jeder nur diese Würste und keiner hat auf die Musik gehört – seither gibt es bei meinen Lesungen nicht mehr zu essen«, begründete Klink.
Klink kam leicht verspätet, da er sich in Stuttgart ins Flötenspiel vertieft (»Ich hatte einen Bombenton, den hab’ ich nicht immer«), dabei die Zeit vergessen und anschließend in Reutlingen die Stadtbücherei nicht gefunden habe: »Meine längste Wanderung der letzten Jahre«.
Sein Vater, ein Amtstierarzt und neurotischer Hobbykoch habe gewollt, dass er Koche werde. »Er war im Krieg Schwergewichtsmeister bei der Wehrmacht und auch der einzige Mensch weltweit, der es geschafft hat, bei einem Mercedes das Lenkrad abzureißen – so einem widerspricht man nicht «, erzählte Klink.
»Nackte Frauen abzeichnen erschien mir attraktiver als kochen«
Als er Anfang der 1970er Jahre in München beim Restaurant Humplmayr gearbeitet habe, da habe er es nicht mehr ausgehalten: »Wir mussten schuften wie die Grubenpferde«. Deshalb habe er Kunst studieren wollen und auch schon eine Zulassung gehabt. »Nackte Frauen abzeichnen erschien mir attraktiver als kochen. Für uns Köche waren Frauen doch unbekannte Wesen«. Deshalb habe er zum Catering-Unternehmen Feinkost Käfer wechseln wollen, um abends zu arbeiten und mittags zu studieren. Doch der Käfer-Chef lehnte seine Bewerbung mit den deftigen Worten »Schleich di’, du Arschloch « ab. Allerdings habe er im Vorzimmer einen Papagei gehabt, der das letzte Wort noch mehrmals wiederholt habe. »Deshalb habe ich nicht Kunst studiert, sondern bin Koch geblieben. Wegen eines Papageis«, erzählt Klink.
Eine gute Berufswahl, wie sich zeigte. 1974 eröffnete Klink mit 25 Jahren in Schwäbisch Gmünd sein erstes Restaurant, den Postillon. 1978 erkochte er sich seinen ersten Michelinstern. 1991 eröffnete er dann in Stuttgart-Degerloch die Wielandshöhe, die ebenfalls einen Stern bekam und heute von seiner Tochter geführt wird. »Ich habe ein hochmotiviertes Team von 26 Leuten, weil ich denen als Seniorchef nicht dazwischenpfusche, sondern mich weitgehend heraushalte«, sagt Klink. Die Fluktuation in der Gastronomie hänge seiner Meinung nach damit zusammen, »dass die Mitarbeiter nur noch das Soßenpäckle aufreißen und die Tiefkühlpommes frittieren« – das sei so langweilig, dass Köche die Lust am kochen verlieren. Wichtig seien die guten Zutaten. »Ich habe noch nie mit einem Lebensmittelerzeuger über den Preis verhandelt. Von Lebensmitteln wird kein Bauer reich. Die sind eh eher zu billig.«, sagt Klink.
Vorbild Martin Wieland
Wielandshöhe heißt das Lokal nach seinem literarischen Vorbild Christoph Martin Wieland, einem Dichter der Weimarer Klassik und gebürtigem Biberacher. »Die Klassik ist für mich der Höhepunkt der deutschen Literatur und Wieland ist der analytischste der Weimarer Dichter«, so Klink. Goethe sei dagegen überschätzt, auch wenn er einige »eingängige Gedichte« geschrieben habe. Klink habe außerdem eine besondere Beziehung zu Biberach, weil ihn sein Opa nach dem Krieg dorthin mitgenommen habe, um Honig gegen ein Gemälde von Johann Baptist Pflug einzutauschen. Als man das Bild später dem Biberacher Pflug-Museum gegeben habe, habe sich herausgestellt, dass es offenbar eine Fälschung war. Sein Opa habe im Krieg und danach den Honig seiner 50 Bienenvölker gegen Kunst eingetauscht. Seinen Enkeln habe er dagegen kein Honigbrot gegönnt. Auch als Andenken an seinen Opa halte er sich als Hobbyimker heute noch ein Bienenvolk, erzählt Klink
Auf der Wielandshöhe hat Klink neben einer umfangreichen Bibliothek auch ein Schreibhäusle, in das er sich zum Schreiben zurückzieht. Dort entstand auch sein jüngstes Werk »Mein Schwaben«, das er als Herzogtum Schwaben in den Grenzen des Jahres 1000 und anhand des Dialektes definiert. »Ich bin ein alter Romantiker und die heutigen Staatsgrenzen taugen nicht so zur Romantik«, sagt er.
»Die Schwaben haben die französische Küche erfunden«
Klink hält es mit dem Stauferkaiser Friedrich II, der von seiner Mutter das Königreich Sizilien erbte und gemeindet die italienische Mittelmeerinsel in die schwäbische Kulturlandschaft ein. Schließlich hätten die Olivenbauern dort ähnliche Charakterzüge wie die Landwirte auf der Alb und er gebe »in Palermo auch nicht mehr Mafiosi als in Stuttgart«, so Klink. Dieser schwäbisch-sizilianische Kaiser Friedrich II. habe allerdings eines der ersten Kochbücher schreiben lassen, das später über die Bourbonen in Frankreich gelandet sei. »Man kann also sagen, dass die Schwaben die französische Küche erfunden haben«, folgert Klink.
Kultur ohne Einkehren ist nichts
Ansonsten schreibt Klink über Tagesausflüge im Schwabenland. »Wichtig ist, dass überall, wo ich mir etwas anschaue, auch eine Wirtschaft ist. Weil nur Kultur ohne Einkehren, das ist auch nichts.« Einer der im Buch beschriebenen Ausflüge führte zum Einsiedel zwischen Pfrondorf und Kirchentellinsfurt, wo Herzog Eberhard im Bart zwölf Adlige, zwölf Bauern und zwölf Pfarrer zusammenleben ließ und sich nicht vorstellen konnte, dass das gut geht. »Für einen Adligen der damaligen Zeit waren wir alle, die wir hier sitzen, doch keine vollwertigen Menschen, eher noch ein bisschen wie Tiere.« Heute noch steht auf dem Einsiedel der Weißdornbaum, den Eberhard pflanzte. »Vielleicht hatte er auch einen, der ihm den Spaten bediente«, fügt Klink hinzu.
Zum schwäbischen Charakter sagt Klink, dass es diesen nie rassisch-sortenrein gegeben habe. »Es gibt keine Menschenrassen, denn Rassen sind immer gezüchtet«. Im Schwabenland seien die Gemütslagen unterschiedlich, da »das Leben auf der Alb immer schon etwas härter war, als unten, wo der Wein wächst.« Der Charakter der Schwaben schwäche sich durch die Migration ab, was auch gut sei. »Früher war die Anzahl verkniffener Kostverächter in Stuttgart größer als heute«, findet Klink.
Um die Zukunft des Schwabenlandes sei ihm ob dem Erfindungsreichtum seiner Ingenieurskunst nicht bange: "Ich mag das Wort Tüftler nicht, weil das klingt nach Hobbymurkser". Bei ihm würden die Geschäftsführer von Firmen essen, die Dinge herstellen, die er auch nach einer Erklärung nicht verstünde. "Ich sag mir immer, wenn ich das nicht verstehe, dann versteht es der Chinese auch nicht so leicht und kann es nicht so leicht nachmachen. (GEA)