REUTLINGEN-BRONNWEILER . Wie lebt es sich in Bronnweiler? Bei einem lebendigen Lokaltermin haben GEA-Redakteurinnen Stimmen und Stimmungen eingefangen. Themen wie Windkraftausbau, unzureichender Hochwasserschutz und ein allzu farbenfrohes Kinderhaus treiben die Bürger um. Dominant wahrnehmbar ist jedoch – soviel sei vorab verraten – ein Wohlgefühl: Der zweitkleinste Reutlinger Teilort im sonnigen Süden der Kernstadt bietet Dorfgemeinschaft im besten Sinne des Wortes.
Verkehr
Welches Tempo sollte man auf der Hauptstraße fahren? Da gehen die Meinungen auseinander. »In großen Teilen Tempo 30«, findet Eva Eckstein. »Das ist für mich eine Lärm- und auch eine Gefahrenfrage.« Sonja Schneider-Bross stört wie die meisten jedoch vor allem »das Stückleswerk«, sie plädiert daher für ein einheitliches Tempolimit. »Mal 30, mal 40, mal 50 – das macht doch keinen Sinn.«
»Es gibt einfach keine gute Busverbindung von Bronnweiler in den Landkreis Tübingen«, beklagt Sabine Buder. Nur dreimal am Tag fahre ein Bus nach Gomaringen. Sie wünscht sich eine regelmäßige Verbindung den ganzen Tag über. Sonja Schneider-Bross musste eine Zeit lang zur Krankengymnastik nach Gomaringen. Sie fuhr von Bronnweiler erst nach Reutlingen, um dort auf den Bus umzusteigen, der über die Härten schließlich nach Gomaringen fährt: zweieinhalb Stunden one way. Gomaringen und das ebenfalls nahe Gönningen sind interessante Destinationen, weil es dort neben Ärzten auch Einkaufsmöglichkeiten gibt.
Kritisiert werden auch die Preise für die Bustickets: Insbesondere nach Gomaringen fielen 4,50 Euro an, weil eine Kreisgrenze überschritten wird.
Infrastruktur
Eva Eckstein bedauert sehr, dass der Bäcker Künstle geschlossen hat. Sie lasse sich ihr Brot nun vom Frühstücksdienst Morgengold liefern, »aber mir fehlt nun einfach ein Dorftreffpunkt«. Wäre ein Tante-M-Laden eine Idee für Bronnweiler? Prüfen könnte man das auf jeden Fall, findet sie. Oktavia Eichel hofft, dass Bronnweiler nicht immer mehr zum »Straßendorf« wird. Auch sie bedauert die Bäckereischließung, den Wegfall eines niedrigschwelligen Treffpunkt-Angebots. »Ich hätte mir von Stadtseite mehr Unterstützung gewünscht«, sagt sie. »Wir haben viele kreative Menschen in Bronnweiler – deren Ressourcen muss man nur bündeln und nutzen.«
Corinna Karls hat generell den Eindruck, dass »die Bezirksgemeinden im Stich gelassen werden«. Die Stadt verspreche viel, aber es passiere nichts. »Das frustriert.« Die Bezirksgemeinderätin treibt auch die Sorge um, dass das Feuerwehrhaus, das vor rund drei Monaten abgerissen worden sei, so schnell nicht ersetzt werde. Für Unmut sorgt auch das Dauerbrennerthema Riedwiesen, das lange schon brachliegende Baugebiet: »Wenn nichts geht, wollen wir unserer Äcker zurück.«
Hochwasserschutz
Sonja Schneider-Bross bedrückt das Thema Hochwasser. Sie lebt angrenzend an die Wiesaz. Bei Starkregen komme das Wasser in ihrem Keller hoch, bei Nachbarn sei dies ebenso der Fall. Während beispielsweise in Betzingen der Hochwasserschutz vorangetrieben wird, fühlt sie sich in Bronnweiler alleingelassen. »Wir brauchen irgendeine Lösung«, sagt sie – »beispielsweise ein Rückhaltebecken«. »Mit Blick auf zunehmende Extremwetterlagen« wüchsen im Dorf Ungeduld und Sorge, berichtet auch Ute Schmid. »Da muss sich was tun. Besser heute als morgen.«
Windkraft
Heißes Eisen im Ort: Die Potenzialflächen für Windräder im Bereich Plattach und Käpfle. Willi Neu fürchtet, dass Bronnweiler nach den bisher vorgelegten Plänen des Regional-Verbands in eine "Klammer von Windrädern" gerät, weil auch Potenzialflächen der Nachbarkommunen nah dran sind. Er fordert, dass andere Flächen im Stadtgebiet nochmals untersucht werden. Derweil ist Carina Zürn beim Thema Windkraft hin- und hergerissen ist. "Rotoren auf dem Käpfle kann ich mir nur schwer vorstellen." Dagegen stehe das "Sankt-Florians-Prinzip. "Das ist ein echtes Dilemma." Eva Eckstein ist absolut für Windkraft, wenn sie weit genug wegsteht von der Wohnbebauung. "Ich kenne auch viele andere Menschen in Bronnweiler, die das so sehen."
Werner Lins, Verfechter des Erneuerbare-Energien-Einsatzes und Pionier der E-Mobilität, der schon vor über zehn Jahren mit einem umgebauten E-Twingo durch die Region gefahren ist, missfallen die Debatten um ein paar Windräder, die im Stadtgebiet aufgestellt werden sollen. Ein bescheidener Beitrag sei dies verglichen mit dem, was manche Gemeinde im windreichen Norden der Republik auf sich nehmen müssten für die Energiewende. Er regt auch an, mehr Photovoltaik-Anlagen auf die Dächer zu legen.
Zu wenig Wind, beengte Verhältnisse zudem in Naherholungsgebieten: Auch Gerd Schwarz sieht die möglichen Bronnweiler Windmühlenstandorte kritisch. Nicht nur auf Dächern: Im Bereich Plattach statt Windkraftanlagen mit 270 Metern Nabenhöhe eine größere PV-Freiflächen-Anlage zu installieren, das kann sich Schwarz indes gut vorstellen.
Das neue Kinderhaus
»Legohaus«, »Paketannahmestelle«: Das neue Kinderhaus im Taubbronnenweg mit der gelb-weißen Fassade in Fliesenoptik treibt Pulse hoch. »Das ist eine Farbenschachtel – das gefällt mir nicht«, sagt Paul Baumann. Sabine Buder findet die Fassade schlicht »gruselig«. Nikolaus Nebgen versteht nicht, dass man den »Schandfleck« zudem noch völlig in Beton ausgeführt hat: »Da wurde nicht auf Nachhaltigkeit gesetzt.« Nur Willi Neu findet den Kindergarten gelungen. »Ist doch mal etwas anderes. Ich finde die Farbigkeit schön.« Auch die nun im Ortskern prominent platzierte metallumhauste Wärmepumpe der Betreuungseinrichtung missfällt erheblich: Corinna Karls räumt ein, dass man im Bezirksgemeinderat angenommen habe, dass der Kasten nach hinten kommt.
Dorfgefühl: Anonymität ein Fremdwort
Sabine Buder lebt seit 13 Jahren in Bronnweiler und ist zufrieden. »Es lebt sich gut hier – aber ja, man muss schon auf die Leute zugehen, wenn man Anschluss haben will.« Auch Oktavia Eichel, seit 35 Jahren Bronnweilerin, ist zufrieden. »Ich fühle mich sehr wohl hier. Man lebt in einem kleinen Dorf – und ist trotzdem mittendrin.« Nach Tübingen, Reutlingen und auch auf die Alb sei es nur ein Katzensprung.
Für Ute Schmid ist Bronnweiler ein »Wohlfühlort, in dem Gemeinschaft gepflegt wird und Anonymität ein Fremdwort ist. Wer Anschluss möchte, bekommt ihn: in den Vereinen, in der Kirchengemeinde, bei Hocketen und im Gasthaus Rose«.
Auch »Pauli vom Tal der ewigen Sonne«, der alle duzt und seinen echten Namen nicht sagen möchte, lobt die Gemeinschaft und das Ambiente: »Hier ist es so schön, ich fahre im Urlaub nicht fort.«
Aus Kindersicht
»Hier ist es toll«, findet die siebenjährige Rabea Zürn, die unbedingt mit dem GEA reden möchte – um ihrer Begeisterung presseöffentlich Ausdruck zu verleihen aber auch, um Enttäuschendes auf Tapet zu bringen. So findet es das Mädle schade, dass die demontierte Rutsche auf dem Spielplatz noch nicht wieder installiert wurde. Zwar informiere an Ort und Stelle eine Tafel darüber, dass im Herbst Ersatz fürs Spielgerät kommen soll. Aber das ist noch soooo lange hin, und wer weiß, ob’s tatsächlich klappt. Außerdem findet es die Erstklässlerin »doof«, dass der Bus der Linie 5 morgens fast immer Verspätung hat. Er bringt die Bronnweiler Kinder zur Grundschule ins benachbarte Gönningen. Mutter Carina regt einen speziellen Schulbus an, der auch direkt vor der Roßbergschule hält. (GEA)