REUTLINGEN . Ruhig und gelassen sitzt der Angeklagte Markus L. am Verhandlungstag am Mittwoch im Stuttgarter Oberlandesgericht. Freundlich plaudert er mit dem Justizbeamten, der ihn zu seinem Platz begleitet. Kaum kann man glauben, was ihm die Staatsanwaltschaft zur Last legt: Er soll im Rahmen einer Durchsuchung in seiner Wohnung in Reutlingen einen SEK-Beamten angeschossen und schwer verletzt haben. Zudem sei er Mitglied der »Reuß-Gruppe«, die wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung angeklagt ist.
Markus L. verweigert sowohl Angaben zur Sache als auch zu seiner Person - daher hat das Gericht Zeugen benannt, die Persönlichkeit dieses Mannes und was ihn antreibt, klarer werden lassen sollen. Sechs waren geladen worden, zwei hatten bereits im Vorfeld von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Zwei weitere blieben der Verhandlung fern. Der erste, ein naher Verwandter, war umgezogen, weshalb die Ladung nicht zugestellt worden war. Ob er im Juli aussagt, oder ebenfalls darauf verzichtet, bleibt abzuwarten. Die Vernehmung eines weiteren Zeugen wird im September nachgeholt.
»Das einzig Auffällige an ihm war, dass er sehr freundlich war«
Blieben also noch zwei, die das Bild des Angeklagten etwas schärfer zeichnen sollten. Der erste Zeuge ist Vorsitzender der Bad Uracher Sportschützen Attempto, bei denen Markus L. mehrere Jahre als Sportleiter tätig war. Seine Aufgabe war es vor allem, neue Mitglieder zu begleiten, er klärte über die Waffen auf, zeigte ihren den Gebrauch und stand im Schießstand hinter ihnen. Mehrmals pro Woche war er in den Vereinsräumen des Schützenvereins, die von den Sportschützen mitgenutzt werden. Zudem war er selbst als Schütze aktiv, und das recht erfolgreich, wie der Zeuge aussagte. »Wenn die Zehn das Maximum ist, dann ist er eine gute Neun.«
22 Waffen soll Markus L. legal besessen haben, das sei viel, räumt der Zeuge ein, diese Anzahl habe er nicht gewusst, aber durchaus, dass er »Pistolen, Revolver, Gewehre - alles querbeet« sein Eigen nannte. Eine Sprengstofferlaubnis zu besitzen, sei in Schützenkreisen nicht so selten, auch er habe eine: »Es ist sinnvoll und billiger, wenn man die Munition selber macht«, erklärt er dem Gericht. Also kurz: Markus L. war aus seiner Sicht ein ganz normales, reges Vereinsmitglied, das sich eingebracht hat und nie negativ aufgefallen ist.
Doch wie stand es ums Zwischenmenschliche? »Ich kenne Markus als freundlichen, netten Menschen.« Er habe sich immer rausgehalten, sei nie laut oder aufbrausend geworden, über Privates wisse er nicht viel. Auch von einer Teilnahme an Corona-Demos oder Verbindungen zu Reichsbürgern sei ihm nichts bekannt. Sonst hätte er ihn zur Rede gestellt, versichert der Vereinsvorsitzende. Er sei komplett überrascht gewesen, als der Verband ihn aufgefordert habe, Markus L. die Mitgliedschaft zu kündigen. Von den Ereignissen rund um die angeklagte Reichsbürger-Gruppe habe er aus der Presse erfahren, berichtet er, aber er habe diese Vorfälle niemals mit Markus L. in Verbindung gebracht. »Das einzig Auffällige an ihm war, dass er sehr freundlich war.« Darum warte er auch das Urteil ab: »So lange er nicht verurteilt ist, ist er mein Freund.« Als der Zeuge den Saal verlässt, winkt Markus L. ihm freundlich zu.
»Wir Reservisten gehören ja zur Bundeswehr und deren Aufgabe ist es, die Bundesrepublik zu unterstützen«
Der zweite Zeuge ist Vorsitzender der Reservistenkameradschaft Nürtingen, Markus L. war ab 2022 sein Stellvertreter. Auch er erzählt dem Gericht von einem "völlig unauffälligen, normalen Menschen", er sei überrascht gewesen, als er von den Vorfällen erfahren habe. Auch an den Gruppenabenden, in denen es öfters um Politik ging, habe sich L. zurückgehalten, keine Meinung geäußert. Auf Nachfragen des Gerichts zuckt der Zeuge meist mit den Schultern. Demos gegen Corona oder andere Aktivitäten? Das sei mit der Reservistenkameradschaft nicht vereinbar, betont er jedoch entschieden, »Wir Reservisten gehören ja zur Bundeswehr und deren Aufgabe ist es, die Bundesrepublik zu unterstützen«.
Ein klareres Bild? Auch an diesem Verhandlungstag bleibt der Angeklagte Markus L. weiter ein Rätsel. Die Zeugen berichten von einem durchweg freundlichen und netten Menschen, ein »Normalo«, wie ein Zeuge sagt. Was hinter dieser Fassade steckt, wird das Gericht weiter beschäftigen. (GEA)