REUTLINGEN. Dröpje voor Dröpje - die Verkehrswende ist in Reutlingen ein mühsames Geschäft. Eine der letzten größeren Aktionen der Stadtverwaltung ging bereits im vergangenen Jahr Jahr in aller Stille über die Bühne: Die Paul-Pfizer-Straße im Ringelbachgebiet wurde zur Fahrradstraße umgestaltet, die Haupt-Radroute 2 aus dem Masterplan Radverkehr damit weiter komplettiert. Eine Einweihung steht jedoch aus. Anwohner hatten Klagen und Anregungen geäußert, mit denen man sich vor der Jubelfeier offensichtlich erst gern auseinandersetzen wollte.
Nach einem längeren Briefwechsel war nun am Donnerstag in der Uneingeweihten ein Termin mit Vertretern der Stadt angesetzt. Mit Daniel Scheu von der Task Force Radverkehr, Ordnungsamtschef Albert Keppler und Gerhard Lude, dem Leiter der Verkehrsabteilung, waren kompetente Ansprechpartner vor Ort für die rund zehn Anwohner, die sich eingefunden hatten, darunter auch Frank Hasler, der Hauptinitiator der Quartiersbürgerbewegung.
Schnell wurde klar, dass die Fahrradstraße an sich gar nicht Gegenstand der Kritik ist. Viele Bewohner des beliebten zentrumsnahen Viertels sind selbst Radler. Die Bürger sind vielmehr enttäuscht, dass mit der neuen Verkehrsraumgestaltung die Lage an einem neuralgischen Punkt nicht entschärft wurde: an der Kreuzung der Paul-Pfizer-Straße mit der Heinestraße.
Schleichweg zwischen Alteburg- und Ringelbachstraße
Letztere ist (in Verbindung mit der Paulusstraße) ein beliebter Schleichweg für Ortskundige, verbindet Alteburg- und Ringelbachstraße, was vergleichsweise viel Verkehr in den schmalen Sträßchen verursacht. Eng und unübersichtlich ist dann auch die Kreuzung Pfizer-/Heinestraße, an der zuvor eine Rechts-vor-links-Regelung für Entschleunigung sorgte.
Als Fahrradstraße hat die »Pfizer« nun Vorrang. Was die Lage nicht verbessert. Radler rauschten nun stadtauswärts aufgrund der Topografie mit flottem Schwung über die Kreuzung. Ignorieren Autofahrer ihre Vorfahrt, drohen kritische Situationen, die die Bewohner dem Vernehmen nach öfters beobachten. Letztes Jahr sei es bereits zu einem Unfall an der Kreuzung gekommen. Frank Hasler würde die Radler gern etwas »einbremsen«. Abseits der Selbstgefährdung sieht man auch Gefahr für Fußgänger, die beim Straßequeren geräuschlos herannahendende Biker nicht wahrnähmen.
Um den Querverkehr auf Heine- und Paulusstraße einzudämmen, regen die Anwohner an, den Richtungswechselpunkt der neuen gegenläufigen Einbahnregelung auf der Paul-Pfizer-Straße nicht an der Paulus-, sondern an der Heinestraße zu positionieren. Ob das reicht, ist allerdings fraglich. Beim Vorort-Termin bestätigte sich eine weitere Beobachtung der Bewohner: Autofahrer ignorieren regelmäßig die neue Regelung und nutzen die Pfizer-Straße wie früher als Durchgangsweg - auch gegen die Einbahnstraße.
Die Anwohner berichteten auch, dass die Autofahrer auf der schönen breiten vorfahrtsberechtigten Radstraße schneller fahren als zuvor - eine Wahrnehmung, die laut Albert Keppler Geschwindigkeitsmessungen nicht bestätigen.
Auch Autobesitzerprobleme kamen zur Sprache. »Sträflich behandelt« fühlt man sich in Sachen Parkraum. Hier führte die Einführung der Fahrradstraße zu Verschlechterung. Um die notwendigen Voraussetzungen zu erfüllen, wurden Parkflächen gestrichen. Was die Anwohner insbesondere auch deshalb grämt, weil man in der Nachbarschaft der Anfang 2023 eingerichteten parkraumbewirtschafteten Zone lebt. Der Druck durch »Fremdparker« habe damit massiv zugenommen, berichtete Frank Hasler. Vor allem nach 18 Uhr werde dann auch die Fahrradstraße einfach »zugeparkt«. Die Anwohner würden gern eine Parkberechtigung für die Zone P erwerben. Was rechtlich laut Ordnungsamtschef Keppler nicht möglich ist. Eine Ausdehnung der Parkraumbewirtschaftung wäre eine Lösung, allerdings ein größerer Akt: Parkraum-Bedarf und -Angebot müssten ermittelt werden, der Gemeinderat müsste zustimmen.
Weniger Autoverkehr seit Einführung der Fahrradstraße
Die Rathaus-Delegation versprach gleichwohl, die Anregungen mitzunehmen. Der Parkplatzwegfall ist längst Thema bei den Verkehrsplanern, machte Daniel Scheu deutlich. Man denke bei der Umsetzung der geplanten Haupt-Radrouten durch die City darüber nach, ob wirklich alle als Fahrradstraße umgesetzt werden müssen, was eben bestimme Mindestbreiten (4,10 Meter freier Straßenraum) erfordere. In der Paul-Pfizer-Straße sollen als Sofortmaßnahme vier weitere Parkflächen eingezeichnet werden.
Untersuchen will man auch, welchen Verdrängungsverkehr die Verschiebung des Richtungswechsels der Einbahnstraße auf Höhe Heinestraße mit sich brächte und eine bessere Vorfahrts-Beschilderung für die Heinestraße. Einer Schweller-Lösung wie an der Kreuzung Hindenburgstraße/Eingang-Pomologie konnten die Stadtvertreter auf absehbare Zeit eine Absage erteilen - die Finanzlage der Stadt reicht nur noch für das Nötigste. An der Weiterführung der Fahrradstraße nach der Peter-Rosegger-Straße werde bereits gearbeitet, verriet Daniel Scheu. Herausfordernd ist eine Lösung für die Querung der Alteburgstraße gen Gustav-Schwab-Straße. Sie steht laut Scheu allerdings »noch in den Sternen«. Eine Idee ist ein Kreisverkehr.
Last not least festzuhalten ist eine für die Anwohner erfreuliche Entwicklung durch die Fahrradstraße: »Der Autoverkehr ist weniger geworden«, so Frank Hasler. (GEA)