REUTLINGEN. Er war ein Gestalter, kein Verwalter. Ein »eigenwilliger Mensch«, wie er den GEA zu seinem 80. Geburtstag wissen lies. Ein Mann, der trotz seiner Arbeit in den hohen Verwaltungsetagen »immer eine Antenne für den anderen« hatte. Über Albert Schuler, ehemals Erster Bürgermeister Reutlingens, finden sich reihenweise Artikel im GEA-Archiv. Hat er schließlich die ehemalige Reichsstadt durch seine Arbeit und sein ehrenamtliches Engagement über Jahrzehnte lang maßgeblich geprägt, sie in vielen Bereichen nach vorne gebracht. Nun ist Schuler am 25. Dezember im hohen Alter von 96 Jahren im Kreis seiner Familie verstorben. Er hat drei Kinder, sechs Enkel und acht Urenkel.
Albert Schuler, aufgewachsen in Walddorf bei Calw, arbeitete sich nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges mit Fleiß und Ehrgeiz die Karriereleiter nach oben. Nach dem Abitur im Jahr 1946 blieb ihm das Studium verwehrt - keine Chance, aus finanziellen Gründen. Also bekam er eine Lehrstelle als Verwaltungskandidat beim Bürgermeisteramt der 3.000-Seelen-Gemeinde Altensteig. Anschließend arbeitete er in Nagold und Freudenstadt. Bevor ihn sein beruflicher Weg schließlich 1952 als »außerplanmäßiger« Stadtinspektor ins Liegenschaftsamt der Stadt Reutlingen führte. Im Reutlinger Rathaus blieb er dann auch - nach heutigen Maßstäben nahezu unvorstellbare - vier Jahrzehnte tätig. 1954 wurde er Leiter der Abteilung Kultur und Sportpflege, 1978 Verwaltungsbürgermeister, 1984 dann Erster Bürgermeister - nach dem damaligen Oberbürgermeister Dr. Manfred Oechsle der zweite Spitzen-Mann im Rathaus.

Als Schuler im Mai 1992 schließlich mit einem Festakt in der Listhalle in den Ruhestand verabschiedet wurde, konnte er auf eine lange Liste an Erreichtem zurückblicken. Und bekam von OB Oechsle die Bürgermedaille in Gold überreicht. Sein »vorzügliches Schaffen«, so hieß es damals in der Verleihungsurkunde, das geprägt sei »durch Sachlichkeit, Einfühlungsvermögen, Selbstkritik, Menschlichkeit und hohe ethische Ansprüche«, habe vieles in der Stadt bewirkt und ihn zum »Vorbild innerhalb und außerhalb der Verwaltung« gemacht.
Schuler hatte in den 1970er- und 80er-Jahren den Wiederaufbau und die Weiterentwicklung Reutlingens maßgeblich mitgestaltet. Unter seiner Ägide entstand das Amt für Schulen, Jugend und Sport - damals noch einmalig in Baden-Württemberg. Er stellte den ersten ordentlichen Schulentwicklungsplan auf, dann einen Plan zum Ausbau der Kindergärten, der sogar seinen Namen bekam (»Schuler-Plan«). Während seiner Amtszeit wurden allein 20 neue Bildungsstätten gebaut.
»Man braucht Kultur, auch dann, wenn’s Geld knapper wird, und vielleicht gerade dann«
Aber nicht nur das. Auch Schwimmbäder und Sporthallen entstanden, und über 30 neue Sportplätze. 1981 war Schuler als Donnerstagsgast beim GEA zum Interview. Im Artikel wird eindrücklich beschrieben, wie sehr ihm auch die Kultur am Herzen lag. So habe er sich immer dafür eingesetzt, dass auch in Zeiten knapper Kassen nicht an dieser Stelle gestrichen wird, schrieb der Autor damals. Und zitierte den Alt-Bürgermeister wie folgt: »Man braucht Kultur, auch dann, wenn’s Geld knapper wird, und vielleicht gerade dann.« Zum Ende seiner Amtszeit entstand in Zusammenarbeit mit dem damaligen Baubürgermeister Winfried Engels die »Kulturmeile«: die neue Volkshochschule und die Stadtbibliothek, mit dem Spendhaus als Herzstück. Ein Stück Stadtentwicklung, das schließlich mit dem Hugo-Häring-Preis ausgezeichnet wurde.
Albert Schuler hat sich während seiner Amtszeit um die Pflege der Reutlinger Städtepartnerschaften verdient gemacht, vor allem die mit Ellesmere Port und Roanne, die er beide wesentlich mitinitiiert hat. Deshalb ernannte ihn die britische Stadt Ellesmere Port auch unmittelbar nach seinem Ausscheiden aus dem Bürgermeisteramt zu ihrem Ehrenbürger.
Mit dem Eintritt in den Ruhestand kehrte aber noch lange keine »Ruhe« in Schulers Leben ein. Schließlich hatte er zu diesem Zeitpunkt noch dutzende Ehrenämter inne - und dachte gar nicht daran, diese alle direkt aufzugeben. Die Ehrenämter trugen Schuler, der sein Leben lang so viel gearbeitet hatte, gewissermaßen durch die Zeit seines Ruhestandes. Der dreifache Vater war unter anderem fast 25 Jahre lang stellvertretender Vorsitzender des Vereins GEA-Leser helfen. Über 3.000 Hilfsfälle wurden ihm in diesem Vierteljahrhundert vorgelegt, würdigte GEA-Verleger Valdo Lehari jr. die Arbeit Schulers im Jahr 2017, als dieser aus dem Hilfsverein ausschied.
Kurze Zeit später legte Schuler dann - mittlerweile 89 Jahre alt - auch sein letztes Ehrenamt nieder: den Vorsitz der Oskar-Kalbfell-Stiftung. 1968 war er Vorsitzender dieser Stiftung geworden, deren Ziel es bis heute ist, begabte Reutlinger Kinder aus Familien mit geringem Einkommen zu fördern. Die Trauerfeier für Albert Schuler ist am Mittwoch, 8. Januar, um 14 Uhr in der Kreuzkirche in Reutlingen. (GEA)