REUTLINGEN. Beim Geld hört nicht nur die Freundschaft auf, sondern beginnt immer häufiger der Existenzkampf. Die Konsumgesellschaft macht es leicht, sich zu verschulden, zuweilen bis gar nichts mehr geht. Deshalb sind die Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen im Landkreis Reutlingen immer öfter gefordert. Es sind dramatische Fakten, die Manuela Eberle vom Landratsamt sowie Daniel Spinner vom Diakonieverband vor dem Sozial-, Schul- und Kulturausschuss liefern. Vor allem die Ursachen der Verschuldung machen betroffen.
Die Schuldnerberatung
Drei Anlaufstellen der Schuldner- und Insolvenzberatung gibt es im Landkreis Reutlingen. Wer in Engstingen, Eningen, Lichtenstein, Pfullingen, Pliezhausen, Reutlingen, Sonnenbühl, Walddorfhäslach oder Wannweil wohnt, kann sich direkt an die Stelle des Reutlinger Landratsamts in der Gartenstraße 49 (nicht im Landratsamt!) wenden. Eine telefonische Anmeldung unter der Rufnummer 07121 480-4117 ist unbedingt erforderlich. Immer donnerstags gibt es vormittags ab 8 Uhr eine offene telefonische Sprechstunde. Außerhalb der offenen Sprechstunde sind in Reutlingen Termine nur nach vorheriger Vereinbarung möglich.
Wer in Bad Urach, Dettingen, Gomadingen, Grabenstetten, Grafenberg, Hayingen, Hohenstein, Hülben, Mehrstetten, Metzingen, Münsingen, Pfronstetten, Riederich, Römerstein, St. Johann, Trochtelfingen oder Zwiefalten lebt, kann sich an die Schuldnerberatung des Diakonieverbandes wenden. Entweder an die Diakonische Bezirksstelle Bad Urach, Neue Straße 23, 72574 Bad Urach, Telefon 07125 948761 oder die Diakonische Bezirksstelle Münsingen, Kirchplatz 2, 72525 Münsingen, Telefon 07381 4827. Offene Sprechzeit ist in Bad Urach jeden Dienstag ab 9 Uhr sowie in Münsingen jeden Donnerstag ab 14 Uhr. (GEA)
An erster Stelle der gemeinsamen Statistik von Kreis und Diakonieverband für die Jahre 2023 und 2024 stehen als Hauptursache für eine Verschuldung mit 54,6 Prozent »familiäre Probleme, Scheidung und Trennung«. Es folgen mit 40,7 Prozent »fehlende Finanzkompetenz« sowie »Krankheit oder Sucht« mit 33,4 Prozent. »Betont werden soll an dieser Stelle, dass sich fehlende Finanzkompetenz tatsächlich auf den Bereich Finanzen wie das Vertragswesen, Verstehen von bürokratischen Vorgängen oder die Einordnung von Schreiben bezieht und nicht einhergeht mit einem allgemeinen Mangel an Bildung«, stellen die Fachleute klar.
Als weiteren Hintergrund von Verschuldung nennt das Zahlenwerk »Arbeitslosigkeit« mit 21,5 Prozent und schließlich den »Dauerbezug von Sozialleistungen« mit 16,4 Prozent. Im gesamten Kreisgebiet dokumentiert die Bilanz für das Jahr 2024 unter dem Strich 713 Fälle - aber das sei nur die Spitze des sprichwörtlichen Eisberges. Unbekannt ist, wie viele Menschen mit (zu) hohen Schulden es wirklich gibt.
»In Schulden kann jeder geraten«
»In Schulden kann jeder geraten« ist eine wesentliche Erkenntnis der Beratungsstellen. »Die Nachfrage ist ungebrochen groß, ja sogar steigend«, sagt Manuela Eberle. Die Folgen der Energiekrise sowie die aktuelle Wirtschaftskrise führten zu einer weiteren Zunahme von Existenzbedrohung durch Arbeitslosigkeit, Einkommenseinbußen und daraus resultierender erschwerter Zahlungsfähigkeit. Viele Selbstständige müssten ihre Betriebe aufgeben. Familien gerieten in finanzielle Schwierigkeiten, »wenn Einkommen wegfällt oder geringer wird und die Zahlungsverpflichtungen nicht mehr erfüllt werden können.«
In der Schuldenfalle verfangen sich laut den Fachleuten hauptsächlich Menschen in der Mitte des Lebens. Über die Hälfte der Fälle lässt sich dem Altersspektrum von 30 bis unter 50 Jahren zuordnen. Bezüglich der Anteile von Lebensformen - beispielsweise 43 Prozent Alleinstehende sowie 19 Prozent Alleinerziehende - entsprechen die Zahlen laut Eberle und Spinner in etwa denen der Gesamtbevölkerung. Der Anteil der Ratsuchenden mit Migrationshintergrund ist gleichbleibend hoch und liegt über dem Wert des Bevölkerungsdurchschnitts. Aber, so heißt es in dem Bericht, »dabei ist zu beachten, dass aufgrund der Definition Migrationshintergrund - mindestens ein Elternteil ist nicht in Deutschland geboren - viele dieser Gruppe angehören, die bereits die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.« Festgestellt wird zur Statistik: »Menschen mit Migrationshintergrund sind häufiger von Armut betroffen.«
Geholfen wird seitens der Schuldnerberatung ganz praktisch, etwa bei Kontopfändungen. »Viele Ratsuchende benötigen kurzfristig zur Existenzsicherung eine P-Konto-Bescheinigung. Diese erhalten sie in der Beratung nach Vorlage der entsprechenden Nachweise.« Für die Begleitung in das Verbraucherinsolvenzverfahren sei die Nachfrage unverändert hoch. Für Ratsuchende sei das Ziel der Restschuldbefreiung nun in wesentlich kürzerer Zeitdauer erreichbar. »Die Erfahrungen aus der Praxis zeigen jedoch, dass es aufgrund der Stärkung der Gläubigerrechte und auch der Möglichkeiten der Insolvenzverwalter schwieriger geworden ist, das Ziel zu erreichen.« (GEA)

