REUTLINGEN. »Wir gehen« ist auf dem Schaufenster des Reutlinger Sportgeschäfts »himmelbrett« zu lesen. Verkauft oder verliehen wird dort Ausrüstung für Brettsport und Kleidung. Ende April verabschiedet sich »himmelbrett« aus dem Gebäude am Burgplatz 1. Die Nachricht kommt nicht völlig unerwartet. Bereits im Mai 2023 sah es nicht gut um den Betrieb des gebürtigen Reutlingers Tim Würz aus. »Wir waren so dermaßen mit dem Rücken an der Wand. Daher wollten wir die Leute, noch vor einer möglichen Schließung aufrütteln« und nicht von heute auf morgen dicht machen.
Mit einem emotionalen Aufruf hatte der 46-Jährige damals Kunden aufgerufen, ihn zu unterstützen. So beschriftete er die Schaufenster mit den Sätzen: »Rettet uns! Kauft ein!« Das ließ die Kunden nicht kalt. Kurz darauf stieg der Umsatz. »Wir waren so dankbar, dass wir somit in der Lage waren, täglich Rechnungen begleichen zu können.« Lange hielt die Freude aber nicht an. Nach sechs Wochen war alles wieder beim Alten.
»Es ging nur noch schleppend weiter«, berichtet Würz während er draußen vor seinem Geschäft steht. Rechnungen blieben offen, sodass es nicht mehr möglich war, der rund 750 Quadratmeter große Laden weiterzubetreiben. »Vielleicht hätte ich früher die Reißleine ziehen sollen«, sagt Würz und richtet seinen Blick auf den Boden. In diesem Augenblick läuft eine Reutlingerin vorbei und sagt: »Vielleicht bin auch ich schuld daran, dass der Laden schließen muss. Ich arbeite bei einem Online-Shop, der Ähnliches verkauft.«
Neustart in kompakter Version
Seinen Mut verliert Würz dennoch nicht. »Wir arbeiten an neuen Plänen«, sagt er. Seine Lebensgefährtin Silja Dietschmann zeigt ihre mit Farbklecksen verschmierten Hände. Grund dafür sind Renovierungsarbeiten. Der ehemalige Snowboardlehrer und -berater hält weiter an seinem Traum fest und möchte »himmelbrett« nicht aufgeben. »Ich habe eine sehr nette Vermieterfamilie gefunden, die mir einen neuen Raum zur Verfügung stellt«, sagt er. Wieder in der Reutlinger Innenstadt, bloß deutlich kleiner. Diesmal 130 Quadratmeter. Neben Kleidung und Ausrüstung für Snowboarding und Ski wird es weiterhin eine E-Roller-Werkstatt geben. Was er dann nicht mehr im Sortiment gibt, ist alles rund um Wassersport.
Im Jahr 2001 fing alles an, als er im Schwarzwald während seines Studiums Snowboardbretter verlieh. Die Leidenschaft für den Brettsport sei groß. Vier Jahre später kehrte er in seine Heimat zurück und eröffnete ein Geschäft rund ums Snowboarden Mehrmals zog er mit »himmelbrett« innerhalb von Reutlingen um und wurde räumlich immer größer. Jetzt soll alles kompakter werden. »Und wir fokussieren uns noch mehr auf professionelle Beratung«, fügt Würz hinzu. Bisher war das Sortiment zu umfangreich. Das soll sich ändern. »Unser Herzstück ist der Wintersport«, betont Dietschmann.
Viele Veränderungen
In all den 20 Jahren, in denen es »himmelbrett« gibt, hat sich viel verändert. War früher der Samstag ein starker Tag, sind heutzutage Samstage eher »stille« Tage. Woran das liegen könnte? Das habe verschiedene Gründe. Die Ausrüstung werde mit den Jahren immer teurer und der Laden sei im Luxussegment unterwegs, sodass es sich nicht jeder leisten könne, dort einzukaufen. Es gebe aber auch die Kehrseite der Medaille: »Wir haben so viele Kunden, die großen Wert auf gute Beratung legen. Es kommen Leute von Überlingen, Stuttgart, Karlsruhe und Basel zu uns«, sagt Dietschmann. Sie fährt fort: »Wir lieben, was wir hier tun, deshalb kämpfen wir auch so sehr darum. Wir wollen dazu beitragen, dass der Sport, der dahinter steckt, auf eine genauso liebevolle Art und Weise ausgelebt werden kann.« (GEA)