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Aktuell Mobilität

Warum das ÖPNV-Jahr 2019 für den Landkreis »erfreulich« wird

Der Landkreis Reutlingen hat etwas, was sonst in Baden-Württemberg kein anderer hat: ein Dezernat für nachhaltige Entwicklung. Dabei spielen die Themen Mobilität und öffentlicher Personennahverkehr eine zentrale Rolle. Nachhaltigkeit muss in diesem Zusammenhang bedeuten: eine Mobilität, die der Umwelt und dem Schutz des Klimas gerecht wird; die für den Bürger bezahlbar ist und die zuverlässig funktioniert. Im Kreis Reutlingen tut sich da allerhand.

Auf der Strecke Engstingen–Gammertingen werden von Ende 2019 an auch immer wieder Sonderfahrten mit dem Schienenbus möglich sein
Auf der Strecke Engstingen–Gammertingen werden von Ende 2019 an auch immer wieder Sonderfahrten mit dem Schienenbus möglich sein. Doch damit nicht genug: Der Schienenstrang wird für den regulären Personennahverkehr auf der Schiene reaktiviert. Das stärkt die Verkehrsinfrastruktur im ländlichen Raum. FOTO: SCHWÄBISCHE ALBBAHN
Auf der Strecke Engstingen–Gammertingen werden von Ende 2019 an auch immer wieder Sonderfahrten mit dem Schienenbus möglich sein. Doch damit nicht genug: Der Schienenstrang wird für den regulären Personennahverkehr auf der Schiene reaktiviert. Das stärkt die Verkehrsinfrastruktur im ländlichen Raum. FOTO: SCHWÄBISCHE ALBBAHN

KREIS REUTLINGEN. Was Reutlingens Landrat Thomas Reumann im Brustton der Überzeugung gesagt hat, als er im vergangenen Herbst den Entwurf für den Kreisetat 2019 vorstellte, das bekräftigt Hans-Jürgen Stede, Leiter des Kreisdezernats für nachhaltige Entwicklung, im Gespräch mit dem GEA: »Das Jahr 2019 wird für den Landkreis in Sachen Mobilität ein erfreuliches Jahr.«

Dieser Optimismus kommt nicht von ungefähr. Das Nahverkehrsteam des Landkreises mit gerade einmal fünf Personen sowie mit Dezernatsleiter Hans-Jürgen Stede und Gabriele Queisser, Leiterin des Kreisamts für nachhaltige Entwicklung, hat in diesem Jahr einiges auf der Agenda. Ob Regiobusse, neue Konzepte für einige Buslinien und Anmeldeverkehre im Süden des Landkreises, Reaktivierung der Bahnstrecke zwischen Engstingen und Gammertingen oder das Erarbeiten eines Nahverkehrsplans, der den Anforderungen einer zeitgemäßen nachhaltigen Mobilität gerecht werden muss – die »To-do-«-Liste ist lang.

Hans-Jürgen Stede weist darauf hin, dass alle diese ÖPNV-Angebote der heterogenen Struktur des Landkreises Reutlingen, der sowohl städtisch als auch ländlich geprägt ist, gerecht werden sollen. Die Pläne und Entwicklungen werden sich auch im Messeauftritt des Landkreises bei den Reutlinger Mobilitätstagen am Samstag und Sonntag, 30. und 31. März, in der Stadthalle widerspiegeln (siehe Infobox).

Messe zur Mobilität

Reutlinger Mobilitätstage: Am 30. und 31. März verwandelt sich Reutlingen in den Hotspot der Mobilitätsbranche. In der Messe in der und um die Stadthalle zeigen Aussteller Visionen, Modelle und Beispiele, wie Menschen künftig mobil bleiben. Es geht um Elektrofahrzeuge und alternative Antriebe, Autonomes Fahren und die Herausforderungen des ÖPNV in Stadt und Region.

Radmesse Bike & more: Aussteller aus der Region präsentieren im Rahmen der Reutlinger Mobilitätstage Modelle und Trends. Viele Räder stehen zum Testen bereit. Action verspricht ein Pumptrack.

Karten: Im Vorverkauf gibt es das Kombiticket für 6 Euro (ermäßigt 3 Euro) für Messe und Busticket im Naldo-Gebiet.

www.easyticket.de

 

 Expresso. Der Schnellbus, der von Pfullingen über Reutlingen, Pliezhausen und Walddorfhäslach zum S-Bahn-Anschluss in Bernhausen und weiter zum Stuttgarter Flughafen und zurückfährt, ist seit Ende März 2017 als Regiobus unterwegs. Für den Landkreis heißt dies, dass sich das Land mit bis zu 50 Prozent am jährlichen Defizit beteiligt. Trotz dieser roten Zahlen ist der Expresso für Stede eine »Erfolgsgeschichte«, nehmen die Fahrgastzahlen doch Jahr für Jahr zu. So waren 2017 immerhin 120.000 Personen mit den schwarz-gelben Bussen unterwegs. »Ein Plus von elf Prozent gegenüber 2016«, so Gabriele Queisser. Auch die Hochrechnung für 2018 stimmt die Nahverkehrsexperten im Landratsamt zuversichtlich, zeichnet sich doch ein neuerliches Plus von fünf Prozent gegenüber 2017 ab. Die Konzession für die Schnellbuslinie läuft Mitte des Jahres aus und damit auch der Förderzeitraum seitens des Landes. Beschlüsse von Kreistag und beteiligten Kommunen, den Expresso auf jeden Fall weitere zehn Jahre fahren zu lassen, sind gefasst. Der Landkreis wird in diesem Frühjahr einen neuen Förderantrag beim Land stellen, damit der Expresso als Regiobus weiterbetrieben werden kann. Von Dezember 2019 bis Dezember 2020 wird sich der Landkreis Reutlingen mit 160.000 Euro am Betrieb der Buslinie beteiligen. Das Expresso-Defizit, das jährlich anfällt, trägt zu 50 Prozent das Land, da es sich um eine Regiobuslinie handelt, die andere Hälfte bringen Landkreis, Reutlinger Stadtverkehrsgesellschaft sowie die Kommunen Pfullingen, Pliezhausen und Walddorfhäslach auf. Mit seinen Fahrtzeiten ist der Expresso auch immer mehr für Pendler attraktiv, fährt er doch auf seiner ersten Fahrt schon frühmorgens um 4.22 Uhr von Pfullingen los. Auch Flugpassagiere können auf unterschiedliche Weise vom Expresso profitieren: So startet die letzte Fahrt Richtung Stuttgarter Flughafen in Reutlingen abends um 23.12 Uhr, der letzte Bus in Richtung Reutlingen macht sich am Flughafen um 0.11 Uhr auf den Weg.

 

Neue Regiobus-Linie. Der Expresso bekommt als Schnellbus vom 14. Dezember an ein Pendant auf der Strecke Bad Urach–Münsingen – dann startet die Linie X 2, die dauerhaft diese beiden Mittelzentren miteinander verbinden soll, im Stundentakt. Auch an Wochenenden wird es ein Busangebot geben. Vor allem: Die Fahrtzeiten des X 2 garantieren den Anschluss an die Züge der Ermstalbahn von Urach aus nach Metzingen und Reutlingen. Außerdem wird es auf dieser Strecke gegenüber heute deutlich mehr Fahrten geben, hin und her: 40 an der Zahl versprechen Hans-Jürgen Stede und das Nahverkehrsteam des Landkreises.

Für diesen zweiten Regio-Bus hat der Landkreis für zunächst fünf Jahre, also bis 2024, einen Förderbescheid seitens des Landes bekommen. Danach übernimmt das baden-württembergische Verkehrsministerium 50 Prozent der für den Landkreis anfallenden Gesamtkosten dieser Linie. Das Angebot auf der Linie 212 zwischen Münsingen und Trailfingen orientiert sich am Status quo. Durch zusätzliche Fahrten werden künftig aber Bedienungslücken geschlossen. Start der überarbeiteten Linie ist am 1. Dezember dieses Jahres.

 

ÖPNV im südlichen Kreisgebiet. Für den südlichen Teil des Landkreises neue Konzepte für Busse und Anmeldefahrten zu erarbeiten, auch dieser Aufgabe hat sich das Nahverkehrsteam des Landkreises gestellt. Der Zeitpunkt dafür ist gut gewählt, da im Herbst 2019 mehrere Linienverkehrs-Genehmigungen auslaufen. Klare Linienstrukturen und bessere Vernetzung dieser ÖPNV-Angebote sollen die Leerfahrten der Busse, die heute bei rund 30 Prozent liegen, drastisch reduzieren – auf dann »nur noch sechs Prozent«, wie Gabriele Queisser optimistisch in die Zukunft blickt. Dies wird vor allem auch durch eine bessere Koordination der lokalen Schülerverkehre erreicht, die bisher weder untereinander noch auf die öffentlichen Buslinien abgestimmt waren. Da habe in der Vergangenheit schon »etwas Wildwuchs geherrscht«, so Hans-Jürgen Stede. Die freie Schulwahl wird beim neuen Konzept durch die Erreichbarkeit mehrerer Schulstandorte auch künftig gewährleistet sein. Außerdem bringt das neue ÖPNV-System im Süden des Landkreises ein Plus von sage und schreibe 145.000 Fahrtkilometern.Läuft alles nach Plan, so fällt der Startschuss am 14. September für den Bus auf der Achse Reutlingen–Riedlingen im Zweistundentakt, auf dem Teilstück Reutlingen-Engstingen gibt es die Direktanbindung als Schnellbus. Ein Bus fährt an Schultagen auch im Zweistunden-Rhythmus auf der Strecke Münsingen–Riedlingen. Durch Überlagerung dieser beiden Linien ergibt sich an Schultagen zwischen Zwiefalten und Riedlingen beinahe ein Stundentakt. Beide Buslinien orientieren sich für Riedlingen an Zuganschlüssen: Dadurch ergeben sich stündliche Verbindungen von und nach Sigmaringen sowie von und nach Ulm. In Münsingen ist außerdem ein direkter Anschluss aus dem Lautertal von und nach Bad Urach möglich. Das neue ÖPNV-Konzept für den südlichen Teil des Landkreises Reutlingen integriert den gesamten Schülerverkehr und ist für Hans-Jürgen Stede auch deshalb »ein Quantensprung« gegenüber den bisherigen Angeboten im öffentlichen Personennahverkehr.

 

Anmeldeverkehre. Dieses neue ÖPNV-Angebot wird um ein Konzept von Anmeldeverkehren ergänzt, aufgeteilt in Angebote tagsüber und abends von 20 Uhr an. Künftig gilt für den gesamten Anmeldeverkehr der Tarif des Verkehrsverbunds Neckar-Alb-Donau (Naldo). Auch Naldo-Schülermonatskarten werden anerkannt. Ganz großer Vorteil: Gegenüber den bisherigen zig Telefonnummern, um eine Anmeldefahrt zu buchen, wird es künftig nur noch eine zentrale Nummer geben. Die Anmeldeverkehre, die mit kleineren Bussen oder Pkw erfolgen sollen, werden auf die Busanbindungen in Richtung Reutlingen, Riedlingen, Münsingen und Bad Urach abgestimmt, ebenso wie auf die Züge der Schwäbischen Albbahn. Auch für diese Neukonzeption soll der Startschuss Mitte September erfolgen.

Reaktivierte Bahnstrecke. Derzeit wird er nur für den Freizeitverkehr und für Sonderfahrten genutzt – der fast 20 Kilometer lange Schienenstrang zwischen Engstingen und Gammertingen. Von Ende 2019 an soll dies wieder anders werden: Dann soll die Strecke für den regulären Personennahverkehr wiedereröffnet werden – »das ist ein wichtiger Beitrag für die Infrastruktur im ländlichen Raum«, freut sich Nahverkehrsexpertin Karin Blum schon heute. Den Zuschlag zum Betrieb dieser reaktivierten Bahnstrecke soll die Schwäbische Albbahn bekommen. Die Strecke ist auch für den Schülerverkehr attraktiv, denn es gibt eine neue Haltestelle am Engstinger Schulzentrum. Von Gammertingen aus werden auch Zugverbindungen nach Ulm möglich. Bevor Ende des Jahres der erste reguläre Zug fährt, müssen in Infrastruktur rund 1,27 Millionen Euro investiert werden – abzüglich Zuschüssen aus Landesmitteln und Förderprogrammen werden der Landkreis und die Kommunen Engstingen und Trochtelfingen zusammen ungefähr 309.000 Euro aufbringen. »Die Wiederbelebung dieser Bahnstrecke macht den ÖPNV im ländlich strukturierten Kreisgebiet erheblich attraktiver«, ist sich Hans-Jürgen Stede sicher.

Auch das macht den ÖPNV attraktiver: Auf den Schienenstrecken im Landkreis Reutlingen ist die Mitnahme von Fahrrädern möglich.
Für Nahverkehrstickets des Verkehrsverbundes Naldo gelten seit Oktober höhere Preise. Damit sie nicht noch weiter steigen, bekommt Naldo eine finanzielle Unterstützung. Foto: Naldo
Für Nahverkehrstickets des Verkehrsverbundes Naldo gelten seit Oktober höhere Preise. Damit sie nicht noch weiter steigen, bekommt Naldo eine finanzielle Unterstützung.
Foto: Naldo

 

Fahrräder mitnehmen. Auf allen Schienenstrecken im Landkreis Reutlingen ist in den Zügen des Nahverkehrs die Mitnahme von Fahrrädern möglich. Auch der Expresso-Schnellbus zum Stuttgarter Flughafen ist für die Mitnahme von Fahrrädern ausgerüstet. In den Bussen des Reutlinger Stadtverkehrs können Fahrräder täglich zwischen 20 Uhr und 5 Uhr am nächsten Morgen mitgenommen werden. Zum Großteil ist dies sogar kostenlos, zu einigen Zeiten ist ein Fahrradfahrschein erforderlich. Kostenlos ist die Fahrradbeförderung auch auf den Linien des Naldo-Freizeit-Netzes wie zum Beispiel dem Sonnenalb-Express, der jedes Jahr von Mai bis Mitte Oktober im Landkreis unterwegs ist. Auch auf der neuen Regiobuslinie zwischen Münsingen und Bad Urach sowie auf Fahrten auf der neuen Buslinie Linie 260 von Reutlingen nach Riedlingen wird es von September an möglich sein, Fahrräder mitzunehmen. (GEA)

www.naldo.de