Bereits häufiger hätte die IHK Reutlingen ihre parteipolitische Neutralität verletzt und beispielsweise in offiziellen Veröffentlichungen über das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2009 »frohlockt«, weil dieses den Weg für Steuersenkungen freigemacht hat. »Mit der parteipolitischen Neutralität ist es jedoch endgültig vorbei, wenn der Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzende Stefan Mappus zwei Monate vor der Landtagswahl, also mitten im Wahlkampf, auf einer aus den Pflichtbeiträgen ihrer Mitgliedsunternehmen finanzierten Veranstaltung die Möglichkeit zur Werbung in eigener Sache und für seine Partei erhält«, kritisieren die Sozialdemokraten. »Skandalös« sei überdies, dass auf der Einladungskarte direkt Wahlkampf für die CDU gemacht werde. So heiße es dort wörtlich: »Die Zukunftspläne der CDU Baden-Württemberg sind der richtige Weg.« Die Unterzeichner fordern die Kammern auf, zur parteipolitischen Neutralität zurückzukehren und dem SPD-Landeschef und Spitzenkandidaten Dr. Nils Schmid ebenfalls die Möglichkeit zu einem Auftritt und zur Werbung für die Wirtschaftskompetenz der SPD zu geben. Das Gleiche gelte für andere demokratische Parteien und ihre Kandidaten.
Prompte Antwort der IHK
Die IHK reagierte prompt: Sie weist den Vorwurf der Parteipolitik strikt zurück. Für den Jahresempfang von Handwerkskammer und IHK sei der Ministerpräsident des Landes angefragt worden. »Und der hat auch zugesagt«, so IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Wolfgang Epp. Das Gespräch und der direkte Kontakt zur Landesregierung seien für die Wirtschaft der Region enorm wichtig. »Wenn der Ministerpräsident zu uns kommt, haben wir immer die Chance, auf die Probleme in der Region hinzuweisen und für unsere Anliegen zu werben«, so Epp. Dieser Draht dürfe auch dann nicht abreißen, wenn zwei Monate später eine Landtagswahl anstehe.Und zu dem kritisierten Zitat auf der Einladungskarte: Es sei »durchaus üblich, dass Gastreferenten sich mit einem eigenen Statement vorstellen«. Im Übrigen plane die IHK, vor den Landtagswahlen eine Podiumsdiskussion mit den Kandidaten der demokratischen Parteien zu veranstalten.
Auch Handwerkskammer reagiert
Auch die Handwerkskammer weist die Vorwürfe zurück. Wie Dr. Joachim Eisert, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Reutlingen, betont, habe Ministerpräsident Stefan Mappus bereits im Frühjahr zugesagt, als Festredner zu dem gemeinsamen Jahresempfang von IHK und Handwerkskammer Reutlingen zu kommen. Die Einladung des baden-württembergischen Ministerpräsidenten sei dabei nicht Ausdruck einer parteipolitischen Ausrichtung. Vielmehr gehöre das Gespräch mit Politikern aller demokratischen Parteien - seien es Regierungsrepräsentanten oder Wahlkreiskandidaten - zur selbstverständlichen Aufgabe von Handwerkskammer und IHK.Insbesondere die Handwerkskammer Reutlingen habe in den vergangenen Jahren die Bildungspolitik der Landesregierung immer wieder deutlich kritisiert, was gelegentlich zu Verstimmungen mit den Regierungsparteien geführt habe. Als Interessenvertretung des Handwerks in der Region sei es aber eine der wichtigsten Aufgaben der Handwerkskammer, die Anliegen aller Handwerker gegenüber der Politik zu vertreten. (GEA)
