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Würziger Wildwuchs erobert jetzt Reutlingens Kochtöpfe

Er sieht zwar wie verstrubbelter Schnittlauch aus, hat mit diesem Gartenkraut aber nichts zu tun: Mönchsbart nennt sich das gesunde Gemüse, das an mediterranen Küsten gedeiht und von dort als Direktimport auf den Reutlinger Wochenmarkt gelangt. Warum die Salz-Pflanze immer beliebter wird und wie sie sich zubereiten lässt.

Wildwüchsig und gesund: Was Marktbeschicker Domenico Arcuri hier in Händen hält, nennt sich Mönchsbart und erobert allmählich au
Wildwüchsig und gesund: Was Marktbeschicker Domenico Arcuri hier in Händen hält, nennt sich Mönchsbart und erobert allmählich auch die deutschen Küchen. Foto: Stephan Zenke
Wildwüchsig und gesund: Was Marktbeschicker Domenico Arcuri hier in Händen hält, nennt sich Mönchsbart und erobert allmählich auch die deutschen Küchen.
Foto: Stephan Zenke

REUTLINGEN. Nanu? Was ist das? Zerzauster Schnittlauch? Marktbeschicker Domenico Arcuri lacht und schüttelt vehement den Kopf. Was die Presse für ein verstrubbeltes, etwas pummelig geratenes Gartenkräutlein hält, nennt sich nämlich Mönchsbart beziehungsweise Barba di Frate und ist ein südeuropäisches Wildgemüse, das inzwischen auch die deutschen Kochtöpfe erreicht hat. Insbesondere bei Genießern mit Faible für mediterrane Rezepte und bei Zeitgenossen, die gerne auf alte, fast vergessene Sorten zurückgreifen, steht das Grünzeug mittlerweile hoch im Kurs. Tendenz weiter steigend: weg vom Nischenprodukt, hin zum Trendgemüse.

Kulinarische Nostalgiewelle

Ein Richtungswechsel, der sich sogar in der Haute Cuisine abzeichnet, wo nicht zuletzt französische Sterneköche neuerdings auf einer kulinarischen Nostalgiewelle surfen, bei der Barba di Frate nicht fehlen darf. Wiewohl in manchem Gourmet-Tempel alternativ auch Gerichte mit einem nahen Verwandten des Mönchsbarts, dem Queller, serviert werden.

Das Rezept: Quiche mit Mönchsbart

Zutaten (4 Portionen):
Teig: 200 Gramm Mehl, 2 Eier, 75 Gramm Butter, 2 Esslöffel Milch, 3 Esslöffel Olivenöl und etwas Salz

Belag: 300 Gramm Mönchsbart, 1 Bund Petersilie, 1 Schalotte, 2 Esslöffel Olivenöl, Salz und Pfeffer, 3 Eier, 250 Milliliter Sahne, 50 Gramm Parmesan

Zubereitung: Die Teigzutaten zu einem glatten Teig verarbeiten und für die Dauer einer Stunde kühl stellen. Vom Mönchsbart die Wurzeln entfernen, seine Blätter halbieren und diese zwei bis drei Minuten in kochendem Wasser blanchieren, abgießen, unter kaltem Wasser abschrecken und gut abtropfen lassen. Petersilie und Schalotte feinhacken, beides in Olivenöl andünsten. Dann den Mönchbart hinzufügen, kurz mitandünsten, das Gemüse mit Salz sowie Pfeffer würzen und abkühlen lassen. Zwischenzeitlich den Teig ausrollen, in eine Tarte-Form legen und für etwa 15 Minuten in den auf 200 Grad vorgeheizten Ofen schieben. Nun Eier, Sahne und Parmesan verquirlen, das gedünstete Gemüse auf dem Teig verteilen und mit Eiersahne übergießen. Die Quiche im 200 Grad heißen Ofen weitere 20 Minuten fertigbacken und heiß servieren.

Beide Pflanzen zählen zur Familie der Gänsefußgewächse, gedeihen auf sandigen Böden oder im Schlick der Meeresgestade und nehmen während ihres Wachstums Salze aus der Umgebung auf, die sich geschmacklich klar bemerkbar machen - übrigens ohne negativen Effekt auf die Gesundheit. Vertraut man nämlich medizinischen Studien, können Bluthochdruckpatienten Mönchsbart und Co. bedenkenlos verschnabulieren. Mehr noch: Ihnen wird sogar empfohlen, Speisen mit Pflanzen der Gattung Salicornia zu würzen - anstelle von Kochsalzen.

Typisches Frühlingsgemüse

»Ab Februar bis Ende April, Anfang Mai«, sagt Marktbeschicker Arcuri, »hat Mönchsbart Saison«. Mithin ist Barba di Frate ein typisches Frühlingsgemüse und nur für relativ kurze Zeit erhältlich - in gut sortierten SB-Märkten, Feinkostgeschäften und nicht zuletzt am Reutlinger Wochenmarktstand des 40-Jährigen, der die grünen Büschel als erntefrische Direktimporte von den Salzwiesen Kalabriens bezieht.

Die wiederentdeckte Wildpflanze, weiß Domenico Arcuri, passt zum aktuellen Trend des sogenannten »Foraging«, also der Suche nach wildwüchsigen Nahrungsressourcen. Denn neben Mönchsbart landet bei experimentierfreudigen Köchen mittlerweile auch anderes »Strandgemüse« auf den Tellern. Meeresmangold beispielsweise oder Küstenschalotten.

Erst das Wurzelwerk mit scharfem Messer entfernen: Dann kann Mönchsbart sowohl roh, als auch blanchiert oder gedünstet genossen
Erst das Wurzelwerk mit scharfem Messer entfernen: Dann kann Mönchsbart sowohl roh, als auch blanchiert oder gedünstet genossen werden. Foto: Stephan Zenke
Erst das Wurzelwerk mit scharfem Messer entfernen: Dann kann Mönchsbart sowohl roh, als auch blanchiert oder gedünstet genossen werden.
Foto: Stephan Zenke

Doch zurück zum Barba di Frate, der binnen der zurückliegenden Jahre - ausgehend von Italien - an Popularität zugelegt hat. In Arcuris Ur-Heimat wird er neuerdings sogar von Landwirten kultiviert, um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden. Hat sich dort doch längst herumgesprochen, dass das Saisongemüse zwar kalorienarm, jedoch reich an inneren Werten ist: an Kalium und Kalzium, Vitamin C und E sowie diversen B-Vitaminen.

Aber wie verarbeitet man das saftige Grün denn nun in der Küche? »Auf vielfältige Weise«, wie Arcuri weiß. In Kalabrien, sagt er, »wird es roh gemischten Salaten hinzugefügt. Meist aber wird es blanchiert oder gedünstet, weil sich dank Wärmezufuhr seine Aromen besser entfalten«.

Von Wurzelwerk befreien und waschen

Damit die bissfeste Konsistenz nicht verloren geht, empfiehlt der Reutlinger Beschicker, Mönchsbart - nachdem dieser von seinem Wurzelwerk befreit und gründlich gewaschen wurde - für maximal drei Minuten in kochendes Wasser zu geben und anschließend kalt abzuschrecken. Denn so bleiben Vitamine und Mineralstoffe weitgehend erhalten, und das Wildgemüse mutiert nicht zu grünem Schlonz.

Mit etwas Olivenöl und Zitronensaft abgeschmeckt, passt Mönchsbart als Beilage vor allem zu Fisch. Und in Bella Italia wird er außerdem gerne mit Pasta kombiniert: »Dafür das Wildgemüse in kleine Teile schneiden und mit Olivenöl, Knoblauch, Zwiebeln und Cherrytomaten garen« - salzen, pfeffern, mit einem Schuss Balsamico abschmecken, unter die separat abgekochten Nudeln mischen und ruckzuck servieren.

Machen sich als bitter-würzige Begleiter gut zu Mönchsbart-Gerichten: Radicchio-Varianten, die dem Magen ebenso gefallen wie dem
Machen sich als bitter-würzige Begleiter gut zu Mönchsbart-Gerichten: Radicchio-Varianten, die dem Magen ebenso gefallen wie dem Auge. Foto: Stephan Zenke
Machen sich als bitter-würzige Begleiter gut zu Mönchsbart-Gerichten: Radicchio-Varianten, die dem Magen ebenso gefallen wie dem Auge.
Foto: Stephan Zenke

Abgesehen davon hat Domenico Arcuri auch klassisches Wintergemüse im Warenangebot. Darunter diverse Chicorée- und Radicchio-Sorten, die allesamt mit magenfreundlichen Bitterstoffen punkten und als kulinarische Begleiter gut zu Mönchsbart-Gerichten passen. Von Punterella über Tardivo bis hin zu Castelfranco reicht Arcuris Auswahl an knackigen »Italienern«; allesamt herb-würzig und jeder für sich genommen nicht bloß schierer Gaumen-, sondern auch Augenschmaus. (GEA)