REUTLINGEN. Als das Wellenfreibad Markwasen nach nur dreizehnmonatiger Bauzeit anno 1955 erstmals seine Drehtüren fürs schwimm- und planschfreudige Publikum öffnete, war die für zwei Millionen Mark erbaute Reutlinger Freizeitanlage bundesweit die modernste und größte ihrer Art. Schon damals punktete sie mit wettkampftauglichem Becken und einer 2.000 Zuschauer fassenden Tribüne.
Zum Kulturdenkmal geadelt
Auch das architektonisch interessanten Sanitär- und Umkleidekabinen-Ensemble war für damalige Verhältnisse durchaus avantgardistisch zu nennen und sollte darob Jahrzehnte später zum Kulturdenkmal geadelt werden. Denn tatsächlich stehen Teile des Reutlinger Freibads mittlerweile unter Denkmalschutz. Womit vor sieben Dekaden, bei der feierlichen Einweihung, sicherlich niemand gerechnet hätte.
70 Jahre ist es also her, dass Oberbürgermeister Oskar Kalbfell die Sport- und Freizeitstätte vor imposanter Zuschauerkulisse ihrer Bestimmung übergab. Weshalb heuer ein runder Geburtstag gefeiert werden könnte. Wird er aber nicht. »Vielleicht«, sinniert Bäder-Chef Necdet Mantar, »machen wir zum Fünfundsiebzigsten eine große Jubiläumsparty und Sonderaktionen«. Doch auch das sei noch keineswegs beschlossene Sache. Wohingegen anderes feststeht. Etwa, dass die Eintrittspreise wegen signifikant gestiegener Betriebskosten jüngst »moderat angehoben und begradigt« wurden.
Das Einzelticket für Erwachsene kostet jetzt glatte fünf, das für Schüler und Studenten vier Euro. Womit Reutlingen im landesweiten Freibäder-Vergleich nach wie vor zu den erschwinglicheren Einrichtungen zählt. »Wir bewegen uns preislich im unteren Drittel und sind beispielsweise günstiger als Tübingen und Stuttgart«, sagt Necdet Mantar.
Auch die Öffnungszeiten sind absolut konkurrenzfähig. Ab 1. Mai können kleine und große Badegäste nämlich montags bis freitags von 6.30 bis 20 Uhr Becken, Spiel-, Sport- und Liegeflächen nutzen. Samstags, sonn- und feiertags dauert der Badebetrieb dann von 9 bis 20 Uhr. Was insbesondere jene »Frühschwimmer« freuen dürfte, die noch im vergangenen Jahr gegen reduzierte Zugangszeiten protestiert hatten.
Erfrischender Start in den Tag
Akuter Personalmangel war es, der das Team Mantar 2024 dazu veranlasst hatte, vorübergehend an der Uhr zu drehen. Und zwar zum Nachteil jener Gäste, die ihre Bahnen bevorzugt am frühen Morgen ziehen: als erfrischender Start in den Tag, dem in dieser Saison übrigens nichts im Wege steht - weil ein eigens beauftragter Dienstleister mit ins Boot geholt wurde, der die nach wie vor zu dünne Personaldecke verstärkt.
Abgesehen davon hat sich während der Winterpause auf dem zehn Hektar großen Terrain an der Hermann-Hesse-Straße - neben allerlei sicherheitsrelevanten Wartungsroutinen - aber noch viel mehr zum Besten der Badegäste getan. Darunter Augenfälliges, wie der generalsanierte Haupteingangsbereich. Hier, erläutert Freibad-Leiter Lukas Ebinger, wurde unter anderem der Bodenbelag ausgetauscht. Statt des angejahrten Kopfsteinpflasters sind es jetzt helle und pflegeleichtere Betonsteine, die von den Besuchern unter die Sohlen genommen werden und der »Visitenkarte« des Wellenfreibads eine freundliche, einladende Anmutung geben. Verlegt wurden sie sowohl im Außen- als auch im Innenbereich des Entrees: auf einer Gesamtfläche von über 1.000 Quadratmetern, zum Preis von etwa 50.000 Euro.

Damit der Investitionen längst nicht genug. Haben die Stadtwerke Reutlingen als Betreiber des Wellenfreibads doch weitere Zehntausende Euro in die Hand genommen, um die beiden Verköstigungs-Bereiche der Freizeitanlage aufzuwerten. Beim Hauptportal ist der bisherige Teich einer ununterbrochenen Freifläche gewichen, die Treffpunkt-Charakter hat und solchermaßen großzügig bemessen ist, dass sich ein- und ausströmende Besucher nicht mehr mit Wartende vor der Essens- und Getränkeausgabe beim eingangsnahen Gastro-Betrieb ins Gehege kommen. Außerdem verfügt besagter Imbiss nun über eine gut beschattete Terrasse. Was ihn mit der zweiten Verpflegungsinsel im Markwasen-Bad eint: dem Kiosk nahe des Nebeneingangs.
Dieser, verraten Necdet Mantar und Lukas Ebinger, hätte eigentlich durch eine solide Holzhütte ersetzt werden sollen. Ein Vorhaben, das jedoch an gesetzlich-behördlichen Bestimmungen scheiterte; an Verfügungen für die beide Männer wenig mehr als ein Kopfschütteln übrig haben. Allein die energetischen Auflagen inklusive verpflichtender Fotovoltaik-Ausstattung seien ein »schlechter Witz« gewesen. Und ein kostentreibender obendrein. Mantar spricht von »600.000 Euro minimum«, die man hätte hinblättern müssen. Wohlgemerkt: für einen Kiosk und nicht etwa für einen Gourmet-Tempel.
Trendy und zweckdienlich: Verpflegungs-Container
Ihren Zweck, den Hunger und Durst der Badegäste zu stillen - davon ist auszugehen -, wird diese Alternativ-Lösung sicherlich erfüllen. Und zwar gänzlich ohne Solar-Bedachung und Premium-Dämmung.
Überdies sind Container richtig trendy, surfen sowohl optisch als auch funktional auf der aktuellen Food-Truck-Welle und könnten mithin zum kulinarischen Hotspot des Wellenfreibads geraten. Wiewohl Bäder-Chef Mantar mit der Außenhaut der schwarzen Trums hadert.
Freibadfest und Autorenlesungen
Für seinen Geschmack könnten sie etwas stylisher daherkommen. Farbenfroher. Denkbar, dass irgendwann Graffiti-Künstler zur Verschönerung eingeladen werden. Derweil im Jetzt und Hier ein Inspekteur der Deutschen Prüfgesellschaft Dekra auf den Rutschen rumturnt und deren Zustand checkt, Baumkontrolleure Totholz entfernen und Reinigungspersonal das Wellenfreibad wienert. Damit die Sport- und Freizeitstätte auch im 70. Jahr ihres Bestehens familienfreundliche Wohlfühlatmosphäre hat.
Dazu sollen auch vereinzelte »Specials« beitragen. Denn selbst, wenn es keine große Geburtstagssause gibt, wird die Unterhaltung nicht zu kurz kommen. »Natürlich organisieren wir wieder unser beliebtes Freibadfest«, stellt Necdet Mantar ein Highlight in Aussicht. Außerdem soll das 2024 eingeführte und von Daniela Baum gepflegte Büchereckle an vier Samstagen zwischen Juni und September durch musikalisch umrahmte Autorenlesungen ergänzt werden. Ihre Teilnahme zugesagt haben die Schriftsteller Veit Müller (7. Juni), Bernd Storz (5. Juli), Dr. Martin Sowa (9. August) und Jochen Weeber (6. September). (GEA)