REUTLINGEN. Wenn sich Franzosen, Italiener, Schweizer und Österreicher gegenseitig so richtig schön ankäsen, dann ist Jochen Buntz nicht weit. Hat sich der Reutlinger Wochenmarktbeschicker doch von Kindesbeinen an der weiten Welt köstlicher Molkereiprodukte verschrieben. Rund hundert Käsesorten sind’s, die sich in seinen Auslagen tummeln - milde und herzhaft-würzige, streichzarte, weiß- und blauschimmelige, butterweiche und bissfeste.
Seit bald fünfzig Jahren bietet der Buntz’sche Betrieb seiner Kundschaft europäische Käsespezialitäten an. Wobei es zunächst die Eltern des Wannweilers waren, die Ende der 1970er-Jahre vor allem mit Produkten aus Kuh-, seltener aus Schafs- und Ziegenmilch den Reutlinger Freiluftverkauf bereicherten und ihr Sortiment - auch Kundenwünschen folgend - sukzessive erweiterten: stets darauf bedacht, mit einem Mix aus regionalen und internationalen Schmankerln aufzuwarten und damit den Beweis anzutreten, dass sich Extravagantes und Traditionelles auf kulinarischer Ebene wunderbar ergänzen.
Ein Konzept, das vom Sohnemann gerne übernommen wurde. Ebenso wie Mamas und insbesondere Papas Knowhow. Wenn’s um Käse geht, kann man Jochen Buntz nämlich so schnell nichts vormachen. Er kennt seine Pappenheimer, also seine Camemberts, Bries und Emmentaler aus dem Effeff; weiß präzise wo sie herkommen, wie sie schmecken, zu was sie gereicht werden und ob sie für eine laktoseintolerante Klientel zum Verzehr geeignet sind. Zumal die Gruppe jener Menschen, die an Milchzucker-Unverträglichkeit leidet, mit den Jahren größer geworden ist.
Das Rezept: Käs'spätzle mit Röstzwiebeln
Teig-Zutaten (4 Portionen): 400 Gramm Spätzlesmehl, 4 Eier Größe M, 1 gehäufter Teelöffel Salz, 220 ml Wasser
Zubereitung: Mehl, Salz, Eier und Wasser in eine Rührschüssel geben und zu einem sämig-zähflüssigen Teig verrühren. Den Teig an einem kühlen Ort mindestens 20 Minuten ruhen lassen. Dann in einem großen Topf reichlich Wasser mit Salt zum kochen bringen und dann sieden lassen. Nun den Teig portionsweise ins Wasser pressen, hobeln oder schaben. Die Spätzle sind gar, wenn sie an der Wasseroberfläche »schwimmen« und können mit einem Schaumlöffel aus dem Topf geholt werden.
Zutaten für Käs'spätzle: 300 Gramm Zwiebeln, 250 Gramm würziger, geraspelter Hartkäse (zum Beispiel Appenzeller, Greyerzer, Bergkäse oder Emmentaler), 3 Esslöffel Weizenmehl, 75 Gramm Sahne, 50 Gramm Butterschmalz, 1/2 Bund Schnittlauch, Muskatpulver, Salz und Pfeffer nach Geschmack
Zubereitung: Zwiebeln halbieren, in feine Streifen schneiden und in einer kleinen Schüssel mit dem Mehl vermengen. In einer großen Pfanne Butterschmalz erhitzen und die bemehlten Zwiebeln darin goldbraun braten und dabei salzen. Dann die Röstzwiebeln herausnehmen, auf Küchenkrepp legen und etwas abtropfen lassen. Im Anschluss Sahne, Muskat, Salz und Pfeffer in die Pfanne geben, die Spätzle hinzufügen und den geraspelten Hartkäse unterrühren. Deckel auf die Pfanne setzen und den Käse komplett schmelzen lassen. Dann die Röstzwiebeln drüberstreuen und mit feinen Schnittlauchröllchen garnieren.
Tipp für die schnelle Küche: Fertige Spätzle aus dem Kühlregal machen das Rezept unaufwendig. Dann können die Kässpätzle in 30 Minuten serviert werden. (ekü)
»Auf Käsegenuss müssen Betroffene trotzdem nicht verzichten«, sagt Buntz, der unter anderem laktosefreie Berg- und Butterkäse im Angebot hat. Ebenso wie Produkte aus Schafs- und Ziegenmilch, die für manche Zeitgenossen, die auf Kuhmilch mit Magengrimmen reagieren, eine schmackhafte Alternative darstellen können: weil die Beschaffenheit der in Ziegen- und Schafsmilch enthaltenen Laktose eine andere, für den menschlichen Organismus offenbar bekömmlichere ist.
»Grundsätzlich«, erklärt Jochen Buntz, »kommt es aber auf den Reifegrad an«. Heißt konkret: Je länger ein Käse ruhen durfte, desto weniger Laktose enthält er - weil natürlich-chemische Alterungsprozesse dazu führen, dass Milchzucker über Wochen und Monate in -säure umgewandelt wird. Weshalb sensible Zeitgenossen gut beraten sind, auf vollreife Ware zurückzugreifen. Derweil sie Frisch- und Schmelzkäse, Joghurt und Quark - sofern diese Milchprodukte nicht gezielt behandelt wurden - unbedingt meiden sollten.
Rezenter Bergkäse als Topseller
Doch was kauft die Reutlinger Kundschaft denn bevorzugt? Klare Antwort: Bergkäse. Er ist ein echter Topseller. Was den Verdacht nahe legt, dass es die Achalmstädter gerne würzig mögen. Und neuerdings auch betont günstig. »Auffällig«, so Jochen Buntz, sei, dass das Preisbewusstsein durch die Inflation geschärft wurde. »Fast alles ist ja teurer geworden«, sagt der 60-Jährige. Deshalb werde der Euro von vielen zweimal umgedreht.
Wiewohl das Sparbedürfnis zuweilen von schierer Neugier ausgehebelt wird - weil am Buntz’schen Verkaufsmobil Käsesorten locken, die es nicht an jeder x-beliebigen Theke gibt. Allen voran französische Direktimporte, die der Wannweiler über einen Lieferanten vom Pariser Großmarkt bezieht: aus tagfrischer Rohmilch hergestellter »Brie de Meaux« beispielsweise oder »Époisses«, ein Weichkäse aus Kuhmilch, den Jochen Buntz als sehr cremig und deftig beschreibt.
Aroma dank Marc de Bourgongne
Ummantelt von einer »essbaren Rotkulturrinde« verströmt die rezente Spezialität aus dem Burgund ein intensives Aroma nach … ja, nach was eigentlich? Buntz: »nach Marc de Bourgogne«. Hierbei handelt es sich um einen sogenannten Tresterbrand, also um einen Schnaps, der aus den Pressrückständen eingemaischter Weintrauben gewonnen wird. Mit Salzlake vermischt dient er regelmäßigen Käse-Waschungen, die den Reifeprozess der Laibe begleiten, jedweder Schimmelbildung vorbeugen und die Haut des »Époisses« sanft parfümieren.
Oh, là là. Wer hätte das gedacht. Und wer hätte es für möglich gehalten, dass auch bei Käse kleinste Kniffe geschmacklich Großes bewirken und unweigerlich zum Naschen verführen. Tabea Ludäscher (19) wahrscheinlich nicht. Zwar hat die Wannweilerin nach dem bestandem Abitur überbrückungsweise als Mini-Jobberin bei Jochen Buntz angeheuert - allerdings ohne Vorkenntnisse.
Erst allmählich - Kostpröbchen um Kostpröbchen - erschließen sich ihr die Weiten des internationalen Käse-Kosmos’ und seine aromatische Vielfalt. Wiewohl Tabea Ludäscher inzwischen schon ganz gut mitreden kann, wenn es darum geht, der Kundschaft dieses oder jenes Produkt mit beschreibenden Worten schmackhaft zu machen. Versucherle inklusive. (GEA)