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Aktuell Kommentar

Verständlicher Ärger über Hinhaltetaktik vom Land

Gedanken zum Ende der Gespräche zwischen Stadt und Kreis Reutlingen anlässlich der Stadtkreisdebatte: Die Enttäuschung auf beiden Seiten ist nachvollziehbar, findet GEA-Redakteurin Claudia Reicherter.

Die Stadt Reutlingen bleibt vorerst weiterhin im Landkreis.
Die Stadt Reutlingen bleibt vorerst weiterhin im Landkreis. Foto: Markus Niethammer
Die Stadt Reutlingen bleibt vorerst weiterhin im Landkreis.
Foto: Markus Niethammer

REUTLINGEN. »Der Berg kreißt und gebiert eine Maus« - das Bild eines mächtigen in den Wehen liegenden Gebirges, aus dem schließlich bei allem Pressen und Hecheln nichts weiter herausspringt als ein mickriges Mäuslein, hatte der Reutlinger Oberbürgermeister vergangene Woche mehrfach beschworen. So alt die Redewendung auch ist, sie verweist auf viel Aufwand, der betrieben wurde, und ein unbefriedigendes Ergebnis ergibt. Das passt von daher bestens zum Ende des Annäherungsprozesses nach den Auskreisungsplänen.

Reutlingen möchte die gleichen Rechte und Gestaltungsmöglichkeiten wie andere Großstädte im Land. Bislang hat die Stadt mit ihren rund 117.500 Einwohnern nur die Ausgaben, nicht aber die Einnahmen einer Großstadt. Deshalb machte sie 2015 den Vorstoß, sich vom Landkreis Reutlingen zu lösen - und einen eigenen Stadtkreis zu bilden. Das hat der baden-württembergische Landtag Ende 2018 unterbunden, die Absage aber insofern gepolstert, als er beide Seiten einlud, sich zusammensetzen. Um zu sehen, wie es künftig besser laufen kann. Zu klären, inwiefern Aufgaben vom Kreis in die Verantwortung der Stadt übergehen könnten. Artig haben sich beide dahintergeklemmt. Doch mit welchem Ziel? Wünscht das Land zwar Vorschläge, aber lässt die Beamten dann kategorisch alle Änderungen ablehnen? Schön war's, danke, tschüs? Motto: »Gebt dem Kind a Bombole, dann gibt es Ruh'?«

Dass die Nachwehen der Reutlinger Auskreisungsbemühungen derart fruchtlos enden, enttäuscht. Um im Bild zu bleiben: Gepresst und gehechelt, also Zeit und Energie aufgebracht, haben dafür OB Thomas Keck und Landrat Ulrich Fiedler - samt etlichen Angehörigen ihrer Behörden. Aber auch der einstige Regierungspräsident Hubert Wicker hat sich als Moderator Gedanken gemacht und um Lösungen bemüht. Schon als er 2023 den Auftrag bekommen hatte, habe er sich gewundert, erklärt er auf Nachfrage, »dass Gesetzesänderungen nicht ausgeschlossen wurden«. Ließ man sich da schon ein Mäuseloch offen? Denn werden Aufgaben übertragen, müsste man Gesetze ändern. »Klar, das wäre eine Lex Reutlingen«, sagt Keck selbstbewusst. Und signalisiert bei aller Enttäuschung Offenheit für weitere Gespräche. Ganz in den Brunnen gefallen ist dieses Kind - oder Mäusle? - also vielleicht doch noch nicht. (GEA)

claudia.reicherter@gea.de