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»Toxische Beziehung« und Schlafzimmer-Video beschäftigen Reutlinger Amtsgericht

Die Folgen einer laut Verteidigerin »toxischen Beziehung« zwischen einem Mann und seiner Freundin haben das Amtsgericht Reutlingen beschäftigt. Dabei geht es um mehr als ein Video aus dem Schlafzimmer.

Das Amtsgericht Reutlingen.
Das Amtsgericht Reutlingen. Foto: Stephan Zenke
Das Amtsgericht Reutlingen.
Foto: Stephan Zenke

REUTLINGEN. Was das für eine Beziehung zwischen dem Angeklagten und seiner Ex-Freundin gewesen ist, bleibt auch nach zwei Stunden Verhandlung vor dem Amtsgericht Reutlingen ein Rätsel. Es geht um diverse Vorwürfe wie die Verletzung des »höchstpersönlichen Lebensbereichs« durch ein heimlich von ihm gedrehtes Video aus dem Schlafzimmer sowie Nötigung. Gegen einen Strafbefehl in dieser Sache hatte der Mann Widerspruch eingelegt. Die ganze Geschichte des Paares wirkt passend dazu mehr als widersprüchlich.

Eindeutig ist die Anklage von Staatsanwalt Elmar Jung. Der Mann habe nicht nur ein Filmchen vom intimen Zusammensein mit der Frau angefertigt, sondern sie mit diesem Video auch genötigt. Konkret soll er damit gedroht haben, dieses Video ihren Eltern zugänglich zu machen, »falls sie mit anderen Männern Sex habe«. Kurz nach Verlesung der Anklageschrift macht Verteidigerin Jale Deile deutlich, um was für eine aus ihrer Sicht »toxische Beziehung« es sich da handele.

»Er liebt sie so sehr«

Der Angeklagte könne offenbar von der Frau nicht lassen, obwohl sie ihn erst vor zwei Jahren wegen Körperverletzung anzeigte. Der Mann wurde zu einer Geldstrafe verurteilt. »Er liebt sie so sehr«, beschreibt Jale Deile das Verhältnis ihres Mandanten zu einer Zeitgenossin, die intime Kontakte zu mehreren Männern gepflegt habe. Dennoch sind die beiden immer wieder in seinem Bett gelandet - so auch im März des vergangenen Jahres, als das Video mit einer Begründung entstanden ist, die das reichlich im Sitzungssaal III des Amtsgerichts vorhandene jugendliche Publikum große Augen machen lässt.

»Das Video habe ich gemacht, um beweisen zu können, dass wir einvernehmlichen Sex hatten. Falls sie behauptet, ich hätte sie vergewaltigt«, erklärt die Anwältin im Namen ihres Mandanten, der das Verfahren schweigend verfolgt. In der Tat ist im Ermittlungsverfahren der Polizei nach der Anzeige der Frau zunächst von diesem schwerwiegenden Tatvorwurf die Rede, der dann aber fallengelassen wird. »Man kann sich nicht mit illegalen Mitteln absichern«, betont dazu Richterin Natalia Gertner. Staatsanwalt Jung erkennt die »missliche Lage« des Angeklagten, denn für den Mann geht es um eine Menge.

»Ich habe das Video keinem geschickt«

Dem seit neun Jahren in Deutschland lebenden Afghanen drohen aufenthaltsrechtliche Konsequenzen durch die juristischen Auseinandersetzungen mit dieser Frau. Deshalb auch der Widerspruch gegen den Strafbefehl, deswegen umfassende Erklärungsversuche seiner Anwältin mit der Bitte um Verständnis. Jedenfalls gibt der Angeklagte zu, das Video gedreht zu haben - bestreitet jedoch vehement mit den Worten »ich habe das Video keinem geschickt« jede Nötigung. Was er aber nicht erklären kann, ist, wieso dieser Film dann auf seinem in anderen Zusammenhängen von der Polizei untersuchten Smartphone als »aus Afghanistan empfangen« aufgefunden worden ist. Womit es für ihn nicht besonders günstig aussieht, falls denn in eine Beweisaufnahme eingestiegen würde.

Rechtsanwältin Deile überlegt, ob es im Interesse ihres Mandanten wäre, die als Zeugin geladene Frau zu vernehmen. Dadurch würde doch einiges deutlicher werden. Staatsanwalt Jung lässt durchblicken, in diesem Falle wäre er dann aber keinesfalls zu einer Verfahrenseinstellung bereit. Letztlich geht es um die Frage, ob die im Strafbefehl genannte Strafe von fünf Monaten Freiheitsentzug auf Bewährung durch einen Prozess geringer ausfallen würde.

Letztlich entscheidet sich die Verteidigerin nach einer kurzen Unterbrechung gemeinsam mit dem Angeklagten dafür, dieses Risiko nicht einzugehen. Der Widerspruch gegen den Strafbefehl wird zurückgezogen, womit es nicht zu einem Prozess kommt. (GEA)