Logo
Aktuell Justiz

Tödlicher Unfall in Sickenhäuser Kulturwache landet vor Amtsgericht

Im Juni 2022 wird ein Sickenhäuser bei Sanierungsarbeiten in der Alten Feuerwache tödlich verletzt. Warum sich nun der damalige Vorsitzende des Fördervereins Ortskern vor dem Amtsgericht Reutlingen verantworten muss.

War Ort eines tragischen Unfalls: das Alte Feuerwehrhaus in Sickenhausen.
War Ort eines tragischen Unfalls: das Alte Feuerwehrhaus in Sickenhausen. Foto: Frank Pieth
War Ort eines tragischen Unfalls: das Alte Feuerwehrhaus in Sickenhausen.
Foto: Frank Pieth

SICKENHAUSEN. Das Alte Feuerwehrhaus in Sickenhausen soll seinen zweiten Frühling erleben und zum Kultur- und Bürgerhaus werden. Mit viel Engagement haben Sickenhäuser diesen Plan in den letzten Jahren vorangetrieben, ein Förderverein zur Belebung der Ortsmitte wurde 2015 gegründet. Viele Arbeiten am Alten Feuerwehrhaus haben die Projektunterstützer in Eigenregie durchgeführt. Anfang Juni 2022 überschattete dann ein tragischer Arbeitsunfall das Vorhaben. Ein 42-jähriger Mann, Mitglied des Fördervereins, wurde bei ehrenamtlich durchgeführten Sanierungsarbeiten unter einem Betonträger begraben und schwer verletzt. Er starb wenige Tage später im Krankenhaus. Ein Vorfall, der das Dorf damals tief erschüttert hat. Und der jetzt wieder ins Bewusstsein gerückt wird.

Vor dem Amtsgericht Reutlingen muss sich nämlich nun der damalige Vorstand des Fördervereins verantworten. Die Staatsanwaltschaft hatte zu Beginn des Jahres 2024 einen Strafbefehl gegen ihn erlassen. Fahrlässige Tötung lautet der Vorwurf, ihm drohen sechs Monate Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung. Die Abrissarbeiten am besagten Juni-Wochenende 2022 seien ohne Rücksprache mit dem Architekten und dem Statiker erfolgt, so der Vorwurf. Und weiter: Für den Vereinschef sei der Unfall »vorhersehbar und verhinderbar« gewesen. Bei einer Besprechung mit dem Architekten im März 2022 seien sowohl er als auch Bezirksbürgermeister Frank Zeeb dabei gewesen, hieß es am ersten Verhandlungstag. Angeklagt ist nun aber nur der ehemalige Vorsitzende des Fördervereins. Er ist von seinem Amt zurückgetreten, ein weiteres engagiertes Fördervereinsmitglied hat übernommen.

»Allein weil jemand Vorsitzender eines Vereins ist, kann er nicht automatisch strafrechtlich belangt werden«

Schon vor Erlass des Strafbefehls hatte der Verteidiger des angeklagten Mannes, der Reutlinger Rechtsanwalt Sören Kurz, angeregt, das Verfahren einzustellen. Darauf sei die Staatsanwaltschaft aber nicht eingegangen. Daraufhin legte der Angeklagte Einspruch gegen den Strafbefehl ein, es kam zu einer ersten Verhandlung. Diese fiel allerdings recht kurz aus. Denn Verteidiger Kurz pochte darauf, weitere Zeugen zu hören. Er sagt im Gespräch mit dem GEA: »Der Sachverhalt ist für mich noch nicht so geklärt, dass eine Strafbarkeit, so wie sie die Staatsanwaltschaft meinem Mandanten vorwirft, gegeben ist.« Außerdem betont er: »Allein weil jemand Vorsitzender eines Vereins ist, kann er nicht automatisch strafrechtlich belangt werden.«

Nun muss also ein neuer Verhandlungstermin gefunden werden. Neben Bezirksbürgermeister Zeeb werden dann vermutlich auch der Architekt und der alte Statiker (er war nach dem Unfall vom Projekt abgesprungen) sowie die beim Unfall anwesenden Fördervereinsmitglieder aussagen. Diese Verhandlung wird aber wohl erst in einigen Wochen stattfinden - oder vielleicht auch erst nach den Sommerferien, heißt es aus dem Gericht.

»Wir sind es ihm schuldig, dass wir weiter machen«

Der Fall ist in mehrerlei Hinsicht tragisch für Sickenhausen. Zum einen herrscht nun eine große Unsicherheit beim Förderverein, der bisher versucht hat, das Projekt trotz wenig Geld engagiert voranzutreiben. »Gefährliche Arbeiten, bei denen man vorher gesagt hätte, das macht man selbst, die vergeben wir jetzt«, sagt Bezirksbürgermeister Zeeb. Wenn die Kulturwache fertig ist, sollen dort allerlei Veranstaltungen stattfinden. Außerdem können Vereine dann Toiletten und Küche bei Festen benutzen - und sparen so eine Menge Geld.

Auch wirft der tragische Fall die grundlegende Frage auf, wofür Vereinsvorsitzende strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden können und wofür nicht. Denn klar ist: Ein Vereinsvorsitzender kann niemals alle Handlungen aller Vereinsmitglieder überwachen und kontrollieren. Die Witwe des verstorbenen Mannes und seine Kinder stehen weiter voll und ganz hinter dem Projekt Kulturwache, berichtet Schultes Zeeb. »Wir sind es ihm schuldig, dass wir weiter machen. Das ist auch mit seiner Familie abgestimmt. Es ist in seinem Sinne, dass das Projekt weitergeht.« (GEA)