REUTLINGEN. »Das ist ja wie im Urlaub«, sagt eine Frau auf ihrer Strandliege zu ihren Freundinnen, den Blick auf die Echaz gerichtet. Im Hintergrund spielt sommerliche Musik, Menschen lachen, Bierdeckel ploppen. Bereits eine Stunde nach der Eröffnung der Pop-up-Bar »welt:raum« am Reutlinger Willy-Brandt-Platz ist an der Echazterrasse kaum noch ein Durchkommen. »Das ist einfach mega geil«, meint Tim Kucklies mit einem strahlenden Lächeln. Er und sein Team - 15 freiwillige Helfer - stellten das Projekt in den vergangenen Wochen auf die Beine. Ende vergangenen Jahres war der »welt:raum« noch am Weibermarkt zu finden, doch ab Silvester mussten die Helfer, die neben ihrer Arbeit an der Bar als Mitglieder der »Drei Musketiere Reutlingen« Spender für Krisen- und Kriegsgebiete sammeln, nach einer neuen Bleibe Ausschau halten.
»Das war natürlich nicht so einfach, wir mussten ziemlich lange suchen«, berichtet Kucklies. Über die Stadt erfuhren die Musketiere von einer freistehenden Hütte zwischen den Burger- und Falafelständen am alten Busbahnhof und sahen das Potenzial für eine »chillige Atmosphäre«. Strandliegen, kleine Betten und altmodische Stehlampen sorgen für gemütliches Ambiente, das die Stammkunden vom Weibermarkt sofort überzeugt: »Sie haben das, was drin war, perfekt nach draußen geholt«, findet etwa Johannes. Der Tübinger Student kennt zwei Mitglieder der »Drei Musketiere« aus der Universität und wollte den Eröffnungsabend keinesfalls verpassen. »Eigentlich bin ich kaum in Reutlingen«, erzählt er, »aber das hier ist schon etwas Besonderes.«
Besucher von jung bis alt
Mehr als 70 Menschen sind um 20 Uhr um die Hütte versammelt. Dass es nicht mehr Sitzplätze gibt, scheint niemanden zu stören. Die Besucher an den Stehtischen wippen zur Musik mit, während eine Gruppe junger Männer sich konzentriert am Bierpong-Tisch duelliert. Besonders auffällig ist dabei die generationenübergreifende Kundschaft an der Echazterrasse: Hans ist 87 Jahre alt und seit Tag eins Gast im »welt:raum.« Der Reutlinger entdeckte im vergangenen Jahr die Bar am Weibermarkt und war sofort »von den sympathischen Menschen« begeistert. »Wir haben uns direkt gut verstanden und ich habe mich vom ersten Tag an wohlgefühlt«, berichtet der 87-Jährige. Tim Kucklies liegt der Austausch von Menschen unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichen Alters am Herzen - nicht umsonst ziert der Schriftzug »come as you are« (»komm, wie du bist«) die Werbeplakate der Pop-up-Bar. Die Erlöse aus Getränken wie dem eigenen »Muskebier« gehen an die Projekte des Vereins.
Christopher hörte von seinem 19-jährigen Sohn vom Event - und zeigte sich begeistert von der »Strandbar-Atmosphäre, die einfach perfekt für den Sommer ist.« Seine Freunde Bastian und Diggla sind sich einig, »dass so etwas in Reutlingen gefehlt hat«. Es gebe in der Stadt nur wenige Orte, an denen es gelinge, Menschen jeden Alters zusammenzubringen. Sie werden deshalb nicht zum letzten mal dort sein. »Wenn es jetzt noch eine Alternative für den Winter gäbe, wäre das top«, meint Christopher. Denn der »welt.raum« ist fürs erste nur bis Oktober am Willy-Brandt-Platz geöffnet. »Bis dahin haben wir aber noch einiges vor«, sagt Kucklies glücklich: Live-Musik und Poetry-Slams sollen die Echazterrasse zur Anlaufstelle für warme Sommertage machen. (GEA)